{"id":54033,"date":"2017-03-11T14:08:55","date_gmt":"2017-03-11T13:08:55","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=54033"},"modified":"2020-04-18T23:57:20","modified_gmt":"2020-04-18T21:57:20","slug":"kein-platz-an-spaniens-sonne","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/zeitungsreportagen\/spanien\/hinter-der-spanischen-fassade\/kein-platz-an-spaniens-sonne\/","title":{"rendered":"Kein Platz an Spaniens Sonne"},"content":{"rendered":"
Stern, Heft 41, 10. Oktober 1959 F\u00fcr Peseten kann man alles kaufen \u2013 aber Peseten zu haben, ist das Privileg jener wenigen Auserlesenen, die an der Macht sind und diese Macht ausnutzen, um noch reicher zu werden. Madrid, Barcelona, Valencia, alle Prunkst\u00e4dte Spaniens sind die Symbole dieser Zusammenballung von Kapital, das man unerbittlich aus dem Lande herauspumpt, um es in unproduktivem Luxus anzulegen. Hinter dieser Fassade leben M\u00e4nner ohne Hoffnung, Frauen mit versteinerten Gesichtern, Kinder ohne Zukunft. Die Herren des Landes haben die Peseten. Aber f\u00fcr das spanische Volk ist das t\u00e4gliche Brot nicht der selbstverst\u00e4ndliche Verdienst getaner Arbeit, sondern der fragliche Erl\u00f6s eines bitteren t\u00e4glichen Kampfes.<\/strong><\/p> \u201eHier k\u00f6nnen Sie nicht stehen bleiben. Hier ist strengstes Parkverbot.\u201c Wir halten in einer Stra\u00dfe, wo rechts und links, hinten und vorn viele andere Wagen parken. Ich mache den Wachtmeister darauf aufmerksam.
<\/em><\/p>
\u201eDie haben besondere Erlaubnis\u201c, schreit er, \u201eSie d\u00fcrfen hier nicht halten.\u201c
\u201eNa sch\u00f6n, wenn es besondere Bestimmungen f\u00fcr Ausl\u00e4nder gibt\u201c, murmele ich vor mich hin und lasse den Motor wieder anspringen. Dabei sehe ich, wie f\u00fcnfzig Meter vor mir ein anderer Polizist neben einem anderen Wagen verhandelt. F\u00fcr den scheint es auch verboten zu sein. Oder nicht? Anstatt wegzufahren, \u00f6ffnet ein Chauffeur in blauer Livree die T\u00fcr, \u00fcberquert die Stra\u00dfe und steuert auf einen elegant gekleideten Herrn zu, der gelangweilt auf einer Caf\u00e9-Terrasse seinen Manzanilla schl\u00fcrft. Sie sprechen einen Augenblick zusammen, dann sehe ich, wie der Herr in seine Tasche greift und dem Chauffeur etwas in die Hand dr\u00fcckt. Kaum ist dieser wieder bei seinem Wagen angekommen, da verschwindet dieses Etwas im Handumdrehen in der Tasche des Polizisten, der nachl\u00e4ssig davonschlendert.
\u201eAch so\u201c, sage ich zu meinem Polizisten, \u201edas h\u00e4tten Sie mir doch gleich sagen k\u00f6nnen. So viel Anschauungsunterricht war gar nicht n\u00f6tig.\u201c
Ich gebe ihm 5 Peseten. Er nimmt sie z\u00f6gernd. Etwas sch\u00fcchtern sagt er:\u201eAusl\u00e4nder kennen die hiesigen Verh\u00e4ltnisse nicht …\u201c Dann dreht er sich ohne ein weiteres Wort um und geht seinem Kollegen nach.
Als wir auf dem B\u00fcrgersteig stehen und suchend die Stra\u00dfe hinunterblicken, steht er wieder neben uns. \u201eWo wollen Sie hin?\u201c fragt er liebensw\u00fcrdig. \u201eZum Luftfahrtministerium.\u201c Er erkl\u00e4rt uns umst\u00e4ndlich den Weg, und pl\u00f6tzlich, ohne \u00dcbergang, sagt er: \u201eSie m\u00fcssen verstehen, ich verdiene 1120 Peseten im Monat (80 DM) …\u201c<\/p>