Gordian Troeller und Marie-Claude Deffarge habe ich gegen Ende meines Studiums der Germanistik und Romanistik 1966 in Hamburg kennengelernt. Ihre Art zu leben und zu arbeiten, ihre politischen Ansichten und Analysen faszinierten mich. Die beiden zeigten mir das Weltgeschehen unter einem v\u00f6llig neuen Gesichtswinkel und \u00f6ffneten mir die Augen \u00fcber viele Probleme, die ich mit der bundesrepublikanischen Gesellschaft und mir selbst hatte. Unsere Freundschaft wurde bald sehr eng. Das Ende der 60er Jahre bedeutet f\u00fcr mich ein Ausbrechen aus vielen verkrusteten Vorstellungen. Wir versuchten f\u00fcr uns eine Lebensform zu finden, jenseits der b\u00fcrgerlichen Zw\u00e4nge.<\/p>\n
Nach Abschluss des Studiums und meiner Ausbildung zur Gymnasiallehrerin \u2013 ein Beruf, der mich \u00fcbrigens begeisterte, \u2013 brannte ich darauf, mir ein eigenes Bild zu machen von der entwicklungstheoretischen Thematik, die uns alle drei besch\u00e4ftigte. Also begann ich mit Hilfe eines Graduiertenstipendiums eine Promotion zu schreiben. Ich arbeitete \u00fcber die Dependenztheorie. Ausgehend von den Schriften Ivan Illichs und Paolo Freires untersuchte ich die Beziehung zwischen Ausbildung, wirtschaftlicher Entwicklung und sozialer Gerechtigkeit in den sogenannten unterentwickelten L\u00e4ndern am Beispiel eines lateinamerikanischen Schwellenlandes.<\/p>\n
W\u00e4hrend ich 1974 ein halbes Jahr lang Feldforschung in Kolumbien betrieb, trennten sich Marie-Claude und Gordian als Paar. Unsere Dreierbeziehung war nach acht Jahren gescheitert. Marie-Claude ging nach Frankreich zur\u00fcck, um sich dort auf der Grundlage ihrer journalistischen und filmischen Erfahrungen selbstst\u00e4ndig zu machen. Die enge Zusammenarbeit an den Filmen blieb jedoch bis zu ihrem Tod 1984 erhalten.<\/p>\n
Bereits zu Beginn der 70er Jahre hatte ich bei der Recherche und den Dreharbeiten zu einigen Filmen mitgearbeitet. Meine Erfahrungen in Lateinamerika machten mir deutlich, wie sehr Gordians und Marie-Claudes Fortschritts- und Zivilisationskritik \u00fcber alle wissenschaftlichen Ans\u00e4tze hinaus berechtigt war. Nach meiner R\u00fcckkehr aus Kolumbien erweiterte sich mein Beitrag zu den Filmen betr\u00e4chtlich. Ich brachte meine eigenen Erfahrungen, Themen und Vorgehensweisen in die Arbeit ein.<\/p>\n
Das Unterrichten als Lehrerin mit reduzierter Stundenzahl blieb jedoch mein zweites Standbein.<\/p>\n
1986 lie\u00df ich mich aus dem Hamburger Schuldienst beurlauben und arbeitete 3 Jahre lang ausschlie\u00dflich an den Themen der Filmserie „Kinder der Welt“. Unsere Dreharbeiten f\u00fchrten Gordian und mich zu meinem gro\u00dfen Vergn\u00fcgen einmal rund um den Globus. Mein Projekt in dieser Zeit, auch in Deutschland das Aufwachsen der Kinder, die Bedingungen, unter denen bei uns Erziehung und Lernen stattfindet, in drei Folgen der Serie kritisch darzustellen, lie\u00df sich leider nicht verwirklichen.<\/p>\n
1987 heirateten wir.<\/p>\n
Auch als ich 1989 den Schuldienst wieder aufnahm, ging die intensive Mitarbeit an den Filmen weiter. Und so oft es m\u00f6glich war, begaben Gordian und ich uns gemeinsam auf Drehreise.<\/p>\n
Gordians Krankheit und sein Tod im M\u00e4rz 2003 warfen mich f\u00fcr eine lange Zeit aus der Bahn. Erst 2007, nach meiner Pensionierung als Lehrerin, habe ich begonnen, nicht nur unsere Filme, sondern auch Gordians und Marie-Claudes Fotos und die Zeitungsreportagen zusammenzutragen.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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