{"id":54118,"date":"2017-03-11T14:16:16","date_gmt":"2017-03-11T13:16:16","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=54118"},"modified":"2021-12-13T21:19:01","modified_gmt":"2021-12-13T20:19:01","slug":"ein-kriegsbericht-aus-dem-mittelalter-nieder-mit-nasser","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/zeitungsreportagen\/jemen\/ein-kriegsbericht-aus-dem-mittelalter-nieder-mit-nasser\/","title":{"rendered":"Ein Kriegsbericht aus dem Mittelalter: Nieder mit Nasser"},"content":{"rendered":"
Stern, Heft 27, 7. Juli 1963\u00a0<\/em><\/p>\n Im Jemen ist Krieg. Vor neun Monaten verjagten republikanische Offiziere den jungen K\u00f6nig, den Imam El Badr, und ergriffen mit Hilfe \u00e4gyptischer Soldaten die Macht. Der gest\u00fcrzte Imam organisierte den Widerstand im Norden des Landes mit Unterst\u00fctzung Saudi-Arabiens. So ist der Jemen zu einem Schlachtfeld geworden, auf dem sich die beiden feindlichen Systeme der arabischen Welt gegen\u00fcberstehen: fortschrittliche panarabische Republiken gegen feudalistische Monarchien \u2013 Neuzeit gegen Mittelalter. In diesem ungleichen Kampf scheint das Mittelalter h\u00e4rter zu sein als Panzer und D\u00fcsenj\u00e4ger. Mit dem Schlachtruf: \u201eNieder mit Nasser\u201c hat es die H\u00e4lfte des Jemen zur\u00fcckerobert. Stern war dabei \u201eKeine Angst. Es wird schon gut gehen. Allah ist gro\u00df.\u201c Der jemenitische Prinz zieht hastig seinen Sicherheitsgurt fester und klammert seine H\u00e4nde um den Verschlu\u00df. Wie zum Gebet. Radio Mekka gegen Radio Kairo<\/strong><\/p>\n
\n\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0 Lagebericht aus dem Kampfgebiet<\/em><\/strong>
\n<\/em><\/strong>\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0 \u00a0 \u00a0 \u00a0 \u00a0 \u00a0 Die graue Fl\u00e4che umfa\u00dft die Gebiete, die von den Truppen des Imams und k\u00f6nigstreuen St\u00e4mmen kontrolliert werden. Die hellen Gebiete werden von der Republik gehalten, mit Unterst\u00fctzung \u00e4gyptische Truppen. Die STERN-Reporter Gordian Troeller und Claude Deffarge <\/em>reisten auf Maultier und Esel durch die vom Iman zur\u00fcckeroberten Gebiete<\/em>\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0 <\/strong>
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\nAuch uns zum Beten zumute. Seit einer Stunde fliegen wir durch einen Sandsturm. Durchs Fenster sehe ich jetzt kleine, schwarze Wolken auftauchen. Sie bersten.
\n\u201eFlag?\u201c frage ich. Der Prinz nickt.
\n\u201eWieso? Wo sind wir?\u201c
\n\u201e\u00dcber Na\u00efran.\u201c
\nDas kann nicht wahr sein. Als wir aus Er-Riad abflogen, hatte man uns diesen Ort als unser Ziel genannt. Es ist die s\u00fcdlichste Oase in Saudi-Arabien, am Fu\u00df der jemenitischen Berge. Wir wissen, da\u00df sie seit dem Krieg im Jemen die bedeutendste Nachschubbasis der k\u00f6niglichen Truppen ist. Aber warum schie\u00dft man auf eigene Flugzeuge?
\n\u201eWir m\u00fcssen \u00fcber Sanaa sein!\u201c rufe ich dem Prinzen zu. \u201eDer Pilot rei\u00dft aus. Zu den \u00c4gyptern. F\u00fcr Sie bekommt er sicher eine hohe Belohnung.
\nDer Prinz sch\u00fcttelt nur den Kopf und deutet auf seine Pistole. Ich erinnere mich pl\u00f6tzlich an die Freude, die uns \u00fcberfallen hatte, als uns der saudi-arabische Kriegsminister in Er Riad pers\u00f6nlich die Erlaubnis zu diesem Flug erteilte. Eine Erlaubnis, um die Arch\u00e4ologen und Wissenschaftler jahrelang vergebens gek\u00e4mpft haben. Sie wollten die Geheimnisse der K\u00f6nigin von Saba entschleiern, die einst \u00fcber Na\u00efran herrschte. W i r wollen den Stand des Krieges im Jemen ergr\u00fcnden, der sich in der Presse fast nur als Propagandakrieg niederschl\u00e4gt. Radio Mekka in Saudi-Arabien und Radio Kairo sind die tendenzi\u00f6sen Quellen, auf die man angewiesen ist, denn gewaltige Hindernisse, Gefahren und Strapazen halten den Journalisten ab, selbst Augenzeuge zu werden.
\nUnser Flugzeug kreist wie betrunken, eingekesselt zwischen hohen Bergen. Pl\u00f6tzlich sehen wir Sand – nur Sand, der rasend schnell n\u00e4her kommt.
\n\u201eKeine Angst\u201c, st\u00f6\u00dft der bla\u00df gewordene Prinz hervor. \u201eWir haben den besten Piloten Saudi-Arabiens. Er wird es schaffen. Allah ist mit uns.\u201c
\nDie Maschine b\u00e4umt sich auf, ber\u00fchrt den Boden, springt, rollt \u00fcber Steine, L\u00f6cher, Str\u00e4ucher und bleibt endlich stehen.
\nWild gestikulierende Offiziere des saudi-arabischen Heeres dr\u00e4ngen sich um den Piloten, der schwei\u00df\u00fcberstr\u00f6mt zur Erde klettert. Sein Gesicht ist grau \u2013 vor Angst. Er wu\u00dfte, da\u00df man auf uns schie\u00dfen w\u00fcrde, denn alle in Na\u00efran landende Flugzeuge m\u00fcssen von Osten einfliegen, wenn sie nicht als Feinde behandelt werden wollen. Nur die \u00c4gypter kommen von Westen, wenn sie Na\u00efran bombardieren. Aber im Sandsturm hatte es die Orientierung verloren. Hier gibt es keinen Kontrollturm, kein Radio, deshalb mu\u00dfte er zwischen den Bergen nach der Karawanenspur suchen, die nach Na\u00efran f\u00fchrt. Sie aber schl\u00e4ngelt sich von Westen heran.
\n\u201eNa, wer hatte recht?\u201c l\u00e4chelt der Prinz. \u201eEs konnte nicht schiefgehen. Es war nicht unsere Stunde.\u201c
\nIn unserem Fall war sie es offenbar nicht, und der Emir von Na\u00efran sch\u00fcttelt uns unsere angstkalten H\u00e4nde. Er, der Herr der Oase, ist von jetzt an f\u00fcr unsere Sicherheit verantwortlich. Trotz unseres Schreckens geben wir uns alle M\u00fche nett zu sein. Wenn es ihm nicht passen sollte, da\u00df wir die k\u00f6niglichen Truppen im Jemen besuchen, kann er uns Tage oder Wochen hier festhalten. H\u00f6flich und mit perfekter Gastfreundschaft nat\u00fcrlich.<\/p>\n