{"id":54083,"date":"2017-03-11T14:10:25","date_gmt":"2017-03-11T13:10:25","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=54083"},"modified":"2024-02-11T12:36:44","modified_gmt":"2024-02-11T11:36:44","slug":"unser-nachbar-frankreich-ii","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/zeitungsreportagen\/unser-nachbar-frankreich\/unser-nachbar-frankreich-ii\/","title":{"rendered":"Unser Nachbar Frankreich II"},"content":{"rendered":"
Stern, Heft 27, 8. Juli 1962 \u201eIch bin zum Tode verurteilt.\u201c Stacheldraht ist \u00fcberholt<\/strong><\/p>\n \u201eWir sitzen in einem Konzentrationslager hinter vergifteten Antennen und Zeitungen\u201c, sagt der alte Herr. \u201eStacheldr\u00e4hte sind \u00fcberholt. Man wirft uns nicht mehr in Ketten. Man macht uns unsch\u00e4dlich durch Vergiftung von Hirn und Seele. Die Industrialisierung des Geistes macht Bajonette \u00fcberfl\u00fcssig. Ich glaube, hier liegt die gr\u00f6\u00dfte Gefahr f\u00fcr uns alle. Frankreich zeigt uns heute am besten, wie es gemacht wird \u2013 und wozu es f\u00fchrt.\u201c Unser Nachbar Frankreich<\/strong> wird innerlich vergiftet. Seine B\u00fcrger haben Angst vor dem Chaos, vor politischer Leere, vor dem Gespenst der Fallschirmj\u00e4ger \u00fcber Paris.<\/em><\/p>\n Kommunisten werden Faschisten<\/strong><\/p>\n \u201eDas freut mich. Ich rede so gerne. Kann ich die Uhr laufen lassen?\u201c Waffen f\u00fcr die OAS<\/strong><\/p>\n Ich sitze in Marseille in einem Bistro. Am Nebentisch trinkt ein Seemanns Pastis. Zwei M\u00e4nner kommen herein. Sie schauen sich um, mustern die wenigen Kunden und setzte sich neben den Seemann. Eine fragende Kopfbewegung in meine Richtung. Zum T\u00f6ten dressiert<\/strong><\/p>\n Ich sitze im Zimmer des Direktors einer gro\u00dfen Tageszeitung. Ein Mann wird angemeldet. Leutnant L. Seine Z\u00fcge sind vom Wetter gepr\u00e4gt. Seine Haut ist von der Sonne gegerbt. So sehen M\u00e4nner aus, die lange in der W\u00fcste lebten. Er ist nerv\u00f6s. Mit ihm ist eine Spannung ins Zimmer getreten, die schwer ertragbar ist. <\/strong><\/em><\/p>\n Die Fremdenlegion<\/strong> darf nur in \u00dcbersee eingesetzt werden. Frankreichs Kolonialreich zerf\u00e4llt. Es gibt Arbeitslose auf dem Markt des Krieges<\/em><\/p>\n Eine Professorin, die sich seit Jahren mit Algerien besch\u00e4ftigt und de Gaulles Politik aktiv unterst\u00fctzt, sagte uns hierzu: \u201eWenn diese M\u00f6rder nach Frankreich kommen, mu\u00df man sich auf alles gefa\u00dft machen. Stellen Sie sich vor, da\u00df jeden Morgen ein paar Kinder auf dem Schulweg erw\u00fcrgt werden. Regelm\u00e4\u00dfig, unerbittlich. Tag f\u00fcr Tag w\u00e4hrend Wochen. Welcher Familienvater w\u00fcrde seine Kinder noch zur Schule schicken? Oder Z\u00fcge entgleisen, Flugzeuge explodieren, Granaten krepieren in Untergrundbahnen. \u2013 So kann man eine Nation zur Panik treiben, glauben Sie mir. Ein einziger M\u00f6rder, der alle paar Tage eine Frau \u00fcberf\u00e4llt, kann eine Stadt zur Hysterie treiben. Das hat es schon gegeben. Es waren Sadisten oder Irre. Aber stellen Sie sich vor, so etwas wird kalt berechnet und systematisch durchgef\u00fchrt. Es ist nicht auszudenken, was dann geschehen mag. Die OAS hat in\u00a0Algerien gezeigt, da\u00df sie vor nichts zur\u00fcckschreckt. Sie tut, was sie f\u00fcr zweckm\u00e4\u00dfig h\u00e4lt. Wenn diese Wirksamkeit und Zweckm\u00e4\u00dfigkeit zu G\u00f6ttern werden, ist der Mensch verloren.\u201c Ohne de Gaulle: Chaos<\/strong><\/p>\n \u201eIch hoffe nur, da\u00df wir de Gaulle nicht verlieren\u201c, sagt sie. \u201eIch bin \u00fcberzeugt, da\u00df er der einzige ist, der uns vor dem Chaos retten kann. Der Staat darf nicht zusammenbrechen.\u201c Die Regierung? \u2013 Sie ist nicht mehr der Ausdruck einer parlamentarischen Mehrheit. Sie besteht aus M\u00e4nnern, die von\u00a0de Gaulle ernannt werden, die ihm gehorchen m\u00fcssen oder entlassen werden. <\/em><\/p>\n Wenn S\u00e4bel und Weihwedel zusammengehen, ist die Freiheit im Eimer \u2013 sagt der Volksmund. Heute ist der Weihwedel\u00a0fortschrittlicher als der S\u00e4bel. Unter den fanatischen Verteidigen der franz\u00f6sischen Demokratie findet man viele Priester<\/em><\/p>\n Inflation der Geheimdienste<\/strong><\/p>\n Wie ist es dazu gekommen? <\/strong><\/em><\/p>\n Saint Cyr<\/strong> wurde im Kriege ausgebrannt. Die Kriegsschule mu\u00dfte in die Bretagne verlegt werden. Einmal im Jahr pilgern die Kadetten nach Paris und h\u00f6ren eine Messe in der \u201e\u00c9glise \u00a0des Invalides\u201c. Diesmal sprach der Priester vom Gehorsam<\/em><\/p>\n Ersetzen wir das Wort Staatschef durch K\u00f6nig \u2013 und wir haben das richtige Klima. Ganz Frankreich parodiert de Gaulle als einen absoluten Monarchen. Die Minister sind seine Diener, Sein \u201eMinisterium“. Seine Vasallen buhlen um seine Gunst. Sie haben sich unterworfen, aber sie gehorchen nicht. Alle herrschen in ihren Dom\u00e4nen nach seinem Vorbild: absolut. Sie k\u00e4mpfen erbittert untereinander, zum Wohlgefallen des Herrschers. Solange sie uneins sind, kann er regieren. Intrigen, Messer, Spione, S\u00f6ldner, Kondottiere und gedungene M\u00f6rder vervollst\u00e4ndigen das farbige Bild eines F\u00fcrstentums der italienischen Renaissance. (Obwohl ich kaum einen logischen Zusammenhang zum Inhalt dieser Reportage verstellen kann, f\u00fcge ich der Vollst\u00e4ndigkeit halber auch dieses Foto der Reportage hinzu.)<\/p>\n Die Tochter des Forstmeister Mirandon ist die beste Sch\u00fclerin Frankreichs in Griechisch. In allen\u00a0franz\u00f6sischen Schulen werden Wettbewerbe mit Preisen und Pl\u00e4tzen durchgef\u00fchrt<\/strong><\/em><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Stern, Heft 27, 8. Juli 1962 \u201eIch bin zum Tode verurteilt.\u201c \u201eSeit wann?“ \u201eSeit vierzehn Tagen. Hier ist das Urteil. Es wurde an meinen Sohn in Paris geschickt.\u201c Wir sitzen in Marseille in einer Taxe. Der alte Herr zieht ein Papier aus der Tasche. Links oben steht: Organisation Arm\u00e9e Secr\u00e8te, OAS. 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\n<\/em><\/p>\n
\n\u201eSeit wann?“
\n\u201eSeit vierzehn Tagen. Hier ist das Urteil. Es wurde an meinen Sohn in Paris geschickt.\u201c
\nWir sitzen in Marseille in einer Taxe. Der alte Herr zieht ein Papier aus der Tasche. Links oben steht: Organisation Arm\u00e9e Secr\u00e8te, OAS. Der Text lautet: \u201eMonsieur, Sie haben gegen unsere Befehle gehandelt. Wir hatten Sie gewarnt. Sie sind des Verrats schuldig befunden und zum Tode verurteilt.\u201c \u2013 Stempel: OAS. Sektion des Zentrums.
\n\u201eDas kann jeder schreiben\u201c, sage ich. \u201eWenn ich ein makaberer Witzbold w\u00e4re, k\u00f6nnte ich Ihnen morgen einen \u00e4hnlichen Brief schicken.\u201c
\n\u201eNein, Monsieur, ich kenne Freunde, die solche Urteile erhalten haben. Einer ist hingerichtet worden. Aber warum soll ich mich aufregen? Ich bin 72. Ich habe nur Angst um meinen Sohn. Der hat nichts getan.\u201c
\n\u201eHaben Sie denn etwas verbrochen?\u201c
\n\u201eJa, ich habe den Befehl nicht ausgef\u00fchrt. Sonntag vor vier Wochen kamen zwei M\u00e4nner in meine Wohnung in Oran. Sie verlangten, da\u00df ich meine arabische Haush\u00e4lterin t\u00f6tete. \u201aWir geben Ihnen einen Tag‘, sagten sie, \u201awenn sie dann nicht tot ist, kommen Sie dran!\u201c
\n\u201eUnd was haben Sie getan?\u201c
\n\u201eMeine Haush\u00e4lterin war schon drei\u00dfig Jahre bei mir. Ich war fr\u00fch Witwer. Sie hat meine Kinder erzogen. Ich gab mir einige Monatsgeh\u00e4ltern und sagte, sie solle tun, als ob sie einkaufen ginge \u2013 und nie wiederkommen. Dann schlo\u00df ich die Wohnung ab und ging zum Flugplatz. \u2013 Ohne Gep\u00e4ck, ohne viel Geld.\u201c
\n\u201eSie h\u00e4tten sich unter Polizeischutz stellen sollen.\u201c
\n\u201eMein junger Freund, wem h\u00e4tte ich vertrauen k\u00f6nnen? Ein Mann in Uniform ist bei uns nicht mehr unbedingt ein H\u00fcter und ein Besch\u00fctzer des B\u00fcrgers. In den B\u00fcros ist es noch schlimmer. Kann man wissen, auf welches politische Pferd der Beamte gesetzt hat? Niemand findet sich mehr zurecht. Und was noch schlimmer ist: Niemand wei\u00df mehr, was gespielt wird. Wir alle sind die Opfer der \u201aIntoxe‘.\u201c
\nIntoxe = Vergiftung. In Frankreich ist dieses Wort seit Jahren Mode geworden. Gemeint ist die gezielte Erzeugung von Meinungen und Gef\u00fchlen, die Dressur des politischen Tieres.
\nEs gibt heute ganze Generalst\u00e4be der \u201aIntoxe‘. Offizielle, halboffizielle, private. Sie ist zur Epidemie geworden.
\nEin kleines Beispiel unter Tausenden: Ich h\u00f6re im Radio zwei Nachrichten. Die erste besagt, da\u00df eine Bande der FLN sieben Europ\u00e4ern die Gurgel durchgeschnitten hat. In der zweiten erfahre ich, da\u00df die Aktion eines Kommandos der OAS zw\u00f6lf Opfer gefordert hat, alles Araber.
\nWelche Ideenverbindung entsteht?\u2013 Eine Bande ist ein unorganisierter Haufen, etwas Verbrecherisches. Die Gurgel durchschneiden geh\u00f6rt zu den bestialischsten Arten des Mordes. Eine Aktion hingegen ist etwas Forsches, Positives. Ein Kommando ist eine milit\u00e4rische Formation. Opfer kann es immer geben, wenn ein Kommando in Aktion tritt. Sie geh\u00f6ren logischerweise dazu, genau wie Pistole und Gewehr.
\nPsychologisches Ergebnis: Verbrechen + Messer + tote Europ\u00e4er = FLN.
\nAber: Milit\u00e4r + Aktion + tote Verbrecher = OAS.
\nDas steht nat\u00fcrlich im Gegensatz zu offiziell erkl\u00e4rten Politik. Aber gerade das soll es ja. Die Fachleute der Vergiftung sind der Meinung, da\u00df es im Interesse des Staates liege, wenn \u00fcberhaupt niemand mehr etwas versteht. Verwirrung durch \u201aIntoxe\u2018 macht die Zensur \u00fcberfl\u00fcssig. Zensur ist eindeutige Freiheitsbeschneidung. \u201aIntoxe\u2019 hingegen unterh\u00e4lt die Illusionen der Freiheit.<\/p>\n
\n\u201eDas Palais Royal ist ein sch\u00f6ner Ort, dort kann man alle M\u00e4dchen heiraten. Sag‘ mir ja, sag‘ mir nein, sag‘\u00a0mir, wenn du liebst.\u201c Dieses harmlose Lied der Franz\u00f6sischen Revolution erklingt vor einer Mauer in Paris, auf der die neue Revolution ihre drohenden Zeichen zieht<\/em><\/p>\n
\n\u201eAber ihr habt doch ein paar mutige Zeitung. Die besten Europas, zur Ehre Frankreichs\u2026\u201c
\n\u201eDas ist auch der einzige Hoffnungsschimmer. Wenn sie nicht durchhalten k\u00f6nnen\u2026\u201c
\nUnsere K\u00f6pfe sto\u00dfen zum vierten Mal zusammen. Die Taxe hat wieder einen scharfen Schlenker gemacht und ist zum Halten gekommen. Der Fahrer schreit zum. Fenster hinaus:\u201eDreckiger Rassist. In Algerien gibt’s wohl keine Fahrschule. Wir sind keine Araber. Wir wollen leben.\u201c
\nEr beruhigt sich erst, nachdem der andere Wagen weitergefahren ist.
\nWir reiben uns die K\u00f6pfe. \u201e Was ist denn Sie gefahren?\u201c fragte ich den Fahrer.
\n\u201eC\u2019est plus fort que moi \u2013 das ist st\u00e4rker als ich: Jedes Mal wenn ich einen Wagen mit algerischer Nummer sehe, packt mich die Wut. Dann mu\u00df ich einfach einen Schlenker machen und ihm vor die Nase fahren. Die sollen merken, da\u00df man sie hier nicht haben will.\u201c
\n\u201eDie Fl\u00fcchtlinge?\u201c
\n\u201eR\u00e9fugi\u00e9s, mon cul \u2014 Fl\u00fcchtlinge, mein Hintern. Ausbeuter, Monsieur, gemeine Blutegel. Zun\u00e4chst haben sie sich mit dem Schwei\u00df der Araber reich gemacht. Wir haben Steuern geblecht und unsere S\u00f6hne nach dr\u00fcben geschickt. Krieg gab’s, damit sie ihr Geld in Sicherheit bringen konnten. Und jetzt wollen sie uns hier auf Vordermann bringen.\u201c
\nEr f\u00e4hrt weiter.
\n\u201eParken Sie doch irgendwo\u201c, sagt der alte Herr, \u201ewas Sie da sagen, interessiert mich sehr.\u201c
\n<\/em><\/p>\n
\n\u201eNat\u00fcrlich.\u201c
\n\u201eGro\u00dfartig. Wie beim Fernsehen. Bezahltes Quatschen. Das hat’s in Marseille noch nie gegeben. Sonst w\u00e4ren wir alle reich. Na, dann los. Was wollen Sie h\u00f6ren?\u201c
\n\u201eIhre Wut.\u201c
\n\u201e Also\u2026\u201c Er holt tief Luft. Aber kein Wort kommt \u00fcber seine Lippen. Er starrt uns nur mit immer gr\u00f6\u00dfer werdenden Augen an und l\u00e4\u00dft den Atem durch die Z\u00e4hne pfeifen. \u201eNee, meine Herren, mit der Polente will ich nichts zu tun haben. Ich hab‘ schon so genug Sorgen.\u201c
\nIch zeige ihm meinen Pa\u00df. Er l\u00e4\u00dft sich \u00fcberzeugen und legt los:
\n\u201eWut haben wir alle in Marseille. Da k\u00f6nnen Sie jeden fragen. Die Algerier wollen wir nicht. Die Reichen haben ihr Geld in Sicherheit gebracht, w\u00e4hrend sie den kleinen Mann dr\u00fcben zum Widerstand aufhetzten. An der ganzen K\u00fcste findet man keine Wohnung mehr, kein St\u00fcck Land. Alles aufgekauft. Spekulation im Hinblick auf die selbstfabrizierten Heimkehrer. Alles wird teurer. Durch sie. Und die meisten sind OAS. Ich h\u00f6re viel im Taxi. Nicht alle fl\u00fcstern wie Sie, meine Herren.\u201c
\nEr macht eine Pause, um die Wirkung seiner Anklage abzuwarten. Wir schweigen. Er scheint zufrieden.
\n\u201eDie weniger Reichen, die jetzt mit dem Schiff kommen, sind zu bedauern. Aber im Grunde sind sie nicht viel besser. Die wollen nicht arbeiten. Jeder will eine Kneipe oder einen Laden. Auf Staatskosten nat\u00fcrlich. Die f\u00fchlen sich wie Herren, weil sie ein Jahrhundert lang die Eingeborenen ungestraft in den Hintern treten konnten. Aber hier gibt es das nicht mehr. Wir sind keine Eingeborenen. Jetzt verstehen Sie unsere Wut. Die glauben immer noch, sie seien in einer Kolonie. Unser Priester hat gesagt: \u201aKolonialismus in der Heimat, das ist Faschismus‘ Er k\u00fcmmert sich viel um die Fl\u00fcchtlinge. Er sagt auch: \u201aDas ist die Heimkehr des Terrors. Die Gewalt, die wir andere V\u00f6lker f\u00fchlen lie\u00dfen, kommt zur\u00fcck in die Heimat in Gestalt armseliger Menschen. \u201aWas halten Sie davon?\u201c
\n\u201eSehr viel\u201c, sagt der alte Herr. \u201e Ich bin selbst algerischer Fl\u00fcchtling und wei\u00df nur zu gut, da\u00df ein Priester recht hat.\u00a0Die Flut, die\u00a0\u00fcber Frankreich hereinbricht, ist die R\u00fcckwanderung der kolonialen Arroganz. Menschen, die zeitlebens die herrschende Klasse waren, werden sich nicht kampflos damit abfinden, irgend jemand zu sein. Ein Haifisch wird nicht zur Forelle.\u201c
\n\u201eEs wird gro\u00dfe Schwierigkeiten geben, was?\u201c
\n\u201eWer kann das wissen? Ich wei\u00df nur, da\u00df diese Fl\u00fcchtlinge den rechtsgerichteten Parteien neuen Aufschwung geben werden.\u201c
\n\u201eDa bin ich gar nicht Ihrer Meinung\u201c, ruft der Fahrer. \u201e In Algerien gab es immer viele Kommunisten und Sozialisten unter der europ\u00e4ische Bev\u00f6lkerung.\u201c
\n\u201eSie waren ebenso wie die anderen. Der Stadtteil Bab el Oued war w\u00e4hrend der K\u00e4mpfe die Festung der OAS. Fr\u00fcher war er die Hochburg der Kommunisten. Das besagt alles. Sobald sie ihre Privilegien als Europ\u00e4er in Frage gestellt sahen, wurden die Kommunisten zu Faschisten. Und sie werden es bleiben. Das Heimweh nach dem Privilegien sorgt daf\u00fcr.\u201c
\n\u201eGibt es denn noch Chancen f\u00fcr eine Verst\u00e4ndigung?\u201c frage ich.
\n\u201eIn Algerien sicher. Sobald es m\u00f6glich ist \u2013 und wenn ich dann noch lebe \u00a0\u2013 gehe ich zur\u00fcck. Meine Kinder auch und viele andere. Wir werden mit den Arabern auskommen. Viele von uns. Aber es geht ja gar nicht um Algerien. Das beweist Ihnen die Spaltung der OAS. Die echte OAS hat immer nur ein Ziel gehabt: die Macht in Paris. Jetzt erh\u00e4lt sie mit den Fl\u00fcchtlingen eine psychologische Reserve in der Heimat. Sie mag in den Untergrund gehen und sogar zeitweise nichts mehr von sich h\u00f6ren lassen. Bei der ersten ernsten Krise wird sie losschlagen. Ihr bester Alliierter ist dann die gedem\u00fctigte koloniale Arroganz. Und wie der Priester richtig sagte: \u201aFaschismus ist Kolonialismus im eigenen Land‘.\u201c<\/p>\n
\n\u00a0Mit wei\u00dfen Handschuhen in die Zukunft<\/strong><\/em>
\nDiese M\u00e4nner werden zum Kommandierenden erzogen, zu Helden gez\u00fcchtet, auf \u00a0Ehre gedrillt. Sie sind Kadetten der ber\u00fchmtesten Kriegsakademie Frankreichs: Saint-Cyr. Wie das ganze Heer, sind sie hin \u2013 und hergerissen zwischen Gehorsam und Heimweh nach der \u201eGrande Nation\u201c, zwischen de Gaulle und der OAS. Sie wollen eine junge, fanatische Armee sein, beseelt vom Geist der Kreuzz\u00fcge. Ein Lieblingslied: Ich hatt‘ einen Kameraden<\/em><\/p>\n
\n\u201eTourist\u201c, sagte der Mann mit einem Blick auf meine Kamera. \u201eEr hat eine ausl\u00e4ndische Zeitung.\u201c
\n\u201eSeid trotzdem vorsichtig\u201c, sagt der Dickere .
\n\u201eKeine Gefahr\u201c, sagt der Seemann, \u201e der war schon vor mir hier.\u201c
\nIch vertiefe mich in meine englische Zeitung.
\n\u201eDer Kapit\u00e4n ist einverstanden\u201c, sagt der Seemann. \u201e Er will aber mehr Geld.\u201c
\n\u201eGegenbefehl\u201c, fl\u00fcstert der Dicke. \u201eWir wollen zun\u00e4chst keine Kerle mehr ‚r\u00fcberbringen.\u201c
\n\u201eAlso abgeblasen?\u201c
\n\u201eNein. Er soll Fracht laden.\u201c
\n\u201eWas?\u201c
\nDie Stimme wird so leise, da\u00df ich nicht verstehe.
\n\u201eDas ist gef\u00e4hrlicher\u201c, sagt der Seemann.
\n\u201eEs darf auch mehr kosten. Aber es mu\u00df schnell gehen. Die Dinger sind jetzt wichtiger als M\u00e4nner.\u201c
\n\u201eWie viel Tonnen?\u201c
\n\u201eHundertzwanzig. Ungef\u00e4hr, versteht sich.\u201c
\n\u201eWann braucht ihr die Antwort?\u201c
\n\u201eHeute Abend, sieben Uhr.\u201c
\n\u201eWo? Hier?\u201c
\n\u201eBist du verr\u00fcckt? Bei Romeo.\u201c
\nDer Matrose geht. Nach einer Weile sagt der Dicke in meine Richtung: \u201eWie sp\u00e4t ist es, mein Herr?\u201c
\nIch mu\u00df mich zusammen nehmen, um nicht auf die Uhr zu schauen.<\/p>\n
\nEr bittet um Hilfe: \u201e Die b\u00fcrokratische Maschine ist zu langsam\u201c, sagt er. \u201e Sie hat kein Herz. Ich mu\u00df sofort handeln, wenn ich tausend Menschen das Leben retten will.\u201c
\nEr erz\u00e4hlt, dass er einer Spezialtruppe angeh\u00f6rt hat, die mit der Betreuung frankreichfreundlicher Gemeinden im Inneren Algeriens beauftragt war. Obwohl die Abkommen von Evian eine Amnestie vorsehen, mu\u00df damit gerechnet werden, da\u00df viele Einwohner von D\u00f6rfern, die sich gegen die FLN unter den Schutz des franz\u00f6sischen Heeres gestellt haben, die Opfer pers\u00f6nlicher Abrechnungen werden.
\n\u201eFrankreich hat sich diesen Menschen gegen\u00fcber verpflichtet, sie zu sch\u00fctzen. Ich habe mein Wort gegeben, sie zu retten. Angesichts des Unverst\u00e4ndnisses meiner Vorgesetzten bin ich aus dem Heer ausgeschieden, um auf eigene Faust Hilfe zu organisieren. Ein ganzes Dorf wird ausgerottet werden, wenn ich nicht sofort etwas unternehme. Ich habe schon das Land, wo diese Berber Schafzucht\u00a0treiben k\u00f6nnen. Jetzt brauche ich noch Geld f\u00fcr den Transport. Helfen Sie mir in durch einen Aufruf in Ihrer Zeitung.\u201c
\nSeine Augen brennen. Die H\u00e4nde sind wie zum Gebet erhoben. Ein echter Missionar k\u00f6nnte nicht mystischer aussehen. Er hat den Blick jener M\u00e4nner, die sich engagieren m\u00fcssen, weil sie an die gro\u00dfe Bruderschaft der Menschen glauben.
\nDer Direktor scheint einen anderen Eindruck zu haben. Er bel\u00e4chelt den Eifer des Leutnants. \u201eWenn man heute allen Leuten helfen w\u00fcrde, die sich in Gefahr glauben\u2026\u201c
\nWeiter kommt er nicht. Der Offizier ist aufgestanden und verl\u00e4\u00dft den Raum.
\nIch wundere mich nicht, als ich ihn einige Minuten sp\u00e4ter in einer Ecke des Treppenhauses weinen sehe.
\n\u201eIch schlafe schon seit Tagen nicht\u201c, sagt er. \u201eIch kann nicht mehr. Gott wird mir nicht verzeihen k\u00f6nnen, wenn ich diese Menschen verlasse. Sie haben mir ihr Leben anvertraut.\u201c
\n\u201eMan wird sich sicher zun\u00e4chst um die europ\u00e4ischen Fl\u00fcchtlinge k\u00fcmmern wollen.\u201c
\n\u201eNein, das ist es nicht. Haben Sie nicht den h\u00f6hnischen Ausdruck in den Augen des Direktors gesehen? Jedes Mal bin ich diesem Hohn begegnet. Diese Leute glauben, meine Berber seien nur ein Vorwand, um OAS-Kommandos nach Frankreich zu bringen. Jeder wei\u00df, da\u00df man im Augenblick M\u00e4nner und Waffen her\u00fcber schmuggelt. Sie wissen sicher auch, was f\u00fcr Gruppen OAS-Chef und Ex-Oberst Godard und seine Freunde ausbildeten, als sie noch die Leiter unserer psychologischen Kriegsf\u00fchrung waren?\u201c
\nJa, ich wei\u00df. Es ist eines der traurigsten Kapitel des algerischen Krieges: Sie suchten unter den gefangenen Rebellen die brutalsten aus und verurteilten sie zu Tode. Dann sagte sie: \u201eIhr braucht nicht zu sterben, ihr k\u00f6nnt sogar frei sein, wenn ihr uns dient.\u201c Wer sich weigerte, wurde aufgeh\u00e4ngt. Wer annahm, tat es meistens mit der Idee, bei der ersten Gelegenheit \u00fcberzulaufen. Um diese M\u00f6glichkeit radikal auszuschalten, wurden die neuen Rekruten gezwungen, ein paar Dutzend Glaubensgenossen zu ermorden und gefangene Rebellen zu foltern. Anschlie\u00dfend teilten die psychologischen Krieger dann der FLN die Namen der T\u00e4ter mit. Und heute k\u00f6nnen diese Araber nicht in Algerien bleiben. Sie m\u00fcssen in Frankreich untertauchen, wenn sie leben wollen. Aus Furcht vor Rache und Strafe sind sie f\u00fcr immer jenen Ex-Offizieren ausgeliefert, die sie zum Morden dressierten.
\n\u201eMit 50 Kerlen terrorisiere ich ganz Paris\u201c, rief Lagaillarde, der Chef der Barrikaden, schon 1959. \u201eIch bringe 25.000 Polizisten zur Verzweiflung. Ich verbreite Furcht und Schrecken. Glauben Sie mir\u2026\u201c
\nDamals wollte er nur beweisen, da\u00df die FLN nicht existiert und 50 entschlossene M\u00e4nner den Anschein der St\u00e4rke geben k\u00f6nnen. Aus beschlagnahmten Dokumenten wei\u00df man heute, da\u00df dieser hingeworfene Satz mittlerweile ein Bestandteil der OAS-Strategie geworden ist.<\/p>\n
\nEs ist ersch\u00fctternd. Diese Frau ist sieben Jahre lang \u00f6ffentlich f\u00fcr ein freies Algerien eingetreten, und jetzt mu\u00df sie einsehen, da\u00df es weniger um Algerien ging, als um ihr eigenes Land. Um die Freiheit in Frankreich.<\/p>\n
\nIch m\u00f6chte jetzt rufen: Aber der Staat ist bereits zusammengebrochen, Madame! Es gibt keinen Staat mehr in Frankreich. Niemand f\u00fchlt sich mehr an Gehorsam gebunden oder an die Pflichten seiner Funktion. Es gibt keine Justiz mehr, keine Polizei, kein Heer, kein Parlament, keine Regierung. Was sich so nennt sind Verschw\u00f6rerzentralen und Nester t\u00f6dlicher Rivalit\u00e4ten. Es gibt nicht einmal mehr eine demokratische Auseinandersetzung. Es gibt nur noch Abrechnungen \u2013 und viele Tote.
\nJa, Madame, es gibt nur noch Charles de Gaulle und das Volk. Alles was dazwischen liegt, ist faul. Und je mehr de Gaulle direkt ans Volk appelliert, mit erhobenen Armen und zitternder Stimme, bettelnd und drohend ein \u201e Ja\u201c\u00a0erpressend, umso fauler wird der Staat. Er kann nicht gesunden, wenn seine Werkzeuge vergewaltigt werden und der B\u00fcrger nur noch ja sagen kann \u2013 aus Angst vor Chaos, vor politischer Leere, vor dem Gespenst der Fallschirmj\u00e4ger \u00fcber Paris.
\nAber warum soll ich es ihr sagen? Sie wei\u00df es, wie alle Franzosen, mit denen wir gesprochen haben. Es ist die bittere Erfahrung jedes Tages. Es steht in Zeitungen, die nicht\u00a0\u201eIntoxe\u201c\u00a0spielen und den Mut zur Offenheit haben, in vielen B\u00fcchern. Es ist das Thema der Studiengruppen aller Tendenzen: \u201eWie k\u00f6nnen wir de Gaulle \u00fcberleben?\u201c fragen sie. \u201eWie kann der Staat wiedergeboren werden?\u201c \u201e Worauf k\u00f6nnen wir aufbauen?\u201c<\/p>\n
\nMit nackten H\u00e4nden vor der Vergangenheit<\/em><\/strong>
\nSobald zwei Franzosen eine Sache gemeinsam vollbracht haben, gr\u00fcnden sie einen Verein. Ein Vorwand zu festlichen Gelagen. Den gr\u00f6\u00dften Verein bilden die Veteranen. Sie verlieren keine Gelegenheit, um ihre Orden abzustauben und in Erinnerungen zu schwelgen. Verdun, Douaumont,Is\u00e8re. Das ist ihr Frankreich: gewonnene Schlachten. Aber der algerische Krieg ist eine andere Welt. Hier haben ihre Medaillen keinen Kurs mehr<\/em><\/p>\n
\nDie Armee?- Sie ist nicht mehr der H\u00fcter der Nation, ein \u00fcberparteiischer Schutz der republikanischen Institutionen. Es sind M\u00e4nner in Uniform, die Politik machen. Offiziere, die sich w Icheder f\u00fcr noch gegen die OAS aussprechen, weder f\u00fcr noch gegen de Gaulle \u2013 zun\u00e4chst. Bewaffnete Gruppen, die sich befeinden und an die Macht wollen. Gener\u00e4le, die ihre politische Meinung \u00fcber den Gehorsam stellen. Soldaten, die ihre Offiziere verhaften.
\nDie Polizei? \u2013 Sie kennt nur noch ein Motto: Wirksamkeit. Sie urteilt und bestraft. Sie ist Richter und Henker. Bei Demonstrationen sorgt sie nicht f\u00fcr Ordnung. Sie geht zur Gegendemonstration \u00fcber mit Kn\u00fcppel, Granaten und Gewehr. Sie verteidigt nicht. Sie greift an. Sie ist ein politisches Instrument geworden, in dem feindliche Gruppen sich zerfleischen.
\nDie Justiz? – Die Richter sind nicht mehr unabsetzbar. Die Trennung von Exekutive und Justiz ist abgeschafft. De Gaulle ernennt die Richter. Sie m\u00fcssen gehorchen oder werden abberufen. Die Justiz wird zum Diener der Macht.
\nDas Parlament? \u2013 Es wird nicht mehr befragt. Die Entscheidung werden von de Gaulle getroffen und dem Volk direkt unterbreitet. Jeder wird sein eigener Abgeordneter. Fernsehen und Wahlurne ersetzen die Volksvertretung. Es gibt keine Wahl mehr au\u00dfer Ja und Nein, de Gaulle oder nicht\u00a0de Gaulle. Das Referendum wird zum Plebiszit, zur Waffe gegen Parlament, Parteien, Politiker. Es soll das Volk zwingen,\u00a0die demokratischen Institutionen f\u00fcr \u00fcberfl\u00fcssig zu halten und zu verachten.<\/p>\n
\nIn einer ausgesprochenen Diktatur, mit Einheitspartei und Schwur auf den F\u00fchrer, halten Gefolgschaft und Polizei den Staat zusammen. Die gaullistische Diktatur hingegen basiert nicht auf Gleichschaltung und Gewalt. Sie ist Ausdruck einer politischen Leere. Keine der politischen Gruppen ist stark genug, Verantwortung der Macht zu tragen. Und keine hat den Mut zur Verantwortung. Nur deshalb kann ein Mann es sich erlauben, allein alle gro\u00dfen Entscheidungen zu treffen und den Staat zu verk\u00f6rpern.
\nNiemand jedoch, der nicht direkt an ihn gebunden ist, der ihn liebt oder verehrt, wird sich verantwortlich f\u00fchlen oder zu Gehorsam verpflichtet.
\nDas gilt nicht nur f\u00fcr\u00a0de Gaulles Gegner. Selbst die Gaullisten bilden viele sich bek\u00e4mpfende Gruppen und Gr\u00fcppchen, von denen jede glaubt, die Doktrin de Gaulles zu verk\u00f6rpern, aber keine wei\u00df, was er wirklich denkt. Er hat zu oft eine Politik gepredigt und eine andere verfolgt. Das ist \u201eIntoxe\u201c\u00a0auf h\u00f6chster Ebene.
\nSelbst Premierminister Pompidou ist \u201enur ein Berater, dem manchmal Geh\u00f6r geschenkt wird\u201c, wie eine gaullistische Zeitung schreibt. \u201eDas ist ein Privileg\u201c, f\u00fcgt sie hinzu. \u201eDie Funktion Pompidous gleicht der eines Hofministers dank der pers\u00f6nlichen Beziehungen, die ihn mit dem Staatschef verbinden.\u201c<\/p>\n
\nManche Franzosen finden das romantisch. Aber wir befinden uns im 20. Jahrhundert. Ein Pariser Journalist schreibt: \u201eVorige Woche wurde ein Offizier, der nach dem April-Putsch verurteilt worden war, von fr\u00fcheren Kameraden aufgesucht. Sie wu\u00dften, da\u00df er einmal mein Vorgesetzter gewesen war und weiterhin mit mir in Verbindung steht. Sie verlangten von ihm, \u201ain seinem Interesse‘, da\u00df er mich zu einem Rendezvous f\u00fchrte, wo mir ein nat\u00fcrlicher Unfall zusto\u00dfen w\u00fcrde.
\nWer waren diese Herren? Agenten des Staates, Mitglieder dieser neuen parallelen Polizei, die \u00fcber betr\u00e4chtliche Gelder verf\u00fcgt, niemandem Rechenschaft schuldet und in die sich Ausgesto\u00dfene des Heeres und Kriminelle dr\u00e4ngen, wenn sie dort gr\u00f6\u00dfere materielle Vorteile finden als bei der OAS: les \u00a0Barbouses.“
\nDie\u00a0\u201eBarbousen“ \u00fcberwuchern ein Land wie Unkraut, wenn die demokratische Auseinandersetzung durch Verschw\u00f6rung abgel\u00f6st wird, wenn Staatsstreich, Unterwanderung, Intoxe und Mord als die letzten Waffen im Kampf um die Macht gelten. Im Namen der Wirksamkeit.
\nEs handelt sich nicht um einen zentral geleiteten Geheimdienst, wie jeder Staat der Welt ihn unterh\u00e4lt. Auch davon gibt es ein halbes Dutzend in Frankreich. Es handelt sich um Organisationen, die mit Staatsgeldern von Ministerien, Politikern und mysteri\u00f6sen Gruppen unterhalten werden und nur ihren Auftraggebern Rechenschaft schulden. Offiziell sollen sie den Staat vor Verschw\u00f6rern sch\u00fctzen und Terror mit Terror, Mord mit Mord bek\u00e4mpfen. An sich schon eine seltsame Auffassung des politischen Kampfes. In Wirklichkeit sind sie die Handlanger ihrer direkten Geldgeber. S\u00f6ldner der politischen Unterwelt, das sind die\u00a0\u201eBarbousen\u201c.
\nSie machten schon zu Zeiten der Vierten Republik von sich reden. In Deutschland sprengten sie Politiker, Waffenh\u00e4ndler und Diplomaten in die Luft, die Verbindungen zur FLN unterhielten. Sie nannten sich \u201edie rote Hand“.
\nAndere beschossen Salan mit einer Panzerfaust, als er noch Oberbefehlshaber der franz\u00f6sischen Truppen in Algerien war. Er stand Verschw\u00f6rern im Wege zur Macht. Sie verfehlten ihn.
\nWiederum andere Gruppen bereiteten de Gaulles Machtergreifung vor \u2013 ohne oder mit seinem Wissen. Dar\u00fcber wird in Frankreich noch gestritten.
\nImmer wurden sie von Paris aus ferngesteuert. Von wem? Niemand wei\u00df es? Doch, viele wissen. Aber wer kann es sagen? Es gibt keine Beweise. Zu viele Mitwisser decken einander.
\nIhr gr\u00f6\u00dftes Feuerwerk lie\u00dfen die Barbousen in Algerien in die Luft gehen. Hier schossen sie nach links, nach rechts, Gruppen gegen Gruppen und gemeinsam gegen die OAS. Jede organisierte den Gegenterror auf ihre Weise: Bomben flogen in europ\u00e4ische Bars und Caf\u00e9s. Frauen und Kinder starben. Folter, Hinrichtungen, Strafexpeditionen geh\u00f6rten zum Tagespensum. Und um nicht aus der \u00dcbung zukommen, wurde auch mal auf die Polizei geschossen. Man war ja politisch gedeckt \u2013 in Paris.
\nDiese Organisationen, die parallel laufen, sich \u00fcberschneiden, sich beschie\u00dfen, Hand in Hand arbeiten und f\u00fcr den Terror geschult sind, kehren jetzt heim, genau wie die Fl\u00fcchtlinge, die OAS, die M\u00f6rderkommandos, die Folterer.
\nFrankreich wird die Geister nicht los, die es im Krieg um Algerien rief.<\/p>\n