{"id":54140,"date":"2017-03-11T14:18:09","date_gmt":"2017-03-11T13:18:09","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=54140"},"modified":"2024-02-15T13:30:19","modified_gmt":"2024-02-15T12:30:19","slug":"mit-sklaven-unterwegs","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/zeitungsreportagen\/aufstande-und-freiheitskampfe\/mit-sklaven-unterwegs\/","title":{"rendered":"Mit Sklaven unterwegs (Arabien)"},"content":{"rendered":"

Stern, Heft 14, 5. April 1964 <\/em><\/p>

\u00dcber eine Million Menschen leben heute noch als Sklaven. In Afrika, in Asien. Teils gezwungen, teils freiwillig. Wie sie leben, schildert dieser Bericht.<\/em><\/strong><\/p>

Ich habe sie gesehen und mit ihnen gesprochen: Sklaven \u2013 M\u00e4nner und Frauen, die wie Haustiere einem anderen Menschen geh\u00f6ren. Kinder, die von ihrer Mutter getrennt werden k\u00f6nnen wie kleine Hunde oder Katzen, weil sie als Sklaven zur Welt kommen, als Eigentum des Besitzers ihrer Eltern. Ich traf sie in Saudi-Arabien, im Jemen, in Afrika, in Persien. Wie die Menschen auf diesen Bildern werden sie \u00f6ffentlich verkauft oder heimlich verfrachtet, zur Arbeit gezwungen oder zum Vergn\u00fcgen.
Zwar gibt es nur noch wenige L\u00e4nder der arabischen Halbinsel, in denen das Gesetz die Sklaverei erlaubt. Selbst Saudi-Arabien hat sie 1962 abgeschafft \u2013 offiziell, auf dem Papier. In Wirklichkeit bl\u00fcht der Handel mit Menschen wie kaum zuvor. Und das Gesch\u00e4ft ist eintr\u00e4glicher geworden. Die Preise sind gestiegen. \u00d6ltantiemen und Wirtschaftshilfe haben die Kaufkraft der Liebhaber und Kunden erh\u00f6ht. Die neuen h\u00f6heren Preise haben den heimlichen H\u00e4ndlern das Risiko wieder schmackhaft gemacht. Ein Sklave, der vor zehn Jahren rund tausend Mark wert war, verkauft sich heute f\u00fcr das F\u00fcnf- bis Zehnfache, wenn man ihn gesund zur arabischen Halbinsel hin\u00fcberbringt.
Mit der Konjunktur ist aber auch die Vorsicht der H\u00e4ndler und ihrer Komplicen gestiegen. Es ist nicht leicht, ja sogar gef\u00e4hrlich, seine Nase in ihre Gesch\u00e4fte zu stecken.
Vor wenigen Wochen noch wurden zwei franz\u00f6sische Lehrer aus Algerien ausgewiesen. Sie hatten gegen den Sklavenhandel protestiert. In Tindouf, an der algerisch-marokkanischen Grenze, hatten sie gesehen, wie schwarze Sklaven gehalten, geraubt oder verkauft wurden. Sie hatten besonders auf den Fall der kleinen Auicha aufmerksam gemacht, die siebenj\u00e4hrige Tochter des Sklaven Muissa. Der Besitzer ihres Vaters hatte sie verkauft. Als die beiden Franzosen die lokalen Beh\u00f6rden aufforderten, diesen Handel zu unterbinden, wurden sie des Landes verwiesen. Die Komplicen der H\u00e4ndler sitzen in den h\u00f6chsten Stellungen.
Englische Reisende wurden aus Marokko ausgewiesen, weil sie zu auff\u00e4llig nach Beweisen des Sklavenhandels fahndeten.
Ein Amerikaner hatte es fertiggebracht, sich heimlich nach Mekka zu schleichen, der heiligen Stadt des Islam, deren Zugang jedem Christen untersagt ist. Er wollte den Markt fotografieren, auf dem schwarze Sklaven zum Kauf angeboten werden. Er wurde entdeckt und in St\u00fccke gerissen.
Die Liste derer, die ermordet, eingesperrt oder ausgewiesen wurden, weil sie den Sklavenh\u00e4ndlern zu nah auf den Fersen waren, ist erschreckend gro\u00df.<\/p>

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Tuaregs f\u00fchren Sklavinnen zum Markt. Der Handel mit \u201eschwarzem Elfenbein\u201c ist heute noch ein gro\u00dfes Gesch\u00e4ft. Die Sklaven werden heimlich ans Rote Meer geschafft und nach Saudi-Arabien \u00fcbergesetzt. <\/em><\/figcaption><\/figure>


Einige zahlen so den Preis f\u00fcr ihr humanit\u00e4res Bestreben, die Sklaverei aufzudecken und zu bek\u00e4mpfen. Andere f\u00fcr ihre Neugier. Die meisten jedoch, weil sie Sensationen suchen, die sich auf unserem Unterhaltungsmarkt ebenso gut verkaufen wie das schwarze Fleisch auf den Sklavenm\u00e4rkten Saudi-Arabiens. Die Sklaverei ist ein ausgezeichneter Vorwand, um in die schw\u00fclen Gem\u00e4cher der Harems einzudringen und wild zu phantasieren: von Orgien, erotischen Spielchen, Eunuchen und geknebelten Jungfrauen. \u2013 Voller Entr\u00fcstung nat\u00fcrlich.
Mit ebensoviel Entr\u00fcstung wird darauf hingewiesen, da\u00df diese Sklaven aus den neuen afrikanischen Staaten kommen, aus L\u00e4ndern, die in den Vereinten Nationen sitzen, die UNO Charta \u00fcber die Menschenrechte unterzeichnet haben, sich fortschrittlich nennen und doch das abscheulichste aller Verbrechen, den Handel mit Menschen, nicht eind\u00e4mmen wollen oder k\u00f6nnen. Offiziell ist die Sklaverei dort seit langem verboten, aber immer noch wird \u201eschwarzes Elfenbein\u201c aus Nigeria, Mali, Mauretanien, dem Kongo, \u00c4thiopien und vielen anderen Staaten \u00fcber den Sudan, Somalia oder Kenia zu den gro\u00dfen Absatzm\u00e4rkten gebracht: nach Saudi-Arabien, dem Jemen und den Sultanaten der S\u00fcdarabischen F\u00f6deration. Weniger schwarz ist die Ware, die aus dem Mittleren Orient kommt. Persien, der Irak, Afghanistan und Pakistan haben die Sklaverei in den zwanziger Jahren abgeschafft, den Raub und den Ankauf von Menschen haben sie jedoch bis heute nicht v\u00f6llig unterbinden k\u00f6nnen. Heimlich werden Sklaven an die K\u00fcste des Persischen Golfs gebracht und von dort nach Saudi-Arabien, Oman oder Bahrein \u00fcbergesetzt.<\/p>

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Diese gefesselten Jungen geh\u00f6rten zu einer Karawane, die unterwegs aufgebracht wurde<\/em><\/figcaption><\/figure>


Ich habe eine solche Sklavenkarawane begleitet. Es war in Bender Abbas, am Persischen Golf. Fr\u00fcher war Bender Abbas einer der gr\u00f6\u00dften Handelspl\u00e4tze des Mittleren Orients. Es geh\u00f6rte den Portugiesen, ebenso wie die vorgelagerte Insel Hormuz, die man die \u201ePerle der Welt\u201c nannte. Die Fenster der H\u00e4user waren aus Alabaster, die Rahmen aus Gold, die T\u00fcren aus Silber, schwere Seide hing \u00fcber allen Stra\u00dfen, um Schatten zu spenden, und unterirdische Zisternen im Stil portugiesischer Kathedralen sorgten f\u00fcr Wasser. Heute ist Bender Abbas ein armseliger Hafen und Hormuz wenig mehr als ein Ruinenfeld. Von vergangenem Glanz zeugt nur noch der Schmuck der Frauen: portugiesische Goldm\u00fcnzen, die sie unter den Tr\u00fcmmern der Burgen und H\u00e4user ausgegraben haben.<\/p>

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Der Italiener Folco Quilici drehte einen Dokumentarfilm \u00fcber den Handel mit \u201eschwarzem Elfenbein\u201c. In Mukalla (S\u00fcdarabien) entdeckte er diesen Sklavenmarkt. <\/em><\/figcaption><\/figure>

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Ich drehte dort einen Spielfilm und brauchte Statisten. Die Frauen, die ihr Gesicht nicht hinter Schleiern, sondern mit schwarzen Masken verstecken, waren mit wenig Geld leicht zu gewinnen. Schwieriger war es mit jungen M\u00e4nnern und ganz unm\u00f6glich mit Kindern. Richtig hysterisch wurde ein zw\u00f6lfj\u00e4hriger Junge, als ich seinen Vater um die Erlaubnis bat, einige Szenen mit seinem Sohn drehen zu d\u00fcrfen.
Wir sa\u00dfen am Strand. Der junge Ali spielte in unserer N\u00e4he. Als wir einig waren, rief der Vater ihn zu uns und erkl\u00e4rte ihm, da\u00df er mit mir gehen k\u00f6nnte. Ali blickte auf die Hand seines Vaters, in der das Geld noch lag, das ich ihm gegeben hatte. Ich glaube, ich habe noch nie so tiefes Entsetzen auf einem Kindergesicht gesehen. Schritt um Schritt wich der Junge zur\u00fcck, immer die Augen auf das Geld gerichtet; dann drehte er sich pl\u00f6tzlich um und rannte davon:
\u201eAli, es ist doch nur f\u00fcr ein paar Stunden\u201c, rief der Vater.
\u201eEr will mich verkaufen\u201c, schrie der Junge, \u201eer will mich verkaufen\u201c, und jagte den Strand entlang.
Einige Fischer stellten sich ihm entgegen. Auch wir waren hinzugelaufen. Als er sich umzingelt sah, st\u00fcrzte Ali sich ins Meer. Er weinte mit offenem Mund und schluckte so viel Wasser, da\u00df er bald erlahmte. Wir konnten ihn einholen, bevor er die tieferen Gew\u00e4sser erreicht hatte, in denen die Haifische zu Hause sind. Sobald ich ihn anfa\u00dfte, schrie er wild auf und versuchte, sich wieder loszurei\u00dfen.
\u201eGehen Sie schnell\u201c, sagte der Vater. \u201eSolange er Sie sieht, wird er sich nicht beruhigen.\u201c
Sp\u00e4ter erfuhr ich, da\u00df Ali Sklave gewesen war. Sein Vater hatte ihn verkauft. Aus Not. Er war ohne Arbeit. Die Familie hungerte. Die Frau war krank. Sie hatten schon einige Tage nichts gegessen, als ein Mann in ihre H\u00fctte trat und tausend Toman (500 Mark) f\u00fcr Ali bot. Um die neunk\u00f6pfige Familie zu retten, wurde das Angebot angenommen. Selbst Ali war einverstanden. Er war der \u00c4lteste unter den Kindern und f\u00fchlte sich verantwortlich.<\/p>

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Die Kinder wurden im Sudan aus einer Sklavenkarawane befreit<\/em><\/figcaption><\/figure>


Stolz verlie\u00df er das Haus, und es ging alles gut, bis er in Oman ankam. Dort wurde er in ein Zelt gesteckt, in dem bereits sieben gleichaltrige Knaben lebten, die ebenfalls aus Persien eingef\u00fchrt worden waren. Nachts mu\u00dften sie den W\u00e4rtern Gesellschaft leisten und wurden so auf jene Aufgaben vorbereitet, die ihnen nach dem Verkauf zugedacht waren. Auch das nahm Ali auf sich. In seiner Heimat ist es nicht anders. Dort heiraten sogar M\u00e4nner einander unter phantastischen und oft kostspieligen Zeremonien.
Als jedoch eines Tages zwei weitere Leidensgenossen gebracht wurden, j\u00fcngere, aus Qatar, brach Panik im Zelt aus: Die beiden Knaben waren kastriert. Ali und seine Freunde wurden ausgepeitscht und in Ketten gelegt, bis sie sich wieder beruhigt hatten. Aber die Angst, da\u00df sie ebenso verst\u00fcmmelt w\u00fcrden, lie\u00df sie nicht mehr los, und Ali dachte nur noch an Flucht. Sie gelang. In Dubai schlich er sich auf ein Schiff, das den persischen Hafen Bender-e Lengeh anlief. Von dort wanderte er nach Hause, fast zweihundert Kilometer zu Fu\u00df. Vor der H\u00fctte seiner Eltern brach er zusammen. Seine Mutter war gestorben, aber Ali wurde gesund gepflegt mit dem Geld, f\u00fcr das sein Vater ihn verkauft hatte.
Jetzt wollte ich mehr \u00fcber den Sklavenhandel erfahren. Man schickte mich in ein kleines Dorf etwa zw\u00f6lf Kilometer n\u00f6rdlich von Bender Abbas. \u201eDort ist das Zentrum\u201c, sagte man mir. \u201eAber seien Sie vorsichtig.\u201c
Ich entdeckte zwanzig \u00e4rmliche Strohh\u00fctten. Jede war ein Bordell. M\u00e4dchen aus dem Mekran und Belutschistan standen hier den Matrosen und Lastkraftwagenfahrern zur Verf\u00fcgung. Ein paar sehr h\u00fcbsche, vielleicht vierzehn- oder f\u00fcnfzehnj\u00e4hrige M\u00e4dchen wurden f\u00fcr anspruchsvolle Kunden in Reserve gehalten.
Es hatte sich herumgesprochen, da\u00df ich in Bender Abbas eine Woche im Gef\u00e4ngnis gesessen hatte. Die lokalen Beh\u00f6rden wollten mich auf diese Art zwingen, das Gebiet zu verlassen, wo Ausl\u00e4nder ungern gesehene Zeugen sind, aber ein durchreisender General hatte einen Skandal bef\u00fcrchtet und mich freisetzen lassen.
Nach dem, was vorgefallen war, konnt ich unm\u00f6glich ein Polizeispitzel sein. Die \u201eMadame\u201c und ihre Zubringer nahmen mich deshalb ohne viel Z\u00f6gern auf, und ein wenig Geld lie\u00df das letzte Mi\u00dftrauen verschwinden.
So erfuhr ich, da\u00df ein Teil der M\u00e4dchen Sklavinnen waren. Eine \u201eMadame\u201c hatte sie erworben, sie geh\u00f6rten ihr wie Kamele oder Ziegen und konnten, wie jeder andere Besitz, wieder ver\u00e4u\u00dfert werden.
Diese Situation schien den M\u00e4dchen wenig auszumachen. Sie leben im \u00fcbrigen genau wie die freien Prostituierten. Der einzige Unterschied besteht in der Bezahlung. W\u00e4hrend die freien Frauen einen festen Prozentsatz der Einnahmen erhalten, bekommen die Sklavinnen nur geringes Taschengeld. Andererseits werden sie ern\u00e4hrt und gekleidet, w\u00e4hrend die Freien Essen und Kleidung selber bezahlen m\u00fcssen. Im \u00fcbrigen werden sie mehr geschont und nur an prominente Kunden vermietet \u2013 solange sie jung und h\u00fcbsch sind.<\/p>

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Sternreporter Gordian Troeller begleitete eine Sklavenkarawane durch S\u00fcdoersien. Am persischen Golf mietete er diese Sklavin, die ihm ihr Schicksal erz\u00e4hlte<\/em><\/figcaption><\/figure>

Ich miete eine Sklavin<\/h3>

\u201eGlauben Sie, ich w\u00fcrde meine M\u00e4dchen ruinieren?\u201c sagte mir eine \u201eMadame\u201c, die ihr Gesicht, wie es sich geziemt, hinter einem Schleier verbarg. \u201eDie Matrosen sollen gef\u00e4lligst mit denen vorliebnehmen, die sich selbst verkaufen. \u2013 Aber Sie d\u00fcrfen nat\u00fcrlich w\u00e4hlen\u201c, f\u00fcgte sie mit Nachdruck hinzu und stellte mir vier junge Sklavinnen vor.
Ich w\u00e4hlte Fakhri, ein sechzehnj\u00e4hriges M\u00e4dchen aus dem persischen Belutschistan. Ihre Nase hatte mich fasziniert. Ein goldgefa\u00dfter Rubin schm\u00fcckte ihren rechten Nasenfl\u00fcgel. Ich zahlte den Gegenwert von drei\u00dfig Mark f\u00fcr den ganzen Nachmittag, und wir gingen spazieren. Fakhri sollte mir von ihrem Leben erz\u00e4hlen. Sie tat es ohne Umschweife, mit einer Selbstverst\u00e4ndlichkeit, die in einem reichen Land kalt und herzlos geklungen h\u00e4tte. Aber hier handelte es sich nur um banal Allt\u00e4gliches: um das Leben der persischen Bauern.
Fakhris Eltern lebten in einem Dorf im S\u00fcdosten Persiens. Sie waren verschuldet, wie alle Bauern des Ortes. Niemand durfte das Land verlassen, ohne vorher seine Schuld bei dem Gro\u00dfgrundbesitzer beglichen zu haben. Aber dies war unm\u00f6glich. Sie bekamen niemals mehr als den Teil der Ernte, den ihnen der Besitzer lie\u00df. Und der gen\u00fcgte nicht einmal zum Leben. Jedes Jahr mu\u00dften neue Schulden aufgenommen werden.
So waren sie alle Sklaven geworden. Nicht dem Namen nach. Praktisch jedoch geh\u00f6rten sie dem Besitzer des Dorfes mit Haut und Haaren.<\/p>

Offiziere werden kostenlos bedient<\/h3>

Hin und wieder kamen M\u00e4nner durchs Dorf, die Stoffe und billigen Schmuck anboten. Sie kauften die Teppiche, die die Frauen gekn\u00fcpft hatten \u2013 und heimlich auch die Kinder.
Vor f\u00fcnf Monaten hatten Fakhris Eltern sich entschlossen, ihre Schulden zu begleichen und das Dorf zu verlassen. Die sieben Teppiche, die Mutter und T\u00f6chter angefertigt hatten, reichten nicht aus. Es fehlten zw\u00f6lfhundert Toman. Diese Summe boten die H\u00e4ndler f\u00fcr Fakhri. Die Eltern nahmen an. Sie erkauften ihre Freiheit mit der Versklavung ihrer Tochter.
Es ging mir nicht in den Kopf, wie man Sklave sein kann, in einem Land, in dem diese Art der Abh\u00e4ngigkeit verboten ist und sogar schwer bestraft wird.
\u201eDu brauchst doch nur zum n\u00e4chsten Polizeiposten zu gehen, um frei zu sein\u201c, sagte ich.
\u201eDie Polizei geh\u00f6rt zu unseren Kunden. Auch Offiziere kommen hierher und werden kostenlos bedient.\u201c
\u201eUnd die wissen, da\u00df du Sklavin bist?\u201c
\u201eNat\u00fcrlich.\u201c
\u201eWenn ich dich nach Teheran mitnehme und dich dort der Polizei \u00fcbergebe, wirst du sicher frei sein. Bis dorthin werden die Schmiergelder der H\u00e4ndler nicht reichen.\u201c
\u201eSicher nicht. Aber was soll ich tun? Ins \u201aReservierte Viertel\u2019 gehen?\u201c
\u201eDu kannst arbeiten.\u201c
\u201eDa gibt es so viele Menschen ohne Arbeit.\u201c
\u201eOder zu deinen Eltern zur\u00fcckkehren.\u201c
\u201eUm zu verhungern? Die haben ja auch das Geld nicht mehr, um es den H\u00e4ndlern zur\u00fcckzugeben.\u201c
\u201eSie k\u00f6nnten sich weigern, sie sind im Recht.\u201c
\u201eDann w\u00fcrde es uns allen sehr schlecht ergehen.
Ich befreundete mich mit den H\u00e4ndlern und erhielt die Erlaubnis \u2013 gegen Bezahlung -, sie auf einer Reise ins Innere zu begleiten. Filmkamera und Fotoapparate mu\u00dfte ich zur\u00fccklassen. Mein Gep\u00e4ck wurde nach Waffen durchsucht. Dann ging es los. Es war eine der langweiligsten Reisen, die ich je gemacht habe. Jedesmal, wenn wir uns einem Ort n\u00e4herten, mu\u00dfte ich mich verstecken.
\u201eWarum?\u201c wollte ich wissen.
\u201eSie verderben die Preise\u201c, erkl\u00e4rte mir der Anf\u00fchrer, ein kleiner, freundlich aussehender Mann mit entz\u00fcndeten Augen. \u201eWenn unsere Vertrauensleute auf die Idee kommen, die Ware k\u00f6nnte f\u00fcr einen Ausl\u00e4nder sein, werden sie sofort das Doppelte verlangen.\u201c
\u201eW\u00e4hrend einer Woche h\u00e4uften sich zwar die Teppiche auf unseren Kamelen, aber Sklaven sah ich nur einen. Einen zehnj\u00e4hrigen Jungen, der von seinem Vater verkauft worden war. Ein aufgeweckter Bursche, der mir Gesellschaft leistete, wenn die Karawane mich in der N\u00e4he der D\u00f6rfer zur\u00fccklie\u00df. Ich war sozusagen zum Sklavenh\u00fcter geworden, und der kleine Kerl wollte gar nicht begreifen, da\u00df seine z\u00e4rtlichen Ann\u00e4herungsversuche mich kalt lie\u00dfen.
Mittlerweile waren wir tief in den Mekran vorgedrungen, eine der wildesten Gegenden Persiens. Die H\u00e4ndler wurden nerv\u00f6s. Zwei von ihnen entpuppten sich als Musiker. Jeden Abend kramten sie eine Trommel und eine Fiedel unter den Teppichen hervor und spielten wehm\u00fctige Melodien, w\u00e4hrend die anderen m\u00fcrrisch herumsa\u00dfen.<\/p>

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Sklaven werden auch geraubt \u2013 mit Musik. In S\u00fcdpersien lassen die als Kaufleute getarnten H\u00e4ndler sich von Musikanten begleiten. In einsamen Gegenden lockt die Musik Kinder vor die D\u00f6rfer. Dann galoppieren Nomaden heran und entf\u00fchren ein paar Jungen und M\u00e4dchen, die sie sp\u00e4ter den H\u00e4ndlern gegen Entgelt \u00fcbergeben<\/em><\/p>

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Am zehnten Tag kehrten wir um.
\u201eSie bringen uns Ungl\u00fcck\u201c, meinte der Anf\u00fchrer. \u201eMeistens kommen wir mit einem Dutzend Sklaven nach Hause. Aber diesmal will niemand verkaufen. Man k\u00f6nnte glauben, es gehe den Bauern zu gut. Gott sei Dank haben wir viele Teppiche gekauft, sonst w\u00e4re die Reise ein gro\u00dfer Reinfall \u2013 oder wir m\u00fc\u00dften zu radikalen Mitteln greifen.\u201c
\u201eUnd das w\u00e4re \u2026\u201c
\u201eDie Musik\u201c, sagte er l\u00e4chelnd und erkl\u00e4rte mir, weshalb er f\u00fcr den Notfall immer Instrumente mitf\u00fchrt.
Die Musiker ziehen durch die Stra\u00dfen und locken die Kinder und Frauen aus den H\u00fctten. Am Rande des Dorfes machen sie halt und spielen weiter, w\u00e4hrend die H\u00e4ndler ihre Stoffe, Armb\u00e4nder und Ohrringe anbieten. Sp\u00e4ter erscheinen das pl\u00f6tzlich schwerbewaffnete Nomaden. Sie ergreifen ein paar M\u00e4dchen und Knaben und galoppieren dann wieder davon.
\u201eDas ist nat\u00fcrlich mit dem Stamm abgesprochen und kostet Geld, aber es rentiert sich, denn mehr als die Eltern verlangen die Nomaden auch nicht f\u00fcr ein geraubtes Kind.
Auf meine Frage, wie er die Sklaven los wird, antwortet er: \u201eIn Persien beliefern wir nur Bordelle. Das haben Sie ja selbst gesehen. Es ist selten. Meistens geht die Ware mit dem Schiff nach dr\u00fcben.\u201c<\/p>

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F\u00fcr die Sklavenh\u00e4ndler ist Bender Abbas der wichtigste Hafen am Persischen Golf. Hier werden heimlich Menschen verschifft, die in Afghanistan, Belutschistan und im Mekran geraubt oder gekauft worden sind. Der gro\u00dfe Absatzmarkt \u2013 die arabische Halbinsel \u2013 liegt nur 30 Seemeilen entfernt<\/em><\/figcaption><\/figure>


Dr\u00fcben, das ist Oman, Muskat, die Piratenk\u00fcste, Saudi-Arabien, Qatar, die Sultanate der S\u00fcdarabischen F\u00f6deration und der Jemen. Die gesamte arabische Halbinsel ist seit jeher das Paradies der Sklavenh\u00e4ndler gewesen. Hier ist eine Gesellschaft im Mittelalter stehengeblieben und lebt nach dessen Gesetzen. Der Sklave geh\u00f6rt zum Alltag wie bei uns die Zahnb\u00fcrste und der Eisschrank. Kein Bewohner der arabischen Halbinsel wird es anst\u00f6\u00dfig finden, da\u00df ein Mensch der Besitzer eines anderen Menschen sein kann. Im Gegenteil. Was dem Europ\u00e4er sein Auto und der gl\u00fcckliche Speck unterm selbstbewu\u00dften Kinn, sind ihm seine Sklaven und sein Harem: Abzeichen des sozialen Ranges. Ja, mehr noch: Der Sklave ist der lebende Beweis daf\u00fcr, da\u00df sein Herr zu einer edleren Rasse geh\u00f6rt. Dieser \u2013 in seiner mittelalterlichen Vorstellungswelt befangen \u2013 ist \u00fcberzeugt, zu fein f\u00fcr gemeine Arbeit zu sein. Sein Bet\u00e4tigungsfeld ist der Krieg, die Jagd, die Macht. Mit der Arbeit sollen sich die anderen plagen \u2013 und da man zum Befehlen geboren ist, macht man sie abh\u00e4ngig: zu Sklaven.
Diese \u00dcberheblichkeit, der Kult des Herrenvolkes und der Wahn des Sendungsbewu\u00dftseins haben bei allen Verknechtungen und Massenmorden der Geschichte Pate gestanden. W\u00e4hrend jedoch in Amerika zum Beispiel dieser Wahnwitz zur Ausrottung der Indianer f\u00fchrte und in Deutschland zur kaltbl\u00fctigen Vernichtung der angeblich Minderwertigen, wurde in Arabien eine soziale Ordnung geschaffen, in der die Sklaven eine wichtige wirtschaftliche Rolle spielen. Sie sind Landarbeiter, Hirten, Diener, Leibw\u00e4chter, Sekret\u00e4re, Kinderm\u00e4dchen, G\u00e4rtner. Sie werden meistens sogar besser behandelt als bezahlte Arbeitskr\u00e4fte.<\/p>

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Diese M\u00e4nner sind jemenitische Sklaven, Eigentum eines m\u00e4chtigen Herrn im n\u00f6rdlichen Jemen. Sie wurden nicht gekauft, nicht geraubt. Sie wurden als Sklaven geboren, und auch ihre Kinder sind Sklaven<\/em><\/figcaption><\/figure>

Es gibt dar\u00fcber viele Berichte, und ich habe es selbst mit eigenen Augen gesehen. Wir reisten im S\u00fcden Saudi-Arabiens von der jemenitischen Grenze nach Djissan, einem kleinen Hafen am Roten Meer. In Sukh al-Ahad machten wir in einem Teehaus halt. Unter freiem Himmel standen hohe B\u00e4nke, auf denen M\u00e4nner hockten, Tee tranken und Wasserpfeifen rauchten. Diese B\u00e4nke werden nachts als Betten benutzt. Wir wollten hier \u00fcbernachten und zwei B\u00e4nke mieten. Aber sie waren schon alle vergeben. Als wir in unserem gebrochenen Arabisch nach einer anderen Bleibe fragten, kam ein baumlanger Neger* und wollte wissen, ob wir Italienisch spr\u00e4chen.
\u201eJa.\u201c
\u201eIch hei\u00dfe Il Grandone\u201c, sagte er und reichte uns die Hand. \u201eMein Herr bietet Ihnen zwei Betten an.\u201c Er zeigt in eine Ecke des Platzes, wo ein vornehm gekleideter Araber mehrere B\u00e4nke mit seinem Gefolge belegt hatte und uns heranwinkte. Wir setzten uns zu ihm. Im Laufe des Gespr\u00e4chs fragte ich ihn, wer seine Begleiter seien.
\u201eMeine Diener\u201c, sagte er. \u201eMein Sekret\u00e4r\u201c, und zeigte auf Grandone.
\u201eIhre Sklaven wahrscheinlich!\u201c
\u201eWenn Sie damit sagen wollen, da\u00df ich sie gekauft habe, ja \u2013 aber es ist ein h\u00e4\u00dfliches Wort. Fragen Sie doch selbst, ob mein Sekret\u00e4r sich als Sklave f\u00fchlt.\u201c
Und ich sprach mit Grandone, auf italienisch, in einer Sprache, die sein Herr nicht verstand.
Der gro\u00dfe Neger* stammte aus dem fr\u00fcher italienischen Eritrea. Obwohl er Mohammedaner war, hatte er bei italienischen Missionaren lesen und schreiben gelernt und dort den Namen Il Grandone (der Riese) erhalten. Auf einer Pilgerfahrt nach Mekka hatte er Schulden gemacht und war gezwungen worden, sich zu verkaufen.<\/p>

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\u201eMenschliche Reiseschecks\u201c nennt man die Kinder der Mekkapilger. Wenn unterwegs das Geld ausgeht, wird eins verkauft. Diese Frau trafen wir in Saudi-Arabien. Sie kam mit vier Kindern aus Indien \u2013 vier Garantien f\u00fcr das Gelingen der Pilgerfahrt<\/em><\/figcaption><\/figure>


Die unwiderstehliche Frage dr\u00e4ngte sich auf: \u201eM\u00f6chten Sie nicht lieber frei sein?\u201c
\u201eIch habe einen guten Herrn\u201c, wich er aus.
\u201eAber Grandone, kommen Sie, niemand versteht uns hier. Sie k\u00f6nnen mir alles sagen, was Sie auf dem Herzen haben. Es ist vielleicht das letzte Mal, da\u00df Sie mit einem Europ\u00e4er sprechen.\u201c<\/p>

\u201eIch kenne die Europ\u00e4er\u201c, sagte er ruhig, \u201eich habe bei ihnen gelernt und f\u00fcr sie gearbeitet. Sie k\u00f6nnen die Sklaverei nicht verstehen, weil sie die Araber nicht kennen und auch nicht wissen, was wirkliche Armut ist. \u2013 Sicher, bei Euch in Europa m\u00f6chte auch ich frei sein \u2013 wie Sie. Aber bei mir in Afrika \u2013 oder gar hier. Nein. Da bin ich als Sklave besser aufgehoben. Wenn ich krank bin, ruft mein Herr einen Arzt. Ich bekomme regelm\u00e4\u00dfig zu essen und sogar etwas Geld. Wenn ich einen Fehler mache, sch\u00fctzt er mich vor der Polizei. Aber wer k\u00fcmmert sich um einen Freien \u2013 um einen freien Armen? Der hat keinen Arzt, kein kostenloses Penicillin, nicht einmal satt zu essen. Was bedeutet da noch Freiheit? \u00dcberhaupt nichts. Wir Sklaven leben l\u00e4nger als die Armen \u2013 ja, viel l\u00e4nger.\u201c
Zum ersten Male h\u00f6re ich einen Sklaven die sogenannten Entwicklungsl\u00e4nder mit seinen Ma\u00dfst\u00e4ben messen \u2013 nicht die \u201eProbleme\u201c aus westlicher Sicht, nein, den bitteren Alltag.
Bei uns will jeder \u201emehr\u201c; hier hei\u00dft die Alternative \u201eetwas\u201c oder \u201egar nichts\u201c \u2013 leben oder langsam verhungern. Und das gilt f\u00fcr zwei Drittel der Menschen zwischen Dakar und Kalkutta. Wenn dieses \u201eEtwas“ die Aufgabe der Freiheit bedeutet, wird damit kaum gez\u00f6gert, denn die Freiheit ist ohnehin nur der Luxus der Reichen. Nur so kann man verstehen, weshalb dieser Mann seinem Sch\u00f6pfer dankt, ein Sklave zu sein. Sklave bedeutet Besitz, und der wird \u00fcberall auf der Welt gesch\u00fctzt und gut behandelt, w\u00e4hrend der freie Arme der Feind des armen Freien ist \u2013 ein Sklave ohne Status.<\/p>

Besser Haremsm\u00e4dchen als Arbeitstier<\/h3>

Dies ist, um Gottes willen, keine Rechtfertigung der Sklaverei. Sie ist und bleibt eines der scheu\u00dflichsten Verbrechen der Menschen gegen den Menschen. Es schien mir jedoch wichtig, die sozialen Hintergr\u00fcnde des heutigen Menschenhandels zu zeigen: Es ist Handel mit der Armut.
Ebenso wichtig scheint mir ein Hinweis auf den propagandistischen Mi\u00dfbrauch der Sklaverei. Ich spreche von der Entr\u00fcstung, mit der von Sklavenhandel in Afrika und der arabischen Halbinsel geschrieben wird. Seit die neuen afrikanischen Staaten unabh\u00e4ngig geworden sind, h\u00e4ufen sich die Anklagen gegen sie.
Abgesehen davon, da\u00df meistens die gleichen abgedroschenen Beispiele als pers\u00f6nliche Erlebnisse angeboten werden, zeichnen sich alle diese Berichte durch die gleiche Tendenz aus: Sie versuchen, den Eindruck zu vermitteln, da\u00df es doch eigentlich verfr\u00fcht war, V\u00f6lkern die Unabh\u00e4ngigkeit zu geben, die nicht einmal imstande sind, den Handel mit ihren eigenen Menschen zu unterbinden. Sie wollen damit die Vorstellung erwecken: Die jungen Staaten sind nicht reif genug, um unabh\u00e4ngig zu sein. Manchmal ist die Anklage direkt: \u201eHerr Ben Bella, warum tun Sie nichts gegen den Sklavenhandel in der Sahara.\u201c \u2013 \u201eSekou Toure, Sie entt\u00e4uschen uns\u201c, usw. \u2026<\/p>

\"\"
Die Peulh, ein Volk im Hohen Niger, pr\u00fcgeln sich, um Sklaven zu werden. Wenn die H\u00e4ndler kommen, stellen sich die M\u00e4nner zu einem Schmerzduell gegen\u00fcber. Sie schlagen sich gegenseitig mit knochigen St\u00f6cken, und wer am meisten aush\u00e4lt, hat das \u201eGl\u00fcck\u201c, gekauft zu werden<\/em><\/figcaption><\/figure>


Wenn dazu noch ein Harem gezeigt werden kann und eine nackte Negerin*, ist diese aus Sehnsucht nach Macht geborene Propaganda leicht verk\u00e4uflich. Sie kommt an und kitzelt den z\u00e4hlebigen \u00dcberheblichkeitsfimmel, bis der schlichte Europ\u00e4er sich sagt: \u201eDiese Wilden, da m\u00fc\u00dfte man doch mal wieder Ordnung schaffen.\u201c
Ja, aber wie sah diese Ordnung aus? Unter den Kolonialm\u00e4chten bl\u00fchte der Sklavenhandel weit mehr als heute. Weder Engl\u00e4nder noch Franzosen noch Portugiesen haben ernsthaft versucht, ihn zu unterbinden. Aus politischen Gr\u00fcnden lie\u00dfen sie die m\u00e4chtigen Stammesf\u00fcrsten und Sultane gew\u00e4hren und fingen nur die kleinen Fische. Und jetzt sollen die neuen Staaten in wenigen Jahren abschaffen, was Europ\u00e4er w\u00e4hrend Jahrhunderten mehr oder weniger offen unterst\u00fctzten.
Wenn die wei\u00dfe Arroganz eine reine Weste h\u00e4tte, w\u00e4re die Entr\u00fcstung vielleicht am Platze. Aber schauen wir doch einmal hin. Bis vor hundertf\u00fcnfzig Jahren waren die europ\u00e4ischen Nationen die gr\u00f6\u00dften Sklavenh\u00e4ndler aller Zeiten. Nachdem sie im neu entdeckten Amerika Millionen Indianer ausgerottet hatten – es waren ja nur Heiden \u2013, fehlte es ihnen pl\u00f6tzlich an geeigneten Arbeitskr\u00e4ften. Da kam der Bischof Las Casas auf die Idee, da\u00df die Neger* doch eigentlich alle Voraussetzungen h\u00e4tten, um in den tropischen Gegenden Amerikas arbeiten zu k\u00f6nnen. Gesagt, getan. Man st\u00fcrzte sich auf Afrika und entri\u00df diesem Kontinent seine besten Menschen. Im Laufe von dreihundert Jahren wurden sch\u00e4tzungsweise sechzig Millionen Neger* aus ihrer Heimat verschleppt und in Amerika als Sklaven verkauft.
Die H\u00e4ndler waren nicht etwa Nationen wie Saudi-Arabien oder der Jemen, in denen der Sklave seit Jahrtausenden seinen Platz in der Gesellschaftsordnung hat. Nein. Es waren die \u201emodernen\u201c Staaten, die seit achtzehnhundert Jahren die Lehre Christi kannten und im Munde f\u00fchrten \u2013 \u201eLiebe deinen N\u00e4chsten\u201c \u2013 und das Gesch\u00e4ft mit Menschen in seinem Namen trieben.
Die Hauptwaffe im Propagandafeldzug gegen die jungen Nationen ist der M\u00e4dchenraub. Eine verschleppte Jungfrau r\u00fchrt mehr als ein st\u00e4mmiger Neger*. Schlafzimmer und Bordell sind aufregendere Endstationen als Pferdestall oder K\u00fcche.
Dazu ist zu sagen, da\u00df in den meisten der betroffenen L\u00e4nder die Heirat durchweg ein Kaufgesch\u00e4ft ist. Die Frau wird Eigentum des Mannes, ob sie in einem Harem verschwindet oder in einer H\u00fctte. Vorzuziehen ist der Harem, denn in der H\u00fctte mu\u00df sie auch noch schwer arbeiten.
Die M\u00e4dchen, die in den Bordellen enden, sind die Opfer weit verzweigter verbrecherischer Organisationen, die sich wei\u00df Gott nicht auf Afrika oder die arabische Halbinsel beschr\u00e4nken. Es gibt sie auch in Europa. J\u00e4hrlich verschwinden aus unseren Gro\u00dfst\u00e4dten \u00fcber zehntausend M\u00e4dchen, nicht weniger als aus dem afrikanischen Busch. Ihr Los ist sicher nicht besser als das ihrer schwarzen oder braunen Schwestern.
Trotzdem habe ich noch keine afrikanische Stimme geh\u00f6rt, die Europa anklagt, sich nicht regieren zu k\u00f6nnen.<\/p>

*Anmerkung: Der Begriff Neger\/Negerin wird aus dem Originaltext beibehalten. Diese Bezeichnung war damals ohne Abwertung als Fremd- und Selbstzuschreibung gel\u00e4ufig.<\/em><\/p>","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Stern, Heft 14, 5. April 1964  \u00dcber eine Million Menschen leben heute noch als Sklaven. In Afrika, in Asien. Teils gezwungen, teils freiwillig. Wie sie leben, schildert dieser Bericht. Ich habe sie gesehen und mit ihnen gesprochen: Sklaven \u2013 M\u00e4nner und Frauen, die wie Haustiere einem anderen Menschen geh\u00f6ren. Kinder, die von ihrer Mutter getrennt…<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":62286,"parent":54136,"menu_order":2,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","template":"","meta":{"_seopress_robots_primary_cat":"","_seopress_titles_title":"","_seopress_titles_desc":"","_seopress_robots_index":"","footnotes":""},"categories":[624],"tags":[],"class_list":["post-54140","page","type-page","status-publish","has-post-thumbnail","hentry","category-naher-und-mittlerer-osten","entry","has-media"],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/54140"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/types\/page"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=54140"}],"version-history":[{"count":5,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/54140\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":65144,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/54140\/revisions\/65144"}],"up":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/54136"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/media\/62286"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=54140"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=54140"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=54140"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}