{"id":54120,"date":"2017-03-11T14:16:16","date_gmt":"2017-03-11T13:16:16","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=54120"},"modified":"2021-12-13T16:16:38","modified_gmt":"2021-12-13T15:16:38","slug":"ein-kriegsbericht-aus-dem-mittelalter-eine-frau-ist-nicht-genug","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/zeitungsreportagen\/jemen\/ein-kriegsbericht-aus-dem-mittelalter-eine-frau-ist-nicht-genug\/","title":{"rendered":"Ein Kriegsbericht aus dem Mittelalter: Eine Frau ist nicht genug"},"content":{"rendered":"
Stern, Heft 29, 21. Juli 1963 <\/em><\/p>\n \u201eWenn Esel R\u00e4der h\u00e4tten.\u201c Die Felder sind in Terrassen angelegt. Um den Boden vor dem Wegschwemmen bei den t\u00e4glichen Gewittern zu sch\u00fctzen, werden die schmalen \u00c4cker von schweren Steinmauern gest\u00fctzt. Im Jemen baut man vor allem Hirse an<\/em><\/p>\n Wir sind bei Viehz\u00fcchtern, Nomaden, die hier burg\u00e4nhliche, kleine H\u00e4user haben, in denen sie einige Monate im Jahr verbringen. In der Mitte des Hofes steht ein rundes, hohes Haus aus dicken Steinen. Dort wohnt der Mann \u2013 meistens nur auf dem Dach, wo ein frischer Wind weht. Ihr gro\u00dfes Problem: Sie wollen dicker werden<\/strong><\/p>\n \u201eWie alt bist du? \u2013 Woher kommst du? \u2013 Wieviel Kinder hast du? \u2013 Wie siehst du aus? \u2013 Zeig her \u2026\u201c Und Claude wird von einer zur anderen gereicht, wie ein faszinierendes Spielzeug. Man streichelt vorsichtig ihre Haut. Sie mu\u00df mit ihren Fingern \u00fcber die Arme der Frauen fahren. STERN-Reporterin Claude Deffarge wurde von den Kriegern ritterlich behandelt. Die Frauen jedoch zerrten sie in die H\u00e4user und fragten sie aus<\/em><\/p>\n Nur eine Frau? \u2013 Entsetzlich!<\/strong><\/p>\n \u201eWarum sind deine Kleider so h\u00e4\u00dflich?\u201c fragen sie. Aber wie solle sie es erfahren? Die reichen Frauen, die erstaunlich genau auf dem laufenden sind, h\u00fcten sich, dar\u00fcber zu sprechen. S i e brauchen nicht zu arbeiten. Sie sitzen in ihren Gem\u00e4chern auf dicken Kissen und teuren Teppichen, umgeben von Dienstboten. Von Frauen nat\u00fcrlich, denn M\u00e4nner haben keinen Zutritt. Die m\u00fcssen laut \u201eAllah\u201c rufen, wenn sie in ein Haus eintreten, damit die Frauen sich rechtzeitig verstecken k\u00f6nnen. Auf dem Lande tragen die Frauen keinen Schleier. Er st\u00f6rt bei der Arbeit. In den St\u00e4dten hingegen ist er das unerl\u00e4\u00dfliche Zeichen der Sittsamkeit<\/em><\/p>\n Einfache L\u00f6sung: Zwei Jahre schwanger<\/strong><\/p>\n \u201eIm Norden des Jemen gibt es h\u00f6chstens zehn Prozent Analphabeten\u201c, sagt man uns immer wieder stolz. In diese unwegsamen Berge des Hohen Jemen hat noch nie ein Ausl\u00e4nder seinen Fu\u00df gesetzt. Ohne bewaffnete Eskorte ist die Gegend lebensgef\u00e4hrlich. Das Bild zeigt STERN-Reporterin Claude Deffarge mit Esel und Geleit auf dem Weg in die heimliche Hauptstadt des Jemen<\/em><\/p>\n Tote \u00c4gypter sind f\u00fcr die Hunde<\/strong><\/p>\n Die \u00c4gypter sind nicht weit. Wir k\u00f6nnen ihr Lager durchs Fernglas sehen. T\u00e4glich werden wir beschossen. Aber auch ohne den L\u00e4rm des Krieges sp\u00fcrt man die N\u00e4he des Kampfes. Viele Krieger besitzen Schuhe, Uniformjacken und Armbanduhren. Festessen ohne Messer und Gabel<\/strong><\/p>\n Prinz Mohammed hat nicht \u00fcbertrieben. Die Stadt liegt auf dem Gipfel eines steilen Berges. Der einzige Zugang ist eine Treppe, die vor vielen Jahrhunderten in den Felsen geschlagen wurde. Sie ist vier Kilometer lang. Auf halbem Weg machen selbst unsere Esel schlapp. Eine kunstvoll angelegte Steinbr\u00fccke hilft uns \u00fcber eine tiefe Schlucht. Wuchtige Tore versperren die Stadt. Die H\u00e4user haben Fenster aus Alabaster Es ist unm\u00f6glich, ihr Alter zu bestimmen. Heute baut man genau wie vor tausend Jahren. Mit schweren Steinen, ohne M\u00f6rtel, oft acht Stockwerke hoch.
\n\u201eUnd Ziegen Stiefel.\u201c
\n\u201eWenn Kamele fliegen k\u00f6nnten.\u201c
\n\u201eUnd Steine singen.\u201c
\n\u201eWenn es \u00fcberall Dr\u00e4hte g\u00e4be, mit Licht und Stimmen.\u201c
\n\u201eUnd niemand mehr krank w\u00e4re, wie jetzt dieser Fu\u00df.\u201c
\n\u201eJa \u2013 wenn alles anders w\u00e4re \u2026\u201c
\n\u201eWas dann?\u201c frage ich, \u201ewas dann?\u201c
\n\u201eDann \u2026\u201c Mohammed und Abdullah fahren auf aus ihrem vertr\u00e4umten Dialog.
\n\u201eDann w\u00e4re der Jemen wie Europa, und wir k\u00f6nnten gl\u00fccklich sein\u201c, meint Abdullah. \u201eDu solltest uns mitnehmen, wenn du wieder zur\u00fcckgehst.\u201c
\nEs ist nicht das erstemal, da\u00df diese beiden M\u00e4nner unser Eskorte den Wunsch \u00e4u\u00dfern, mit nach Deutschland zu kommen.
\n\u201eHabt ihr einen guten Imam?\u201c erkundigt sich Mohammed.
\n\u201eNein, Deutschland ist eine Republik.\u201c
\nSie machen lange Gesichte.r \u201eDas ist ja furchtbar. Wie Sallal und Nasser.\u201c
\n\u201e\u00c4hnlich.\u201c
\n\u201eK\u00e4mpfst du auf der Seite eures Iman?\u201c
\n\u201eBei uns ist im Augenblick kein Krieg.\u201c
\n\u201eAch so, deshalb hast du kein Gewehr?\u201c
\n\u201eNein. Ich trage keine Waffen, damit ihr mich nicht umbringt. Du w\u00e4rst doch f\u00fcr einen Revolver dazu imstande, Mohammed. Sei ehrlich.“
\nEr l\u00e4chelt und zieht sein Gewehr ein wenig n\u00e4her.
\n\u201eDu hast nicht einmal einen Dolch?\u201c
\n\u201eDolche darf man bei uns nicht tragen.\u201c
\nSie schauen sich best\u00fcrzt an. Eine Sekunde Panik. Unwillk\u00fcrlich greifen sie nach ihren krummen Dolchen, die \u2013 Waffe, Schmuck und Symbol zugleich \u2013 ihre B\u00e4uche zieren.
\n\u201eLauft ihr so herum?\u201c fragt Abdullah mit einen mitleidigen Blick. \u201eIn farblosen Hosen? Ohne ein Zeichen der M\u00e4nnlichkeit?\u201c
\nEr klemmt seinen blauen Rock zwischen die Waden und wartet, wie ein Richter, auf die Antwort. Ich nicke nur.
\n\u201eGibt es denn wenigstens Gewehre bei euch?\u201c
\n\u201eNur die Armee hat welche \u2013 oder Leute mit besonderer Erlaubnis. Auf der Stra\u00dfe darf man damit nicht herumlaufen.\u201c
\nSie schweigen recht lange \u2013 nachdenklich -, und ich f\u00fchle mich wie der bedauernswerte Mensch eines unterentwickelten Landes.
\n\u201eDann bleiben wir lieber hier im Jemen\u201c, sagt Abdullah mit Bestimmtheit. Er reckt sich auf, zufrieden, und geht vor die T\u00fcr. Mohammed und ich folgen.<\/p>\n
\nRechts und links drei kleine H\u00e4user ohne Fenster. Eint\u00fcrige, dunkle St\u00e4lle. Dort wohnen die Frauen unseres Gastgebers mit ihren Kindern. Jede f\u00fcr sich. Eine hat genauso viel Platz wie die andere, ein unm\u00f6bliertes Steinquadrat mit dem Feuerplatz an der T\u00fcr und mit Decken f\u00fcr die Nacht in den Ecken.
\nSo will es der Islam. Alle vier erlaubten Frauen eines Moslems m\u00fcssen absolut gleich behandelt werden. In jeder Hinsicht. Hier w\u00e4re \u201egleich schlecht\u201c genauer, denn es mu\u00df eine Qual sein, in diesen verrauchten L\u00f6chern zu leben.
\nAus einem dieser H\u00e4uschen k\u00e4mpft sich Claude jetzt einen Weg ins Freie. Sie hustet. Ihre Augen sind rot. H\u00e4nde wollen sie zur\u00fcckhalten, ziehen an ihren Kleidern. Frauen folgen ihr. Zwanzig oder mehr. Die ganze weibliche Nachbarschaft ist zusammengelaufen. Sie waren alle in diesem kleinen Loch versammelt um Claude. Sie ist den Tr\u00e4nen nahe.
\n\u201eWenn ich doch nur keine Frau w\u00e4re\u201c, seufzt sie, \u201eEs war wieder das gleiche Theater \u2026\u201c
\nJedesmal, wenn wir f\u00fcr die Nacht haltmachen, passiert folgendes: \u00dcber die H\u00fcgel, durch Str\u00e4ucher und B\u00fcsche, von \u00fcberall kommen Frauen. Manche gehen viele Kilometer zu Fu\u00df, um die Europ\u00e4erin zu sehen, von deren Ankunft die ganze Gegend in Windeseile erfahren hat. Sie versammeln sich in einem Haus und schicken einen Knaben zu uns mit einer offiziellen Einladung an Claude. Oder sie schnappen sich Claude einfach beim Vorbeigehen und ziehen sie mit Gewalt in ihre Mitte. Und dann geht das Fragen los.<\/p>\n
\n\u201eJa, unsere Haut ist rauher\u201c, hei\u00dft es dann. \u201eZeig mal, wie du sonst aussiehst.\u201c
\nUnd man kn\u00f6pft ihre Bluse auf. Ungl\u00e4ubiges Staunen \u2013 dann schallendes Gel\u00e4chter. Einen B\u00fcstenhalter haben sie noch nie gesehen. Sie zerren daran, wollen ihn probieren. Claude wehrt sich. Widersteht. Einige Frauen kn\u00f6pfen ihre Blusen auf.
\n\u201eSchau, wir haben nicht genug Milch f\u00fcr unsere Kinder. Was sollen wir tun? Hilft so ein Ding, das du da tr\u00e4gst?\u201c
\nClaude sch\u00fcttelt den Kopf, und sie kneifen ihr in die Arme, in den R\u00fccken.
\n\u201eDu hast weniger Knochen \u2026\u201c
\n\u201eNein, ich bin dicker.\u201c
\nDas leuchtet ihnen ein. Sie blicken neidisch. Es geh\u00f6rt zu ihren ganz gro\u00dfen Problemen. Die jemenitischen Frauen sind sehr schlank \u2013 viel zu d\u00fcnn f\u00fcr ihren Geschmack. Sie versuchen verzweifelt, ein wenig Fett anzusetzen. Es ist aussichtslos. Die Ern\u00e4hrung oder das Wasser oder die schwere Arbeit sind die Ursache. Wahrscheinlich alles zusammen.<\/p>\n
\nClaude erkl\u00e4rt, da\u00df ihre Ausr\u00fcstung praktisch zum Reisen ist. \u201eZu Hause hab ich auch sch\u00f6nere Sachen.\u201c
\nSie wollen es nicht glauben und bringen eines ihrer Kleider heran, das Claude probieren mu\u00df. Kleine Schreie der Bewunderung.
\n\u201eJa, jetzt siehst du auch wie eine echte Frau aus.\u201c
\nIhre knochigen, hornhautbedeckten Finger zupfen an der schwarzen Hose, r\u00fccken die Kapuze mit den aufgestickten Muscheln zurecht. Wie Kinder, die sich eine exotische Puppe vertraut machen wollen.
\nWenn das n\u00e4chtliche Striptease beendet ist, kommen andere Fragen:
\n\u201eIst Paris in Frankreich? \u2013 Gibt es bei euch \u00c4rzte? \u2013 Wieviel Frauen hat ein Mann?\u201c
\n\u201eNur eine.\u201c
\nBis jetzt waren sie vergn\u00fcgt, \u00fcberm\u00fctig. Diese Antwort stimmt sie nachdenklich.
\n\u201eDas ist nicht gut.\u201c
\n\u201eWarum?\u201c
\n\u201eDann mu\u00df eine alle Arbeit tun. O nein, das ist furchtbar.\u201c
\nIn kleinen Siedlungen und isolierten H\u00e4usern h\u00f6rt das Frage- und Antwortspiel hier gew\u00f6hnlich auf. In D\u00f6rfern und St\u00e4dten hingegen beginnt beim Stichwort Arbeit die eigentliche Diskussion. Sie ist heftig und spielt sich unter ihnen ab. Es geht zu schnell, Claude kann nicht verstehen. Aber dann klagen sie ihr Leid.:
\n\u201eWir schuften. Wir pfl\u00fcgen und s\u00e4en. Wie bauen. Wir tragen die Kinder und die Lasten. Wir sind die Sklaven und die Seele dieses Landes, w\u00e4hrend unsere M\u00e4nner nur an Krieg, Gewehr, Gesang und Qat denken \u2026\u201c
\nWenn es Revolution\u00e4re im Jemen gibt, dann sind es die Frauen. Kaum eine hat die Gelegenheit nicht wahrgenommen, es Claude zu sagen. Sie haben es satt, die Zug- und Lasttiere von M\u00e4nnern zu sein, die im R\u00e4uber- und Soldatenspielen den Inhalt ihres Lebens sehen.
\nWenn die Frauen w\u00fc\u00dften, da\u00df der Sieg der Republik in absehbarer Zeit zur Befreiung ihres Geschlechts f\u00fchren k\u00f6nnte, dann w\u00e4ren sie sicher auf der Seite der Revolution. Die Chancen des Imam w\u00e4ren endg\u00fcltig verspielt.<\/p>\n
\n\u201eWarum sollte ich\u201c; meinte sie. \u201eDie wenigen Damen der Stadt kommen zu mir. Ich bin die Prinzessin.\u201c
\nSie behandelte ihre Dienstboten gut. Wenn sie jedoch von der Republik sprach, klang es, als sei vom Teufel die Rede.
\nWie sollen die Frauen unter diesen Umst\u00e4nden erfahren, weshalb dieser Krieg gef\u00fchrt wird, und was die Republik ihnen verspricht. Die wenigen Transistorger\u00e4te, die ihren Weg bis hierher gefunden haben, sind Exklusivgut der M\u00e4nner. Ebenso die Bildung. Es geh\u00f6rt \u00fcbrigens zu den gro\u00dfen \u00dcberraschungen diese Reise, da\u00df fast jeder Mann lesen und schreiben kann.<\/p>\n
\n\u201eUnd die Frauen?\u201c
\n\u201eDie z\u00e4hlen doch nicht.\u201c
\nAber die Frauen wissen sich zu r\u00e4chen. Sie k\u00f6nnen nur jenes Gebiet w\u00e4hlen, auf dem sie die M\u00e4nner am empfindlichsten treffen k\u00f6nnen: die Liebe. \u2013 Abdullah gibt uns unfreiwillig Anschauungsunterricht.
\n\u201eKannst du diese Nacht auf das Geld aufpassen?\u201c fragt er mich und schiebt einen Sack voller Mariatheresientaler unter meinen Kopf. \u201eDu mu\u00dft darauf schlafen.\u201c
\nIch schlafe nun schon seit Wochen auf nacktem Steinboden, aber harte Silbertaler als Kopfkissen erscheinen mir dann doch zuviel.
\n\u201eBleibst du die ganze Nacht weg?\u201c
\nAbdullah nimmt die Petroleumlampe und h\u00e4lt sie vor sich.
\n\u201eHast du denn nichts gemerkt?\u201c
\nIn der Tat, so elegant habe ich ihn noch nie gesehen. Er tr\u00e4gt einen gelben Rock, einen gr\u00fcnen Dolch, einen blauen Turban und schwarz-wei\u00df gestreifte Socken. Seine Augen sind mit Kohle geschminkt. Unwillk\u00fcrlich denke ich an den sehr jungen Mann ohne Bart und Gewehr, der zu unserer Eskorte geh\u00f6rt, und halte nach ihm Ausschau. Er schl\u00e4ft. Abdullah l\u00e4chelt.
\n\u201eHeute Nacht treffe ich eine Frau, eine fremde \u2026\u201c
\n\u201eDas kann schiefgehen.\u201c
\nEr schwingt sein Gewehr und marschiert stolz davon.
\nVon nun an wu\u00dfte ich, was jedesmal passiert, wenn Abdullah mich sein Geld bewachen lie\u00df, oder was geschehen war, wenn Mohammed beim Marschieren einschlief.
\nIch habe auch erfahren, da\u00df es selten schiefgeht. Die jemenitischen Frauen wissen sich zu helfen. Um die biologischen Folgen ihrer Seitenspr\u00fcnge nicht f\u00fcrchten zu m\u00fcssen, haben sie einen Trick ersonnen, den die M\u00e4nner akzeptieren. Eine Schwangerschaft kann Jahre dauern, behaupten sie. Selbst wenn ein Mann ein ganzes Jahr fort war und bei seiner R\u00fcckkehr seine Frau mit einem Neugeborenen vorfindet, gibt es keinen Skandal. Das Kind war im Leib der Mutter eingeschlafen, hei\u00dft es ganz einfach. Um jedoch allzu gro\u00dfen Mi\u00dfbr\u00e4uchen vorzubeugen, wurde die \u201elegale\u201c Dauer der Schwangerschaft auf zwei Jahre beschr\u00e4nkt.
\nAbdullahs Liebesleben hat uns viel Zeit gekostet. Er hat uns kreuz und quer durch den Jemen geschleppt und haltgemacht, wo er gute Adressen hatte. Als wir endlich in Habur, im Hauptquartier des Prinzen Mohammed, ankommen, haben wir f\u00fcnf Tage l\u00e4nger gebraucht als n\u00f6tig und \u00fcberfl\u00fcssigerweise hundertf\u00fcnfzig Kilometer zu Fu\u00df gemacht. Erst Prinz Mohammed kl\u00e4rt uns dar\u00fcber auf. Um Abdullah zu bestrafen, wird sein Gewehr drei Tage ins Gef\u00e4ngnis geworfen.
\nPrinz Mohammed ben Ismail spricht Deutsch. Er hat in Iserlohn am Goethe-Institut studiert. Dort \u00fcberraschte ihn die Revolution. Sein Vater wurde von den Republikanern hingerichtet. Jetzt kommandiert der nur vierundzwanzigj\u00e4hrige Sohn die Truppen in den vorgeschobenen Stellungen der K\u00f6niglichen.<\/p>\n
\n\u201eVon den \u00c4gyptern erbeutet\u201c, erkl\u00e4rt Prinz Mohammed. \u201eNicht weit von hier liegen sechshundert tote \u00c4gypter. Wir begraben sie nicht. Die Hunde sollen sie fressen. Unsere Bauern mu\u00dften das Tal verlassen.
\nW\u00e4hrend wir uns unterhalten, kommen Boten, Spione, Unterh\u00e4ndler. Sie haben sich durch die feindlichen Linien durchschlagen m\u00fcssen. Ein Mann bringt einen Brief aus Sanaa, der Hauptstadt der Republik. Prinz Mohammed \u00fcbersetzt:
\n\u201eWenn ihr das Signal gebt, schlagen wir zu. Wir haben siebenhundert Gewehre und mehr als tausend Mann. Viele werden uns folgen, wenn der Imam vor den Mauern der Stadt erscheint. Aber wir brauchen Waffen und Munition. Sonst sind wir machtlos. Die \u00c4gypter machen immer mehr Fehler. Selbst Offiziere der Republik haben die Nase voll. Einer hat Selbstmord begangen, nachdem ein \u00e4gyptischer Offizier ihm einen Fu\u00dftritt gegeben hatte \u2026\u201c
\n\u201eK\u00f6nnen Sie uns nach Sanaa bringen?\u201c frage ich.
\n\u201eDieser Bote k\u00f6nnte Sie leicht mitnehmen. Aber glauben Sie, auf alle Leute sei Verla\u00df, die h\u00f6fliche Briefe schreiben? Nein, das kann ich nicht verantworten. Ich werde Sie jedoch in die heimliche Hauptstadt des Jemen f\u00fchren, nach Schaare. Dorthin zogen sich unsere K\u00f6nige immer zur\u00fcck, wenn der Thron in Gefahr war. Selbst die T\u00fcrken konnten die Stadt nicht erobern. Sie liegt \u00fcber dreitausend Meter hoch. Ihr werdet sich die ersten Fremden sein. Der Aufstieg ist schwer. Aber es lohnt sich. Schaare ist wundersch\u00f6n.\u201c<\/p>\n
\nSchon zu biblischen Zeiten bl\u00fchte im Jemen eine der \u00e4ltesten St\u00e4dtezivilisationen der Welt. Es ist deshalb Unsinn, die Jemeniten immer wieder als Nomaden und W\u00fcstenkrieger zu bezeichnen. Diese gibt es nur an der Grenze. In den Bergen ist die Bev\u00f6lkerung zwar in St\u00e4mme gegliedert. Sie ist jedoch seit jeher se\u00dfhaft. Schaare geh\u00f6rt zum Stamm des K\u00f6nigs.<\/p>\n