{"id":54276,"date":"2017-03-11T22:15:55","date_gmt":"2017-03-11T21:15:55","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=54276"},"modified":"2017-03-11T22:15:55","modified_gmt":"2017-03-11T21:15:55","slug":"gert-v-paczensky","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/biographie\/stimmen-zum-werk\/gert-v-paczensky\/","title":{"rendered":"Gert v. Paczensky"},"content":{"rendered":"
Wie Gordian Troeller zu Radio Bremen kam<\/strong><\/p>\n Daf\u00fcr, da\u00df Gordian Troeller einer der best\u00e4ndigen gro\u00dfen Autoren des deutschen Fernsehens werden w\u00fcrde, sprach am Anfang seiner Karriere als filmender Zeitzeuge so gut wie nichts. Gewi\u00df – er war einer der bekanntesten Stern-Reporter gewesen, bevor er umsattelte. Aber der NDR (logischer Abnehmer, da Gordian in Hamburg wohnte) konnte sich nicht entschlie\u00dfen, ihn mit mehr zu beauftragen als mit gelegentlichen – seltenen – Sendungen im Dritten Programm. Das war zu Beginn der kurzen \u00c4ra B\u00f6lling – Ertel – Paczensky beim Bremer Sender. Ertels Vorg\u00e4nger als Fernsehdirektor protestierte gegen eine solch weitreichende Festlegung, war ja aber auch auf dem Weg in die Pensionierung und resignierte notgedrungen; ich hatte nat\u00fcrlich im Einvernehmen mit dem Intendanten und dem neuen Programmdirektor gehandelt. Andere ‚alte Bremer‘ beklagten, da\u00df sie nicht gefragt worden seien, und da\u00df ein ihnen Unbekannter, denn ihr Interesse hatte bis dahin kaum der Dritten Welt gegolten, so mir nichts dir nichts einen wesentlichen Anteil an der Radio-Bremen-Pr\u00e4senz im Hauptabendprogramm bestreiten w\u00fcrde. Radio Bremen war ja im Hauptabendprogramm mit kaum mehr als einem Dutzend Sendungen vertreten.<\/p>\n Als dann die Themen der drei ersten Sendungen feststanden, mu\u00dfte ich sie nat\u00fcrlich erst von der ARD-Programmkonferenz billigen lassen; die Konferenz der Chefredakteure bereitete das Programm, dem Schema entsprechend, unter Vorsitz des Koordinators f\u00fcr die Konferenz der Programmdirektoren vor. Just in diesem Jahr, als Troellers Serie Im Namen des Fortschritts begann, lie\u00dfen auch der SWF und der WDR eine gemeinsame entwicklungspolitische Serie anlaufen, ebenfalls mit drei Sendungen. Als ich mit der Troeller-Anmeldung ankam, sagte der Koordinator eher abwehrend. „Aber Dritte-Welt-Sendungen haben wir nun schon drei…“ F\u00fcr ein Jahr, wohlgemerkt. Sto\u00dfrichtung, Gr\u00fcndlichkeit, Informationsgehalt und Engagement der Troeller-Beitr\u00e4ge lie\u00dfen alles andere, was zu dieser Thematik gesendet wurde, sofort weit hinter sich, weckte aber auch umgehend Kritik und Proteste der Kolonialismuslobby. Diese konnte sich stets, offenbar m\u00fchelos, Bremer und anderer Rundfunkr\u00e4te bedienen, um gegen Troeller Stimmung zu machen. Die ARD-Fernsehhierarchie war nicht immer ein guter Schutz gegen solche Stimmungsmache, meist wegen fehlender Sachkenntnis und h\u00e4ufig auch aus Abneigung dagegen, westliche Entwicklungsmodelle und Vorstellungen kritisch durchleuchten zu lassen. Aber Radio Bremen blieb wenigstens fest.<\/p>\n Einer der ersten Volltreffer der Serie Im Namen des Fortschritts war eine Reportage \u00fcber Gabun (Verarmungshilfe), dessen Diktator im Bund mit westlichen Kapitalisten das Land ruinierte. Auch im Bremer Fernsehausschu\u00df fanden sich zeternde Stimmen, da sei Troeller zu weit gegangen. Als Jahre sp\u00e4ter alle Welt erkannt hatte (zu haben glaubte), wie korrupt das dortige Regime war, wollte sich wohl kein Bremer Rundfunkrat an seine damalige obrigkeitsfromme Haltung erinnern.<\/p>\n Im Grunde waren alle Beitr\u00e4ge der Serie Volltreffer.<\/p>\n Gordian Troellers Aufstieg zum f\u00fchrenden Dokumentaristen dessen, was Im Namen des Fortschritts in der Dritten Welt angerichtet wurde, ist nicht zu trennen von Marie-Claude Deffarge. Sie war seine langj\u00e4hrige Lebensgef\u00e4hrtin, zusammen mit ihr hatte er seine ersten Erfahrungen in diesen L\u00e4ndern gesammelt (Auftakt: Persien). Sie war eine der f\u00e4higsten franz\u00f6sischen Spezialistinnen f\u00fcr Fragen der sogenannten ‚Entwicklungsl\u00e4nder‘. Ihre Kenntnisse, ihre Dokumentationsarbeit verschafften dem Paar einen Vorsprung an Einsicht und Kenntnis, den niemand aufholen konnte. Marie-Claude Deffarge sorgte daf\u00fcr, da\u00df das, was Gordian Troeller in seinen Filmreportagen aussagte, stets belegbar war. Das hatte das Paar schon zu einem idealen Reportergespann f\u00fcr den Stern gemacht, f\u00fcr den es um die Welt gereist war, bis das Blatt sein Interesse an dieser Thematik verlor. Und das machte dann, als die beiden f\u00fcr das Fernsehen arbeiteten, die von wenig Sachkunde getr\u00fcbten Proteste so mancher Rundfunkr\u00e4te noch l\u00e4cherlicher.<\/p>\n Marie-Claude Deffarge konnte schlie\u00dflich wegen schlechter Gesundheit nicht mehr reisen. Sie starb 1984, w\u00e4hrend Troeller gerade in Afrika filmte.<\/p>\n Auf Im Namen des Fortschritts folgten andere Troeller-Reihen – was die St\u00e4rke der ersten Serie ausgemacht hat, pr\u00e4gte auch sie und kennzeichnet auch jetzt seine Arbeit.<\/p>\n Wir m\u00fcssen hoffen, da\u00df die ARD im Gerangel um Einschaltquoten Troeller nicht nur nach diesen misst – seine Beitr\u00e4ge sind ohnehin schon von 45 auf 30 Minuten gek\u00fcrzt worden. Er ist ein Markenzeichen der ARD.<\/p>\n Aus:<\/em> Wie Gordian Troeller zu Radio Bremen kam Daf\u00fcr, da\u00df Gordian Troeller einer der best\u00e4ndigen gro\u00dfen Autoren des deutschen Fernsehens werden w\u00fcrde, sprach am Anfang seiner Karriere als filmender Zeitzeuge so gut wie nichts. Gewi\u00df – er war einer der bekanntesten Stern-Reporter gewesen, bevor er umsattelte. 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\nAls ich Chefredakteur von Radio Bremen wurde, stand f\u00fcr mich l\u00e4ngst fest, da\u00df Troeller im Fernsehen einen besseren Platz haben m\u00fcsse. Noch bevor ich meinen Schreibtisch in Bremen-Osterholz bezog – ich amtierte zun\u00e4chst im H\u00f6rfunk – \u00fcberzeugte ich ihn, da\u00df er beim kleinsten ARD-Sender besser aufgehoben sein w\u00fcrde als beim zweitgr\u00f6\u00dften. Mein Trumpf war, ihm von vornherein einen regelm\u00e4\u00dfigen Sendeplatz im ersten Programm anbieten zu k\u00f6nnen. Ich sicherte ihm drei ‚Feature‘-Termine pro Jahr zu, und das unbefristet.<\/p>\n
\nKein Respekt vor heiligen K\u00fchen, Gordian Troeller und seine Filme<\/em>
\nHerausgeber: Joachim Paschen<\/em>
\nBremen, 1992<\/em><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"