{"id":54151,"date":"2017-03-11T14:18:09","date_gmt":"2017-03-11T13:18:09","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=54151"},"modified":"2020-10-02T15:15:35","modified_gmt":"2020-10-02T13:15:35","slug":"aufstand-gegen-den-krieg","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/zeitungsreportagen\/vietnam\/aufstand-gegen-den-krieg\/","title":{"rendered":"Aufstand gegen den Krieg"},"content":{"rendered":"

Stern, Heft 23, 5. Juni 1966 <\/em><\/p>

Der Krieg in S\u00fcdvietnam wird immer grotesker. In der n\u00f6rdlichen Hafenstadt Da Nang kam es zu einem \u201eKrieg im Krieg“: Regierungschef General Ky mu\u00dfte eine einw\u00f6chige blutige Schlacht gegen seine eigenen Truppen f\u00fchren. Buddhisten und die Garnison von Da Nang hatten gegen einen Krieg rebelliert, der immer sinnloser wird. Die Zivilbev\u00f6lkerung, zwischen den Fronten gefangen, hat nur einen Wunsch: endlich Ruhe, endlich Frieden
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Als die ersten Granaten explodieren, liegen wir noch im Bett. Es ist halb sieben. Zehn Minuten sp\u00e4ter sind wir im Zentrum von Da Nang. Elitetruppen der Marine-Infanterie, dem Ministerpr\u00e4sidenten Ky ergeben, tasten sich vorsichtig durch die Stra\u00dfen. Die aus dem Schlaf gerissene Zivilbev\u00f6lkerung beschimpft sie.
Als wir in die N\u00e4he der Radiostation kommen, falle die ersten Sch\u00fcsse. Sie gelten uns, sieben Journalisten, die der Zufall oder eine gute Nase rechtzeitig nach Da Nang gef\u00fchrt hat. Wir gehen hinter Eisenr\u00f6hren in Deckung, Reporter und Fotografen, die f\u00fcr die n\u00e4chsten sieben Tage nicht mehr den Kopf heben k\u00f6nnen, ohne ihn zu riskieren.<\/p>


Es sind Soldaten der Garnison von Da Nang, die auf uns schie\u00dfen. Sie sind vom pl\u00f6tzlichen Auftauchen der Marine-Infanteristen des Generals Ky ebenso \u00fcberrascht wie wir und halten uns f\u00fcr einen Sp\u00e4htrupp.
Der Vietnamkrieg ist in Da Nang zur Farce geworden: Antikommunistische Buddhisten schie\u00dfen auf westliche Korrespondenten, s\u00fcdvietnamesische Soldaten aus Da Nang schie\u00dfen auf s\u00fcdvietnamesischen Soldaten aus Saigon, s\u00fcdvietnamesische Soldaten aus Saigon schie\u00dfen auf kommunistische Vietcong und auf antikommunistische M\u00f6nche, die Vietcong schie\u00dfen auf die Amerikaner und die Amerikaner auf die Vietcong, wobei die Amerikaner sich aber auch gegen die Buddhisten und gegen die mit ihnen eigentlich verb\u00fcndeten s\u00fcdvietnamesischen Soldaten zu verteidigen haben – grotesker und verr\u00fcckter geht es wohl nicht mehr.<\/p>

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Diesmal ging es um Da Nang, drittgr\u00f6\u00dfte Stadt in S\u00fcdvietnam und wichtigster St\u00fctzpunkt der amerikanischen Streitkr\u00e4fte. Hier sind 45.000 \u201eLedernacken\u201c, wie die Elitesoldaten der amerikanischen Marine-Infanterie genannt werden, stationiert. Und hier hat sich die \u00f6rtliche Garnison mit den Buddhisten verb\u00fcndet, um dem Krieg ein Ende zu machen.
Die s\u00fcdvietnamesischen Soldaten der Garnison Da Nang werden von der Regierung Ky in Saigon bezahlt, ern\u00e4hrt und ausger\u00fcstet. Dennoch rebellieren sie gegen ihren Kriegsherrn Ky. Um mit ihnen und den aufs\u00e4ssigen Buddhisten fertigzuwerden, mu\u00dfte Ky seine Leibtruppen aus Saigon heranfliegen lassen.
Claude Deffarge und ich waren dabei, als die Rebellion gegen den Krieg ausbrach.<\/p>

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Zun\u00e4chst waren uns Kys Soldaten sehr willkommen. Sie befreiten uns aus einer heiklen Lage. Mit Granatwerfern und Maschinengewehren gingen sie gegen die Da-Nang-Soldaten vor, die 50 Meter von uns entfernt die Radiostation verteidigten. Es dauerte zwanzig Minuten, dann war der Widerstand gebrochen. Kys Truppen gingen vor, wir schlossen uns an.
Im Garten des eben eroberten Senders brachen die Soldaten ein Haus auf. Drinnen weinte eine Frau. Die Soldaten br\u00fcllten sie an. In einer Zementbadewanne kauerte die ganze Familie mit den Gesichtern zum Boden. die Kinder weinten. \u201eOh, Madame\u201c, ruft die Frau auf Franz\u00f6sisch, als sie Claude Deffarge sieht. \u201eMadame, wir haben solche Angst, wir k\u00f6nnen nicht mehr; wird es denn nie ein Ende nehmen?“<\/p>

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Da Nang, das Zentrum der Rebellion gegen den Krieg<\/em><\/figcaption><\/figure><\/div>


Vor acht Wochen hatten sich Da Nang, die alte Kaiserstadt Hu\u00e9 und weitere St\u00e4dte im Norden S\u00fcdvietnams gegen die Politik des Generals Ky erhoben. Von buddhistischen M\u00f6nchen gef\u00fchrt, forderte die Bev\u00f6lkerung in Demonstrationen das Ende der Milit\u00e4rdiktatur, die Einsetzung einer Zivilregierung und freie Wahlen. Das blinde Morden im Dschungel-B\u00fcrgerkrieg sollte durch Verhandlungen mit den Vietcong-Rebellen beendet werden. Die Buddhisten wollen die friedliche Koexistenz mit den Kommunisten wagen, selbst auf die Gefahr hin, unterwandert oder \u00fcberspielt zu werden. Sie wagen es, weil das Volk gegen den Krieg ist, und weil sie das Land vor v\u00f6lliger Zerst\u00f6rung retten wollen.
Diese \u00dcberlegungen passen nat\u00fcrlich keineswegs in das Konzept des Generals Ky, der, wie er erkl\u00e4rt hat, Adolf Hitler verehrt. Diesem Beispiel folgend, sieht er lieber sein Land in Schutt und Asche untergehen als ein Ende seiner Macht.
Vor uns liegt die Leiche eines 22 j\u00e4hrigen Studenten. Eine Kugel der Ky Truppen traf ihn in den Kopf. Buddhistische Pfadfinder, mit Kn\u00fcppeln und Eisenstangen bewaffnet, tragen ihn an den Soldaten vorbei in die Pagode, in der schon ein Soldat aufgebahrt liegt: die ersten Opfer des Zweifrontenkrieges in Vietnam.
\u201eWenn nicht bald eine politische L\u00f6sung gefunden wird, werden alle St\u00e4dte des Nordens gegen Saigon zu den Waffen greifen\u201c, sagt uns ein buddhistischer M\u00f6nch.
Die Buddhisten k\u00e4mpfen nicht nur mit Waffen. In der Hauptpagode von Da Nang haben sie drei Scheiterhaufen errichtet. Drei Priester wollen sich verbrennen lassen, falls Kys Soldaten es wagen sollten, die Pagode anzugreifen.<\/p>

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Sie setzten sich den Panzern in den Weg: Buddhistische M\u00f6nche fordern die Soldaten General Kys auf, den Krieg in Vietnam endlich zu beenden<\/em><\/figcaption><\/figure><\/div>


Nur hundert Meter entfernt stehen vier Panzer der Ky-Soldaten. Ihre Kanonen sind auf die Pagode gerichtet. Zwischen den Panzern und der Pagode sitzen eine Gruppe Priester und einige hundert Jungen und M\u00e4dchen auf der Stra\u00dfe. Bevor einer der Panzer das Hauptquartier der Buddhisten angreift, m\u00fc\u00dfte er diese Menschen zermalmen.
Wir begegnen einem Ky-Soldaten. Er will zu den Buddhisten \u00fcberlaufen.
\u201eWarum tun Sie das?\u201c frage ich ihn.
\u201eMan hat mir gesagt, ich w\u00fcrde gegen Kommunisten k\u00e4mpfen. Dagegen habe ich nichts. Wenn ich aber gegen meine Glaubensbr\u00fcder marschieren soll, dann weigere ich mich.“
Einige Kameraden stehen um ihn herum, auch ein Unteroffizier ist dabei. Niemand h\u00e4lt ihn zur\u00fcck.
Vierzehn andere Soldaten \u201eergeben\u201c sich einer Gruppe unbewaffneter Sch\u00fcler, die sie im Triumph in die Pagode f\u00fchren. Keiner der zuschauenden Ky-Soldaten versucht, sie zu befreien.
Immer noch fallen Sch\u00fcsse. Aber es wird nicht mehr geschrien, und man sieht kaum jemanden rennen. Diese \u201eRuhe\u201c ist mir fast unheimlicher als die pfeifenden Kugeln und Granatsplitter.<\/p>

\u201eEine Bombe – und Ky ist erledigt“<\/strong><\/p>

Der fanatische Friedenswille dieser Menschen wird es den Amerikaner immer schwerer machen, den Krieg weiterzuf\u00fchren. Claude und ich bekommen es zu sp\u00fcren: Solange man uns f\u00fcr Amerikaner h\u00e4lt, beschimpft man uns oder sieht uns feindlich an. Wenn wir uns aber als Europ\u00e4er zu erkennen geben, bittet man uns oft sogar in die H\u00e4user und antwortet freundlich auf unsere Fragen. Die Leute haben die Nase voll. Sie wollen endlich Frieden.
\u00dcber uns h\u00f6ren wir Flugzeuge. Im Sturzflug fliegen die Maschinen die Pagode an, werfen aber keine Bomben. Die Soldaten, die mit den Priestern und den buddhistischen Gl\u00e4ubigen gemeinsame Sache machen, schie\u00dfen auf die Flugzeuge.
\u201eWenn die auch nur eine Bombe werfen, bleibt Ky keine zwanzig Minuten an der Macht\u201c, sagt ein Offizier der Abtr\u00fcnnigen.<\/p>

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Kinder \u201ek\u00e4mpften\u201c in der Rebellenstadt Da Nang gegen die Elitetruppen aus Saigon<\/em><\/figcaption><\/figure>


Die Machtprobe im antikommunistischen Lager hilft nat\u00fcrlich den Vietcong. Seit Wochen k\u00f6nnen die Regierungstruppen zu keinem gr\u00f6\u00dferen Gefecht mehr eingesetzt werden. General Ky braucht die Soldaten in der Etappe, um die Zivilbev\u00f6lkerung in Schach zu halten. Seit Wochen und zum ersten Mal in diesem B\u00fcrgerkrieg haben die Amerikaner gr\u00f6\u00dfere Verluste als ihre vietnamesischen Verb\u00fcndeten.
Die Moral der s\u00fcdvietnamesischen Truppe ist auf dem Nullpunkt. \u201eWer will schon seinen Kopf verlieren f\u00fcr eine Sache, an die er nicht mehr glaubt?“ sagt mir ein Soldat. \u201eVielleicht ist sogar mein Bruder bei den Vietcong. W\u00fcrden Sie auf Ihren Bruder schie\u00dfen?“
Der Vietcong n\u00fctzt die Situation geschickt aus. Nur im Notfall schie\u00dfen die Kommunisten auf vietnamesische Soldaten. Sie wollen zeigen, da\u00df sie S\u00f6hne desselben Landes und derselben Rasse sind. Umso r\u00fccksichtsloser greifen sie die Amerikaner an.
Ann\u00e4hernd 300.000 US-Soldaten stehen jetzt in Vietnam. Es ist fast ausschlie\u00dflich ihr Krieg geworden, ein Krieg des wei\u00dfen Mannes. Die Unmenge wei\u00dfer Soldaten in Uniform erinnert die Vietnamesen fatal an die Kolonialherrschaft der Franzosen – andere wei\u00dfe Soldaten in Uniform. Der Vietcong erinnert daran, da\u00df alle Vietnamesen einmal gemeinsam einen gemeinsamen Feind bek\u00e4mpften: die wei\u00dfen Herren.
Im S\u00fcdwesten des Landes haben die Amerikaner in der \u201eOperation Birmingham\u201c 10.000 ihrer Elitesoldaten, Artillerie, Napalm-und Tr\u00e4nengasbomben und ganze Bombenteppiche aufgeboten. Es wurden in einer Woche ganze 141 Vietcong get\u00f6tet, und nie wird man genau wissen, wie viele davon einfache Bauern waren, die das Pech hatten, hier zu leben. So sehen keine Sieger aus. Der amerikanische Aufwand steht in keinem Verh\u00e4ltnis zu den Erfolgen.
In Saigon hatten wir vor einigen Tagen erlebt, wie nerv\u00f6s die Amerikaner geworden sind. In der N\u00e4he eines amerikanischen Hotels hatte ein Vietcong sein Fahrrad mit einer Bombe geparkt, die wenige Minuten sp\u00e4ter in die Luft ging, aber nur Materialschaden anrichtete. Sofort begannen die US-Soldaten zu schie\u00dfen. Andere schossen zur\u00fcck, auf die eigenen Leute. In das Kreuzfeuer geriet ein vorbeifahrender Lastwagen mit vietnamesischen Arbeitern. Bilanz: f\u00fcnf Tote, 29 Verletzte, davon acht Amerikaner. Die amerikanische Botschaft entschuldigte sich und versprach Schadensersatz. Wie viel Dollar kostet ein toter Vietnamese?<\/p>

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Ein Soldat der rebellierenden Garnison von Da Nang ergibt sich auf dem Marktplatz seinen Kameraden aus Saigon. Kurze Zeit sp\u00e4ter erschie\u00dft ein Offizier den wehrlosen Gefangenen<\/em><\/p><\/div><\/div>

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S\u00fcdvietnamesische Soldaten st\u00fcrzen sich auf den Ermordeten und leeren ihm die Taschen. Der Offizier sagte, der Soldat habe ihn w\u00e4hrend des Kampfes mit Handgranaten beworfen<\/em><\/p><\/div><\/div>

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Selbst die Schuhe stehlen die Leichenfledderer aus Saigon ihrem toten Kameraden. In Da Nang konnte General Ky die Rebellion gegen den Krieg niederwerfen. Aber im Lande g\u00e4rt es<\/em><\/p><\/div><\/div>

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Am Nachmittag geraten wir in Da Nang ein zweites Mal ins Feuer der Gewehre und Granatwerfer. Wir liegen hinter einem Baum. F\u00fcnf Meter entfernt bellt ein schweres Maschinengewehr. Ein paar junge Buddhisten haben sich zu uns gekauert. Selbst diese Situation benutzen sie, um uns zu erkl\u00e4ren, was sie wollen – oder besser, was sie nicht wollen:
\u201eDie Vietcong-Rebellen sind unsere Br\u00fcder. Nur die Machthaber in Saigon und die Amerikaner hindern uns daran, mit ihnen ins Gespr\u00e4ch zu kommen. Wir haben keine Angst vor dem Kommunismus. Asien ist nicht Europa. Ihr Europ\u00e4er braucht keine Revolution mehr, aber bei uns mu\u00df endlich der Dreck von Jahrtausenden weggefegt werden. Ohne die Kommunisten geht das hier nicht mehr.“
Dem buddhistischen Studenten, der uns dies sagte, wird zwei Minuten sp\u00e4ter ein Finger abgeschossen.<\/p>

Die Schlacht gewonnen, das Volk verloren<\/strong><\/p>

Die vietnamesischen Buddhisten glauben, da\u00df der Vietcong mit ihnen verhandelt und sich auf freie Wahlen einl\u00e4\u00dft, ohne den vorherigen Abzug der amerikanischen Truppen zu verlangen – sondern nur die Einstellung der K\u00e4mpfe. Die Buddhisten scheinen dazu das prinzipielle Einverst\u00e4ndnis der Vietcong schon zu haben. Ihr Widerstand gegen Ky, seine Abl\u00f6sung durch eine Zivilregierung sollen die Voraussetzung f\u00fcr diesen Kompromi\u00df schaffen.
Eine Koexistenz von Kommunismus und Buddhismus braucht ihrer Meinung nach nicht zu einer Macht\u00fcbernahme durch die Kommunisten zu f\u00fchren. Sie verweisen auf Burma, wo diese Koexistenz zu einem neutralen Sozialismus gef\u00fchrt hat, ja, sie hoffen sogar, da\u00df Nordvietnam sich dann von sowjetischer und chinesischer Vormundschaft freimachen kann, gemeinsam mit dem S\u00fcden, nach jugoslawischem Vorbild, einen eigenen Weg zu gehen. Vielleicht ist der Zweifrontenkrieg in Da Nang der erste Schritt auf diesem Weg.
Die n\u00e4chsten f\u00fcnf Tage pfeifen von morgens bis abends die Kugeln. In der Pagode liegen 20 Tote und 170 Verletzte.
Als Kys wohlger\u00fcstete Elitetruppen Da Nang mehr oder weniger in den Griff bekommen, fliegt der General selbst in die Stadt. Auf dem Flughafen erkl\u00e4rt er in einer Pressekonferenz, er habe seine Truppen in die Stadt geschickt, \u201eweil die Buddhisten mich scheinbar f\u00fcr einen dummen Jungen halten“. Die Buddhisten seien kommunistisch verseucht.<\/p>

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Seine Tage sind gez\u00e4hlt: \u201eSieger\u201c Ky, ohne Rangabzeichen und Orden, in Da Nang<\/em><\/figcaption><\/figure>


Nach Kys Abflug versch\u00e4rft sich der Kampf. Seine Truppen verf\u00fcgen \u00fcber die einzigen Panzer. Die Pagode ist abgeriegelt. In allen Stra\u00dfen wird jetzt geschossen. Ky hat \u00fcber die Stadt Ausgangsverbot verh\u00e4ngt. Das gilt selbst f\u00fcr die Amerikaner, die nun nicht mehr gegen die Vietcong ausziehen d\u00fcrfen – eine tragikkomische Situation, in die hier die m\u00e4chtigste Milit\u00e4rmacht der Erde gezogen worden ist.
Nur wir Journalisten rennen durch die Stra\u00dfen und steigen \u00fcber die Barrikaden. Wenn sich ein Gewehr gegen uns richtet, werfen wir uns auf den Boden und rufen so laut wir k\u00f6nnen: \u201eBao chi\u201c (Presse).
Aber nicht immer geht das gut. Ein amerikanischer Kollege, Sam Caston, Redakteur des Magazins \u201eLook\u201c, wird get\u00f6tet. Er ist der 17. Journalist, der in diesem Krieg f\u00e4llt. Der Korrespondent der amerikanischen Nachrichtenagentur \u201eAssociated Press\u201c, Robert Poos, der britische Fotograf Tim Page und der Fotoreporter Alain Taieb der franz\u00f6sischen Illustrierten \u201eParis Match“ werden durch Maschinengewehrkugeln verwundet.
Zwei Stunden lang versuchen Claude und ich, auf dem Bauch kriechend, zur Pagode und dem Hauptquartier der Buddhisten durchzukommen. Es geht nicht mehr. Der Ring der Ky- Truppen wird immer enger.<\/p>

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Deckung vor Kugeln: ganz rechts <\/em>Sternreporter Troeller<\/em><\/figcaption><\/figure><\/div>


Eine Woche nach der Rebellion st\u00fcrmen und besetzen Kys Soldaten die Pagoden, feuern seine Jagdbomber auf die Stellungen der Da Nang-Garnison mit Raketen, Bordkanonen und Maschinengewehren. Der \u201eKrieg im Krieg“ endet mit der Kapitulation der Buddhisten und der mit ihnen sympathisierenden Truppen. Ky hat eine Schlacht gewonnen, den Krieg um die Herzen seiner Landsleute hat er sp\u00e4testens hier verloren.<\/p>

Was Brudermord hei\u00dft, ist nicht zu berechnen<\/strong><\/p>

Im Pentagon zu Washington k\u00f6nnen die Elektronenrechner Truppenst\u00e4rke und Feuerkraft zu Prognosen verarbeiten. So exakt diese Daten sind, so falsch m\u00fcssen die Resultate sein: Denn in einem Elektronenrechner kann man nicht den Schmerz des Volkes angesichts der verbrannten Erde oder die Familienbande zwischen Rebellen und Bauern f\u00fcttern und auch nicht, was es hei\u00dft, im Namen eines verha\u00dften Regimes den Bruder morden zu m\u00fcssen.
In diese Rechnung geh\u00f6ren der h\u00f6here Kampfgeist der Vietcong und auch, da\u00df die s\u00fcdvietnamesische Hauptstadt Saigon zu einem Freudenhaus geworden ist, in dem Gener\u00e4le, Huren und Zuh\u00e4lter sich am Krieg bereichern und als Reiche und daher M\u00e4chtige mehr zu sagen haben als die anst\u00e4ndigen B\u00fcrger und Bauern.
W\u00e4hrend ich diesen Artikel schreibe, sitze ich am Ufer der Lagune von Da Nang. Ein amerikanisches Beobachtungsflugzeug st\u00fcrzte in die See. Es ist zu tief \u00fcber die Pagode geflogen und vom Maschinengewehrfeuer der Buddhisten getroffen worden.
Acht Kilometer weiter dr\u00f6hnte schweres Artilleriefeuer: Die US-Flotte beschie\u00dft Vietcong-Stellungen. Ein Dorf brennt. Menschen, die nichts vom ideologischen Konflikt unserer Welt wissen, bezahlen f\u00fcr eine Politik, die nicht die ihre ist, mit allem, was sie besitzen – und oft mit ihrem Leben.<\/p>","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Stern, Heft 23, 5. Juni 1966  Der Krieg in S\u00fcdvietnam wird immer grotesker. In der n\u00f6rdlichen Hafenstadt Da Nang kam es zu einem \u201eKrieg im Krieg“: Regierungschef General Ky mu\u00dfte eine einw\u00f6chige blutige Schlacht gegen seine eigenen Truppen f\u00fchren. Buddhisten und die Garnison von Da Nang hatten gegen einen Krieg rebelliert, der immer sinnloser wird.…<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":62536,"parent":54149,"menu_order":1,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","template":"","meta":{"_seopress_robots_primary_cat":"","_seopress_titles_title":"","_seopress_titles_desc":"","_seopress_robots_index":"","footnotes":""},"categories":[588],"tags":[],"class_list":["post-54151","page","type-page","status-publish","has-post-thumbnail","hentry","category-vietnam","entry","has-media"],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/54151"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/types\/page"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=54151"}],"version-history":[{"count":5,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/54151\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":63470,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/54151\/revisions\/63470"}],"up":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/54149"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/media\/62536"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=54151"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=54151"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=54151"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}