{"id":54121,"date":"2017-03-11T14:16:16","date_gmt":"2017-03-11T13:16:16","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=54121"},"modified":"2022-06-09T14:06:12","modified_gmt":"2022-06-09T12:06:12","slug":"wer-sanaa-stuermt-darf-pluendern","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/zeitungsreportagen\/jemen\/wer-sanaa-stuermt-darf-pluendern\/","title":{"rendered":"Wer Sanaa st\u00fcrmt, darf pl\u00fcndern"},"content":{"rendered":"
Stern, Heft 3, 21. Januar 1968<\/em><\/p>\n F\u00fcnf Jahre tobt der B\u00fcrgerkrieg im Jemen. F\u00fcnf Jahre lang unterst\u00fctzten \u00e4gyptische Truppen die Republik gegen ihre royalistischen Feinde. Nach ihrer Niederlage gegen Israel mu\u00dften die \u00c4gypter abziehen. Jetzt ist die Republik allein. Sanaa ist umzingelt. Royalistische Krieger beherrschen die Berge. Die Verlockung ist gro\u00df. Wenn sie die Stadt nehmen, d\u00fcrfen sie pl\u00fcndern. Die Prinzen haben es ihnen versprochen.<\/em><\/p>\n Der Pilot hat Angst und scheut sich nicht, es zu zeigen. Gestern hatte er nicht in Sanaa landen k\u00f6nnen. Gewehrkugeln aus den nahen Bergen durchbohrten seine Maschine. Heute sitzen wir in seiner vergammelten DC 3 und versuchen Sanaa anzufliegen. F\u00fcnf Jahre ist hier B\u00fcrgerkrieg. Heute ist die Hauptstadt des Jemen zum erstenmal v\u00f6llig eingeschlossen. Die Royalisten sitzen auf den nahen Bergen und beherrschen die Stra\u00dfen, die Sanaa mit den beiden gro\u00dfen St\u00e4dten des Landes – Tais und Hodeida – verbinden. Zwei bedrohte Flugpl\u00e4tze sind die letzten Verbindungspunkte mit der Au\u00dfenwelt. Als wir zur Landung auf dem Zivilflughafen ansetzen, begr\u00fc\u00dft uns Granatfeuer aus den Bergen. Der Pilot zieht schleunigst wieder hoch und landet schlie\u00dflich auf dem nahegelegenen Milit\u00e4rflugplatz. Bei laufenden Motoren m\u00fcssen wir aussteigen. Kaum haben wir festen Boden unter den F\u00fc\u00dfen, gibt der Pilot wieder Vollgas.
\nAuf der Fahrt zur Stadt werden wir alle f\u00fcnfhundert Meter von Soldaten angehalten. Beim zweiten Kontrollposten erkl\u00e4rt unser Chauffeur; \u201eGestern war diese Stra\u00dfe noch in den H\u00e4nden der Royalisten.
\nEin paar hundert Meter von der Stra\u00dfe entfernt brennt ein Dorf. Die H\u00e4user, wahre Wolkenkratzer aus Quadersteinen, wie sie f\u00fcr den Jemen typisch sind, brechen, in wei\u00dfen Rauch geh\u00fcllt, langsam in sich zusammen. Ihre Bewohner hatten den Royalisten Zuflucht gew\u00e4hrt. Nun straft sie die republikanische Armee. Es hat Tote gegeben.
\nEs gibt mehr. Drei K\u00f6pfe schm\u00fccken das monumentale Stadttor. Blut tropft noch. Wir mischen uns unter die neugierige, erregte Menge.<\/p>\n