{"id":54031,"date":"2017-03-11T14:08:55","date_gmt":"2017-03-11T13:08:55","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=54031"},"modified":"2020-04-18T12:25:42","modified_gmt":"2020-04-18T10:25:42","slug":"franco-kommt","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/zeitungsreportagen\/spanien\/franco-kommt\/","title":{"rendered":"Franco kommt"},"content":{"rendered":"
Stern, Heft 39, 26. September 1959 \u00dcberall in Barcelona begegneten wir der Unzufriedenheit. Die M\u00e4nner der Untergrundparteien sprachen heimlich mit uns \u00fcber ihre Opposition gegen Franco. Die B\u00fcrger sagen es recht offen in Caf\u00e9s und auf der Stra\u00dfe. Die Jugend, sie schrie es aus vollem Halse.
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\u201eSag deinen Lesern, sag der ganzen Welt, da\u00df wir Feiglinge sind. Stolze Spanier nennt man uns! Uns, gerade uns, die wir wie kein anderes Volk vor einem Haufen Polizisten in die Hose machen. Waschlappen sind wir, h\u00f6rst du, Prostituierte der Angst, seelische Kr\u00fcppel einer idiotischen Revolution.“
Rafael rannte aufgeregt in seinem Zimmer auf und ab.
Wir waren bei seinem Vater zum Abendessen eingeladen, einem wohlhabenden Industriellen, der mit ruhigen Worten seiner Unzufriedenheit \u00fcber das Franco-Regime Ausdruck gegeben und vor \u00fcberst\u00fcrzten Handlungen gewarnt hatte. Sein Sohn Rafael, ein Student von 25 Jahren, hatte mit verschlossenem Gesicht dagesessen, ohne sich an der Unterhaltung zu beteiligen. Nach dem Kaffee hatte er mich kurzerhand auf sein Zimmer mitgenommen, wo er sich jetzt austobte.
\u201eF\u00fcr ein wenig Ruhe, f\u00fcr die Ruhe und das Schweigen der Gef\u00e4ngnisse verkaufen wir unsere Ehre und das Recht, frei zu sein wie ihr alle. Die Alten protestieren, indem sie schweigen. Aber das gen\u00fcgt nicht. Die Angst vor einer Wiederholung unserer Revolution steckt ihnen noch so in den Knochen, da\u00df sie ganz einfach stumm strammstehen und das Gefasel des Herrn Generals \u00fcber die Gr\u00f6\u00dfe des spanischen Volkes und seine historische, von Gott gegebene Mission als den Rettungsring ihrer W\u00fcrde anbeten und wie Balsam gegen ihr schlechtes Gewissen dr\u00fccken. O, diese Schw\u00e4chlinge! Weil Franco ihnen, den Reichen, alles erlaubt, um noch reicher zu werden, wollen sie uns mit dem Schreckgespenst des B\u00fcrgerkrieges zu Mitschuldigen ihrer Verschw\u00f6rung des Schweigens machen.“
Er warf seine Zigarette zu Boden und trat darauf herum.
\u201eO nein, dieses Ammenm\u00e4rchen vom schrecklichen Bruderkrieg, der Spanien eine Million Tote gekostet hat, kann unsere Gehirne nicht gleichschalten. Unsere Erinnerungen an diese Zeit sind nichts anderes als aufgescheuchte Kinderm\u00e4rchen, zerbrochene Spielzeuge, schwarze Schleier und die von Tr\u00e4nen entstelltem Gesicht unserer \u00e4lteren Schwestern. Solche Bilder k\u00f6nnen uns nicht abschrecken. Tausendmal abschreckender ist das Gesicht des heutigen Spaniens, und da m\u00fcssen wir handeln wir, die wir f\u00fcr die Zukunft verantwortlich sind und – leider auch schon – f\u00fcr die Gegenwart.“ <\/p>