{"id":54150,"date":"2017-03-11T14:18:09","date_gmt":"2017-03-11T13:18:09","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=54150"},"modified":"2020-05-08T01:58:45","modified_gmt":"2020-05-07T23:58:45","slug":"wie-sie-getaeuscht-werden","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/zeitungsreportagen\/vietnam\/wie-sie-getaeuscht-werden\/","title":{"rendered":"Wie Sie get\u00e4uscht werden"},"content":{"rendered":"
\u201edeutsches panorama\u201c , Mai 1966 <\/em><\/p> Die deutsche Presse blickt nur selten hinter die Kulissen des Krieges in Vietnam. Was spielt sich in Vietnam wirklich ab? \u201edeutsches panorama\u201c befragte einen der wenigen Experten: den gerade vom Kriegsschauplatz zur\u00fcckgekehrten \u201estern“-Reporter Gordian Troeller.<\/strong> panorama:<\/em><\/strong> In Kriegszeiten h\u00e4ufen sich die Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit. Wie steht es damit in Vietnam?<\/p> Troeller:<\/em><\/strong> Es gibt viele Faktoren, die eine objektive Berichterstattung unm\u00f6glich machen. Dazu geh\u00f6ren in erster Linie die Barriere der Sprache, die Unkenntnis der asiatischen Mentalit\u00e4t, die Beschr\u00e4nkung des Milieus, zu dem ein ausl\u00e4ndischer Journalist Zutritt hat und nat\u00fcrlich die Gefahr, der er sich aussetzen mu\u00df, wenn er mehr erfahren will als das, was offizielle Stellen ihm mitteilen wollen.<\/p> Es ist nahezu unm\u00f6glich, mit Vietnamesen ins Gespr\u00e4ch zu kommen, die nicht zum b\u00fcrgerlichen, westlich orientierten Milieu der gro\u00dfen St\u00e4dte geh\u00f6ren. Was man dort erf\u00e4hrt, sind die Wunschtr\u00e4ume einer Klasse, deren Existenz ausschlie\u00dflich vom Schutz der amerikanischen Streitkr\u00e4fte abh\u00e4ngt. Der ausl\u00e4ndische Korrespondent befindet sich somit in einer Art Spiegelkabinett, in dem ihm das von der amerikanischen Propaganda gezeichnete Bild tausendfach zur\u00fcckgeworfen wird. panorama:<\/em><\/strong> Welche Informationsquellen gibt es, und wie zuverl\u00e4ssig sind sie?<\/p> Troeller:<\/em> <\/strong>Die Pressedienste der vietnamesischen Regierung und der Vereinigten Staaten sind die Hauptinformationsquellen.
Das Gespr\u00e4ch f\u00fchrt der Chefredakteur Gert von Paczensky.<\/strong>
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Wenn er sich im Inneren des Landes umsehen will, ist er auf amerikanische Hilfe angewiesen. Die meisten D\u00f6rfer sind nur im Hubschrauber zu erreichen, denn es geht \u00fcber Vietcong-Gebiet, das man auf dem Landwege nicht durchqueren kann. Im Dorf findet er Menschen, die ebenfalls unter amerikanischem Schutz stehen und sich entsprechend verhalten. Meist handelt es sich um Fl\u00fcchtlinge aus der Kampfzone, die in ruhigeren Gegenden neu angesiedelt werden.
Lehnt der Journalist es ab, sich auf D\u00f6rfer zu beschr\u00e4nken, die zur Regierungstreue verpflichtet sind, dann mu\u00df er feststellen, da\u00df die St\u00e4dte und amerikanischen St\u00fctzpunkte belagerte Festungen sind, aus denen er nur unter Lebensgefahr und gegen den Willen der Regierung heraus kann.
Zum Beispiel: In Saigon gibt es ein ausgezeichnetes vietnamesisches Restaurant. Es liegt am Rande der Stadt. Wer dort essen will, mu\u00df vor der D\u00e4mmerung wieder verschwinden. Nach sechs Uhr abends herrscht dort der Vietcong.
Die Kaiserstadt Hu\u00e9 ist stolz auf ihre alten Gr\u00e4ber. Das erste befindet sich 3 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Man kann es besuchen. Das zweite liegt nur einen Kilometer weiter. Es ist f\u00fcr Touristen gesperrt, denn dort beginnt bereits das Gebiet der Rebellen.
So ist es im ganzen Land.
Wer aus den belagerten St\u00e4dten herauskommen will, mu\u00df heimlich die Sperren der s\u00fcdvietnamesischen Armee umgehen. Vietnamesen und Amerikaner sehen es nicht gern, wenn Journalisten ins Niemandsland vordringen oder sogar Gebiete erreichen wollen, in denen der Vietcong und seine Nationale Befreiungsfront (FNL) Herr und Meister sind. Gelingt es doch, dann wird der Betreffende bei seiner R\u00fcckkehr stundenlang verh\u00f6rt und tut besser daran, das Land zu verlassen.
Gew\u00f6hnlich mu\u00df ein Journalist sich also mit jenen Informationen zufriedengeben, die er in Saigon oder anderen gr\u00f6\u00dferen St\u00e4dten erhalten kann.<\/p>
Auf milit\u00e4rischer Ebene gibt es keine anderen, es sei denn, man ist mit vietnamesischen oder amerikanischen Offizieren befreundet, deren heimliche Gest\u00e4ndnisse oder offenen Verzweiflungsausbr\u00fcche nicht selten zu den offiziellen Nachrichten im Widerspruch stehen.
Auf politischer Ebene gibt es nat\u00fcrlich die \u00fcblichen Kontakte: katholische W\u00fcrdentr\u00e4ger, Studentenf\u00fchrer, buddhistische M\u00f6nche, Leute der Regierung usw. Mit ihnen kann man ohne Schwierigkeiten ins Gespr\u00e4ch kommen, obwohl alle, die nicht mit dem Regierungschef General Ky einverstanden sind, streng \u00fcberwacht werden.<\/p>