{"id":55242,"date":"2017-05-16T21:26:42","date_gmt":"2017-05-16T19:26:06","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=55242"},"modified":"2021-03-16T13:16:42","modified_gmt":"2021-03-16T12:16:42","slug":"italien-urlaub-liebe-inbebgriffen","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/zeitungsreportagen\/italien-urlaub-liebe-inbebgriffen\/","title":{"rendered":"Urlaub, Liebe inbegriffen (Italien)"},"content":{"rendered":"

Stern, Heft 35 , 27. August 1960
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Urlaub, Liebe inbebgriffen<\/strong><\/p>

Wir sind das eigentliche Reiseziel der Millionen Urlauberinnen aus dem Norden, sagen Italiens M\u00e4nner. Denn wir sind die leidenschaftlichsten Liebhaber, die feurigsten Verf\u00fchrer und die m\u00e4nnlichsten M\u00e4nner. Stimmt das?<\/strong><\/p>

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Das Modell
<\/strong> m\u00e4nnlicher Vollkommenheit ist der David von Michelangelo, der seit Jahrhunderten in Florenz steht. Er ist eines der vollendeten Symbole jener klassisch-italienischen Sch\u00f6nheit, die der erste Anl\u00df der \u201eItalienreise\u201c war<\/em><\/p>

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In allen St\u00e4dten,<\/strong> am Strand und vor den Kirchen Italiens wartet jetzt der moderne David auf die Urlauberinnen. Er l\u00e4\u00dft sich nicht mehr stumm bewundern wie sein Vorbild in Florenz. Selbstherrlich fordert er Liebe und bietet Amore<\/em><\/p>

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Ich mu\u00df es doch wissen\u201c, beteuert Amadeo, ein r\u00f6mischer Maler, \u201emir haben f\u00fcnfzig, was sage ich, Hunderte von Ausl\u00e4nderinnen gesagt, da\u00df sie uns Italiener allen anderen M\u00e4nnern der Welt vorziehen. Aber daf\u00fcr braucht ihr blonden Knaben nicht gleich Zeter und Mordio zu schreien. Das h\u00e4ngt vom Klima ab. Je weiter man nach S\u00fcden kommt, umso feuriger sind die M\u00e4nner.\u201c
\u201eDann m\u00fcssen die Neger, besonders am \u00c4quator, die besten von allen sein\u201c, werfe ich schnell durch seine fuchtelnden Arme hindurch, denn bei Amedeo ist es immer schwierig zu Wort zu kommen, weil er jeden Einwand mit seinen H\u00e4nden abf\u00e4ngt. \u201eWenn nur das Klima entscheidend w\u00e4re, sollten die Nordeurop\u00e4erinnen ihre M\u00e4nnersafari nach dem Kongo verlegen und euch endlich etwas Ruhe g\u00f6nnen. Meinst du nicht auch?\u201c
\u201eQuatsch\u201c, br\u00fcllt er mich an. \u201eDeine verdrehten Schlu\u00dffolgerungen bringen mich nicht aus dem Konzept. Ich spreche aus pers\u00f6nlicher Erfahrung, das d\u00fcrfte Beweis genug sein. Wenn der Krieg um Amore zwischen Norden und S\u00fcden so weitergeht, werdet ihr eure Frauen noch einsperren oder die Frage vor den Sicherheitsrat bringen.\u201c
Wir sitzen in Rom, bei \u201eCanova\u201c auf der Piazza die Popolo und diskutieren seit Stunden das Problem \u201eitalienischer Mann\u201c, das zum Zeitungskrieg zwischen Italien und Nordeuropa auszuarten droht. Ich habe sechs Jahre in Italien gelebt und kenne die Italiener recht gut; Aber ich hielt es doch f\u00fcr richtig, sie noch einmal unter die Lupe zu nehmen, und zwar ganz besonders ihr Verh\u00e4ltnis zu den n\u00f6rdlichen Touristinnen, deren Hauptanziehungspunkt sie zu sein glauben.<\/p>

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Ob jung, ob alt,<\/strong>die meisten Frauen f\u00fchlen sich in Italien verzaubert, weil sie auf Schritt und Tritt offen bewundert und umworben werden. F\u00fcr jede kann die Reise durch Italien ein fraulicher Triumphzug sein. Sie f\u00fchlt sich h\u00fcbscher, sicherer, bedeutender, weil tausend Blicke ihr sagen: Dich gibt es, ich hab\u2019 dich gesehen. Wenn in Deutschland ein Mann bewundernd aus der grauen Menge hervortritt, oder ein lockender Pfiff erklingt, findet man das vulg\u00e4r. In Italien, im Taumel des Urlaubs, wird es zur himmlischen Musik<\/em><\/p>

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Ob h\u00fcbsch, h\u00e4\u00dflich,<\/strong>es wird geguckt. Das ist kein Huldigung der Sch\u00f6nheit, kein Tribut an die Frau. Das ist ganz primitive m\u00e4nnliche Besessenheit, die keinem Rock begegnen kann, ohne den Kopf zu recken. Man ist kein Kerl, wenn man nicht fordernd die Augen erhebt oder die Stimme. Ein Waschlappen, wenn man nicht versucht zu verf\u00fchren. Wie k\u00f6nnte es auch anders sein.? Der Typ des modernen jungen M\u00e4dchens, der sich in Nordeuropa seit Jahrzehnten durchgesetzt hat, ist in Italien eine Ausnahme. Der italienische Mann verweigert der italienischen Frau sogar die Freiheit, mit ihm selber zu flirten. Er spart seine Liebeshunger den ganzen Winter hindurch auf, bis der Sommer die Frauen aus dem Norden bringt, wo der Mensch freier und die Liebe nicht \u201aschmutzig\u2018 ist<\/em><\/p>

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Marie-Claude, meine Mitarbeiterin, ist auch dabei, denn ich kann mich schlecht als Frau verkleiden, um die Taktik der \u201ePapageien\u201c und \u201eH\u00e4hne\u201c zu erforschen. Papageien oder H\u00e4hne (Galli) nennen die Italiener alle M\u00e4nner, die mit Worten, Gesten und Geb\u00e4rden die Stra\u00dfen Italiens zur Snackbar der Liebe gemacht haben.Da geht wieder gerade ein Rudel vorbei. Die \u201eGalli\u201c sind auf der Jagd. Sie stellen sich auf die Treppen von Santa Maria del Popolo, um den ganzen Platz \u00fcbersehen und sich blitzschnell auf jedes einsame Wild st\u00fcrzen zu k\u00f6nnen.
Marie-Claude geht langsam auf die Kirche zu.
\u201eBella-bella, quant\u2019e bella!\u201c
Der erste \u201ePapagei\u201c pfeift bewundernd durch die Z\u00e4hne hinter Marie-Claude her. Atmet lauter, unregelm\u00e4\u00dfiger, schneller. Das soll Erregung verraten und Leidenschaft \u00fcbertragen. Er ber\u00fchrt ihren Arm.
\u201eAmericana?\u201c fragt er.
\u201eNein.\u201c
\u201eNon importa \u2014 ohne Bedeutung, Hauptsache Sie sind Ausl\u00e4nderin. Verheiratet?\u201c will er wissen.
\u201eJa\u201c, l\u00fcgt Marie-Claude, um zu sehen, wie es weitergeht.
\u201eMit einem Italiener?\u201c
\u201eNein.\u201c
\u201ePoveretta \u2014 Sie \u00c4rmste, Sie Ungl\u00fcckliche. Dann sind Sie an dem Gl\u00fcck ihres Lebens vorbeigegangen. Wie sollen Sie da wissen, was Liebe ist. Welch unverzeihliche S\u00fcnde einer so bezaubernden Frau.\u201c
Der \u201ePapagei\u201c stellt den Rhythmus seines Atems auf Bedauern um. Er tritt einen Schritt zur Seite, um deutlich zu machen, da\u00df er Marie-Claude ganz sehen will. Ein von Mitleid erf\u00fcllter, etwas ironischer Blick gleitet \u00fcber sie. Zun\u00e4chst abw\u00e4gend kritisch \u2013 dann verzaubert. Die Atmungsaktivit\u00e4t in den vierten Gang geworfen \u2013 der Papagei fl\u00fcstert vertr\u00e4umt:
\u201eUnd dabei sind Sie wie geschaffen f\u00fcr die Liebe. F\u00fcr die italienische nat\u00fcrlich. Was sind die anderen schon wert? \u2013 Love, Liebe, Amore\u2014 che fregatura per voi donne \u2014 welcher Schwindel f\u00fcr euch Frauen. Amore das ja. Amore bedeutet richtige M\u00e4nner. I veri maschi siamo noi! \u2014 die echten M\u00e4nner sind wir!\u201c
Dieser stolzer Gockelschrei sich selbst preiskr\u00f6nender \u201eH\u00e4hne\u201c begr\u00fc\u00dft herausfordernd jeden Rock, der sich jenseits der Alpen zeigt. Und ert\u00f6nt wie ein siegesbewu\u00dfter Kriegsruf von Palermo bis Mailand. Als ich in Italien wohnte, hatte ich mich daran gew\u00f6hnt wie an den italienischen Wein und die Spaghetti.
Wen st\u00f6rte der schon vor einigen Jahren das aufgeputzte Hahnentum der Italiener? Man k\u00fcmmert sich ebenso wenig darum, wie man sich um die Qualit\u00e4t des Chianti oder der italienischen K\u00fcche k\u00fcmmerte. Sie waren weder gut noch schlecht. Sie waren einfach italienisch, und das war das Entscheidende, wenn man nach dem S\u00fcden reiste.
Unsere Gro\u00dfv\u00e4ter haben schon \u00fcber die leidenschaftliche Pose der Italiener gelacht. Als echt italienisch ging sie \u00fcber s\u00e4mtliche B\u00fchnen Europas, und manchmal brannte ein adliges M\u00e4dchen mit ihrem italienischen Musiklehrer durch.<\/p>

Als ich das einem der Stra\u00dfenpapageien sage, meint er gelassen: \u201eWenn du mich herausfordern willst, bist du an der falschen Adresse. Unsere V\u00e4ter konnten sich nur deshalb nicht richtig durchsetzen, weil nur wenige eurer Frauen nach Italien kamen. Heute ist es anders. Acht Millionen kommen jedes Jahr. Acht Millionen k\u00f6nnen selber entscheiden. Sie sind die Schiedsrichter und Einsatz zugleich.\u201c
\u201eUnd f\u00fcr wen haben Sie sich entschieden?\u201c will ich wissen.
\u201eF\u00fcr uns nat\u00fcrlich\u201c, ruft er begeistert, \u201e du mu\u00dft zugeben, da\u00df wir das heimlich ersehnte Reiseziel aller nordischen Frauen sind. Was f\u00fcr die M\u00e4nner einmal Paris war, ist heute f\u00fcr die Frauen Italien.\u201c
\u201eUnd wie in Paris die jungen Damen der \u201eFolies Berg\u00e8res\u201c, so habt ihr euch tollk\u00fchn in die vorderste Reihe der Touristenschlacht geworfen.\u201c
\u201eGenauso ist es, wenn eure eifers\u00fcchtigen Gehirne das auch nicht wahrhaben wollen. Es gibt keinen Zweifel, die gro\u00dfe Attraktion Italiens sind wir.\u201c
Was konnte ich da noch antworten. Ich klopfe ihm auf die Schulter. \u201eNun gut, wenn ihr die Goldmedaille der olympischen Liebesspiele errungen habt und zur nationalen Sehensw\u00fcrdigkeit geworden seid, dann m\u00fc\u00dft ihr auch erlauben, da\u00df wir euch ein wenig unter die Lupe nehmen. Vielleicht k\u00f6nnen wir von euch lernen.\u201c
\u201ePrego \u2014 bitte\u201c, sagt er mit einer gro\u00dfz\u00fcgig einladenden Handbewegung, als \u00f6ffne er eine unsichtbare Pforte zu den Geheimnissen der M\u00e4nnerwelt Italiens. \u2013 \u201eDu wirst staunen.\u201c<\/p>

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Er gibt nie auf.<\/strong> Der Italiener ist von Jugend auf gewohnt, die Stra\u00dfe zur Snack-Bar der Liebe zu machen. Das Spiel mit den Blicken ist jedem so gel\u00e4ufig, da\u00df selbst Gro\u00dfv\u00e4ter nicht davon lassen k\u00f6nnen<\/em><\/p>

Gestaunt habe ich zun\u00e4chst \u00fcber die unglaubliche Zunahme der \u201eGalli\u201c. Sie sind nicht mehr, wie vor einigen Jahren, malerische Einzelg\u00e4nger, deren Gefl\u00fcster zum Urlaub geh\u00f6rte wie Meer und Sonne. Hundertausende haben sich in die Liebesschlacht zwischen Norden und S\u00fcden gest\u00fcrzt. Die Stra\u00dfen und Pl\u00e4tze, die Kirchen und S\u00e4ulen hallen wieder vom Kr\u00e4hen der \u201eH\u00e4hne\u201c und Schwatzen der \u201ePapageien\u201c.
Dagegen ist es ungew\u00f6hnlich still geworden in den kleinen Nebengassen. Wo man fr\u00fcher am Wochenende Schlange stand und brav wartete, bis man an die Reihe kam, ist Ruhe eingetreten. Die Regierung hat die H\u00e4user geschlossen. Es klingt nicht sch\u00f6n, aber die Italiener sagen es selber, da\u00df all diese M\u00e4nner die Touristenkonjunktur begriffen haben und jetzt ihren Happen Liebe auf der Stra\u00dfe suchen.
Bei dieser Inflation der Liebeshungrigen wird nicht mehr brav Schlange gestanden oder verf\u00fchrerisch gefl\u00fcstert. Es wird im Stile neapolitanischer Andenkenh\u00e4ndler laut gefeilscht und geschrien. \u2013 Anstelle der Postkarten, der bemalten Muscheln oder des Turms von Pisa aus Zucker, bieten die \u201eGalli\u201c die italienischen Liebe an als die wirklich un\u00fcbertreffliche Erinnerung an eine Italienreise.
Ich wei\u00df nicht, ob die f\u00fcr den Tourismus zust\u00e4ndigen Stellen ebenso konjunkturbewu\u00dft waren wie die Papageien der Stra\u00dfen. Auf alle F\u00e4lle hatten gesch\u00e4ftst\u00fcchtige Vertreter des Fremdenverkehrs im vorigen Jahr beschlossen, neben den \u00fcblichen Werbeplakaten auch das \u00fcberlebensgro\u00dfe Abbild des sch\u00f6nsten Italieners in die nordischen L\u00e4nder zu schicken. War nicht ein Teil der amerikanischen Kundschaft Italien untreu geworden, weil das marokkanische Propagandaministerium mit einem handfesten Berberkrieger um die Gunst der amerikanischen Touristinnen geworben hatte?
Schnell wurden sieben bekannte Malerinnen nach Sizilien eingeladen, um den sch\u00f6nsten Mann Italiens zu konterfeien. Aber das Plakat kam nie heraus.
Mittlerweile hatten sich im n\u00f6rdlichen Europa Stimme erhoben, die das angriffslustige Hahnentum der Italiener verurteilten. Schwedische, englische, deutsche Zeitungen sahen darin eine Gef\u00e4hrdung der jungen Touristinnen.
Die Stockholmer Presse stellte mit Besorgnis fest, da\u00df Ehescheidungen nach den Sommerferien besonders h\u00e4ufig sind und da\u00df zwei Drittel der betroffenen Frauen ihren Urlaub in Italien verbracht haben. Als diese Tatsache bekannt wurde, fuhren nicht etwa weniger Schwedinnen nach Italien, nein, die jungen Italiener begannen einen Liebesmarsch auf Schweden.
In Deutschland hie\u00df es in einer alarmierenden Statistik: 34 Prozent aller Verlobungsbr\u00fcche und Ehescheidungen sind auf Urlaubsreisen unbegleiteter Frauen nach Italien zur\u00fcckzuf\u00fchren.
Die Engl\u00e4nder zogen f\u00fcr sich daraus die Konsequenz. Sie schufen eine Versicherung, die sie sehr sinnf\u00e4llig \u201eRomeo\u201c nannten. Wenn eine Braut allein nach Italien reist, kann der vorsichtige Br\u00e4utigam sich gegen den Charme der Italiener versichern, indem er einige Pfund einzahlt und mehrere hundert erh\u00e4lt, falls seine Verlobte ihn nach der R\u00fcckkehr so langweilig findet, da\u00df sie die Verlobung l\u00f6st.<\/p>

\u201eWir sind die Besten“<\/strong><\/p>

Das Werbeplakat kam also nicht heraus. Daf\u00fcr aber warfen sich die italienischen Zeitungen in die Schlacht, die bis heute um den italienischen Mann tobt. Sie versuchten nicht, eine Entschuldigung oder Erkl\u00e4rung f\u00fcr den M\u00e4nnlichkeitsfimmel der Italiener zu finden. Im Gegenteil: Sie gebrauchten die gleichen Worte wie die H\u00e4hne der Stra\u00dfe. Zwischen Neapel und Rom, zwischen Mailand und Palermo mag es Streit geben, wenn es um Fu\u00dfball oder Radrennen geht. Wenn aber die M\u00e4nnlichkeit in Frage gestellt wird, dann reckt ganz Italien wie ein Mann den Kopf und schreit aus vollem Halse: \u201eWir sind die Besten!\u201c
\u201eIm S\u00fcden haben die Walk\u00fcren die Liebe kennengelernt\u201c, \u00fcberschreibt eine r\u00f6mische Abendzeitung stolz einen Artikel \u00fcber die deutschen Frauen. Erkl\u00e4rt die Zeitung: \u201eIn den wenigen Wochen, die sie in Italien verbringen, gew\u00f6hnen sich die nordischen Frauen derart daran, umworben, bewundert, gesch\u00e4tzt, begehrt, beneidet, umstritten, erobert zu werden, da\u00df sie sehr schwer ohne Folgen ihr Leben in der tr\u00fcben und kalten Atmosph\u00e4re ihrer Heimat wieder aufnehmen k\u00f6nnen.\u201c
Auf die Frage: \u201eWas hat denn der italienische Mann, da\u00df er so gef\u00e4llt?\u201c antwortet eine andere Zeitung: \u201eEs gef\u00e4llt eben den Frauen, der Verf\u00fchrung und der Faszination des Unwiderstehlichen zu unterliegen. Unsere Unwiderstehlichkeit gibt es seit Jahrhunderten. Sie hat seit jeher ihre Opfer gefordert: die Sabinerinnen, die Ostgotinnen des Alarich, die Negerinnen, die Anglo-Amerikanerinnen, die Japanerinnen sind von ihr erobert worden.\u201c
So viel Geschrei klingt verd\u00e4chtig. Schon der alte Freud meinte, man spreche immer am lautesten von dem, was einem am meisten fehle.<\/p>

Amore ohne Liebe<\/strong><\/p>

Wir beschlossen einmal die italienische Frau zu diesem Thema zu befragen. Die meisten sprachen von Entt\u00e4uschung und Verarmung der Liebe. \u201eAuf den \u201aGallo\u2018 k\u00f6nnen nur die Ausl\u00e4nderinnen hereinfallen\u201c, meint Vittoria eine Studentin, \u201edenn sie wissen nicht wie wir, da\u00df jedes Wort L\u00fcge ist.\u201c
\u201eSeit ich verheiratet bin, habe ich kein z\u00e4rtliches Wort mehr geh\u00f6rt\u201c, beklagt sich Maria, die Frau eines Industriellen. \u201eWenn wir zusammen ausgehen, schaut mein Mann nur fremde Frauen an.\u201c
\u201eIch habe einmal einem Mann geglaubt\u201c, erz\u00e4hlt eine Sekret\u00e4rin. \u201eDas hat mich die Liebe meiner Eltern gekostet und die Achtung dieses Mannes. Denn seither behandelt er mich wie ein Stra\u00dfenm\u00e4dchen und wird mich nat\u00fcrlich nie heiraten. Es w\u00e4re gegen seine Ehre, eine Frau zu heiraten, die nicht mehr Jungfrau ist, selbst wenn er der erste und einzige Mann gewesen ist.\u201c
Im Hause r\u00f6mischer Prinzen treffen wir die Filmschauspielerin Elsa Martinelli, die Weichenstellertochter, die einen Prinzen heiratete.
\u201eSie sind wundervoll, unsere M\u00e4nner\u201c, ruft sie mir begeistert zu. \u201eWo k\u00e4men wir hin, wenn wir unsere M\u00e4nner nicht allen anderen vorziehen w\u00fcrden? Ins Armenhaus der Liebe! Sie sind galant, aufmerksam, feurig, z\u00e4rtlich, gro\u00dfz\u00fcgig: Sie sind einfach himmlisch.\u201c
W\u00e4hrend ich diese Zeilen schreibe, erfahre ich, dass Elsa Martinelli sich jetzt von ihrem prinzlichen Gemahl trennt, weil er angeblich faul, brutal und unaufmerksam ist.
Nachdem wir Frauen aus dem Volke, Journalistinnen, Schauspielerinnen und Prinzessinnen befragt haben, wollen wir auch noch die Meinung einer Frau h\u00f6ren, die frei nach ihren Launen lebt und sich weder um die italienische Moral noch um die b\u00f6sen Zungen ihrer Mitmenschen k\u00fcmmert. Auf der Via Veneto im Caf\u00e9 de Paris treffen wir die Malerin Novella Parigini, die genau diesem Typ entspricht. Sie ist nicht verheiratet und kann frei sprechen.
\u201eIch m\u00fc\u00dfte mir Asche aufs Haupt streuen\u201c, meint sie, \u201evor drei Jahren flog ich nach Amerika, um den idealen Mann zu suchen. Welche Entt\u00e4uschung. Die Amerikaner komplizieren alles. Sie wollen geliebt werden und selber lieben, bevor sie zum Angriff \u00fcbergehen. Und wenn es einmal soweit ist, kann ein Mann sich nicht damit begn\u00fcgen einfach ein richtiger Kerl zu sein. Er will auch noch als Mensch verstanden, bewundert oder bemitleidet werden. \u2013 Das sind Waschlappen, wie die meisten M\u00e4nner des Nordens.\u201c
\u201eDer ideale Mann kann nur einer der unseren sein\u201c, ruft sie begeistert, \u201eein Mann des S\u00fcdens. Schon die tief in die Stirn reichenden Haare zeugen von animalischer M\u00e4nnlichkeit. Und hierum geht es doch. Welche Frau ist nicht gl\u00fccklich, wenn sie einmal richtig als Weib begehrt wird.\u201c<\/p>

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Was f\u00fcr den Hahn der Federschmuck, das ist f\u00fcr den italienischen Mann die Kleidung und die Pose<\/em><\/figcaption><\/figure><\/div>

\u201eIch spreche von richtigen Frauen, die brauchen richtige M\u00e4nner, wie unsere Italiener. Deren unverbl\u00fcmtes Verhalten ist alles andere als ordin\u00e4r. Es ist die ehrliche Haltung echter M\u00e4nner, die nicht zu vertuschen brauchen, was sie wollen.\u201c
\u201eWir wissen doch alle, worauf ein Mann aus ist. Warum tausend Umwege gehen, um doch am gleichen Punkt zu landen. Und wenn unsere M\u00e4nner von Liebe reden und sich vor Komplimenten \u00fcberschlagen, dann ist das umso aufregender, weil man genau wei\u00df, da\u00df sie zynisch bewu\u00dft den Schw\u00e4chen gewisser Frauen entgegenkommen und doch nur eines meinen: Sex.\u201c
Besser als durch dieses Bekenntnis ihrer Vorliebe konnte Novella Parigini kaum die Grundz\u00fcge umrei\u00dfen, die das Liebesleben der meisten Italiener bestimmen.
Etwas weniger deutlich, aber ebenso aufschlu\u00dfreich, weil von einem Mann, klingt die Antwort Quasimodos auf die Frage nach seinem Liebesleben: \u201eStia attento \u2013 Achtung!\u201c sagt der sizilianische Dichter und Nobelpreistr\u00e4ger, \u201eich habe den Ruf eines Don Juan, obwohl ich das genaue Gegenteil davon bin. W\u00e4hrend n\u00e4mlich der Don Juan alles nimmt, was er bekommen kann, habe ich mir die Frauen immer gut ausgesucht.\u201c
Quasimodo betont nur deshalb das W\u00e4hlerische in sich, weil jeder Italiener, der etwas auf sich h\u00e4lt, \u00fcberzeugt ist, der einzig wahre J\u00fcnger des Gro\u00dfmeisters der Liebhaber zu sein, und sein ganzes Leben damit verbringt, das zu beweisen.
Der \u201aGallo\u2018 ist stolz auf die Zahl seiner Eroberungen. Die Masse macht ihn gl\u00fccklich, weil er unter Liebe den schnellen Beweis seiner M\u00e4nnlichkeit versteht. Nichts mehr und nichts weniger. Die einzig ihm bekannte Form der Selbstbest\u00e4tigung. Hierzu ist die Auswahl, die Zuneigung, Z\u00e4rtlichkeit oder menschliches Interesse voraussetzt, vollkommen \u00fcberfl\u00fcssig.
Aber sein Hemd oder seine Socken sucht der \u201aGallo\u2018 mit der gr\u00f6\u00dften Sorgfalt aus. Man sieht ihn oft tagelang vor den Gesch\u00e4ften auf und ab gehen, bevor er eine Entscheidung trifft. Eine Frau will man ohnehin nur f\u00fcr einen Tag oder eine Woche, aber Socken sollen lange halten und m\u00fcssen zeigen, wer man ist. Kleider, Schuhe, Autos, Krawatten sind, wie beim Hahn die Federn, stolze Beweise der M\u00e4nnlichkeit und werden als solche getragen und benutzt.
Nicht umsonst blicken die Italiener voller Mitleid und Verachtung auf die unauff\u00e4llige Eleganz des Nordens oder die ungezwungene Kleidung der Franzosen. Aus ihrer Hahnenperspektive heraus k\u00f6nnen sie nicht begreifen, da\u00df der Anzug nicht unbedingt im Verh\u00e4ltnis zur Potenz stehen mu\u00df. Und schon glauben sie, da\u00df man ein kalter Fisch ist und ein unbegabter Liebhaber, wenn man sich nicht herausputzt.<\/p>

Gesicht ist Nebensache<\/strong><\/p>

Ich habe vielleicht etwas \u00fcbereilt behauptet, da\u00df der \u201aGallo\u2018 die Frauen vollkommen unbesehen nimmt. Wenn er sich mit einer \u00f6ffentlich zeigen kann, wird er wieder w\u00e4hlerisch. Dann wird seine Begleiterin, wie Jacke und Socken, eine weit schillernde Hahnenfeder im Gewand seiner M\u00e4nnlichkeit.
\u201eAm Sonntag, wenn ich mir das hellblaue Hemd anziehe mit den wei\u00dfen Streifen und meine Verlobte den kurzen roten Rock mit dem eng anliegenden Pullover, dann sollst du mal sehen, was f\u00fcr einen Eindruck ich mache\u201c, sagt mir ein Junge aus Trastevere, der in der Woche hinter Ausl\u00e4nderinnen herl\u00e4uft und sonntags brav mit seiner \u201eVerlobten\u201c ins Kino geht. \u201eBei der Frau sind Form und Farbe wichtig, denn wer dreht sich schon nach einem Gesicht um.\u201c<\/p>

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Ins Gesicht<\/strong> blickt der italienische Mann einer Frau selten. Er will gar nicht wissen, wer sie ist oder was sie denkt. Er will nur sehen, wie sie ist. F\u00fcr ihn ist sie Figur. Alles andere ist ohne Bedeutung<\/em><\/p>

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Ich habe viele Italiener nach der Augenfarbe ihrer letzten Eroberung gefragt. Die meisten sagten auf gut Gl\u00fcck \u201eblau\u201c, weil es sich immer um Ausl\u00e4nderinnen handelte. Dann l\u00e4chelten sie verschmitzt, und nach ein paar Witzen \u00fcber die v\u00f6llige Nutzlosigkeit der Augen gaben sie zu, es nicht zu wissen.
\u201eAufmerksam ins Gesicht schauen wir den Ausl\u00e4nderinnen nur, wenn sie wegfahren\u201c, meint Aldo, ein neapolitanischer Schriftsteller. \u201eVorher hat das kaum einen Sinn und kann nur belasten. Beim Abschied aber wollen wir wissen, wie weit wir sie besessen haben. Da kann uns nur das Gesicht die Antwort geben. Wir wollen sehen, ob sie l\u00e4cheln, traurig sind oder weinen. Nur wenn sie richtig weinen, sind wir gl\u00fccklich.\u201c
\u201eHo fatto piangere una straniera \u2013 ich habe eine Ausl\u00e4nderin zum Weinen gebracht\u201c, ist der sch\u00f6nste Siegesschrei mit dem ein Gallo in den Kreis seiner Freunde hineinplatzen kann, um Bewunderung zu fordern.
Ich habe nie herausfinden k\u00f6nnen, was wichtiger f\u00fcr ihn ist: von den Tr\u00e4nen einer Ausl\u00e4nderin zu sprechen, oder die Umst\u00e4nde der Eroberung zu erz\u00e4hlen. Eins aber ist sicher: das Erz\u00e4hlenk\u00f6nnen als solches ist wichtiger als das eigentliche Erlebnis. Es geht darum, sich selber zu beobachten und zu bewundern, meisterhaft und selbstsicher die Rolle des Hahnes zu spielen und dann, von sich selber berauscht, so schnell wie m\u00f6glich zu seinen Freunden zu rennen, um nochmals, und jetzt erst richtig, weil vor Zeugen und Kennern und neidischen Blicken, den Sieg des echten Mann ist zu feiern.
\u201eDie war gar nicht so einfach. Ich hab\u2019 mich halb tot quatschen m\u00fcssen. Na, ja, es dauert immer eine Weile, bis man wei\u00df, welche Tour verlangt wird. Als sie mir beim direkten Angriff die Handtasche um den Kopf schlug, schaltete ich schnell um. Die romantische Tour wirkte Wunder. Ihr wi\u00dft ja: Liebe, Italien, wundersch\u00f6n, immer, ewig und son Quatsch. Aber das gen\u00fcgte auch nicht. Als ich ihr sagte, ich sei ein armer Student, der hier Hungers sterbe und nur auf diese Weise englisch lernen k\u00f6nne, schmolz sie f\u00f6rmlich dahin.
Dann hatte ich einen Eisberg in den Armen. Typisch englische Fantasielosigkeit \u2026\u201c Nach einer halben Stunde eingehender Schilderung beschlie\u00dft der Gallo selbstzufrieden seine Erz\u00e4hlung: \u201eE adesso \u00e8 pazza per me – und jetzt ist sie verr\u00fcckt nach mir. Sie konnte es gar nicht oft genug sagen. Verliebt, wie es nur eine Engl\u00e4nderin sein kann. \u00dcbrigens, ich bringe sie morgen mit. Wenn einer von euch sie haben will.\u201c
Der Gallo steht l\u00e4ssig auf, sein Ruf f\u00fcr ist mindestens eine Woche gesichert, er reckt sich: \u201eAndiamo ragazzi, vielleicht k\u00f6nnen wir heute noch eine abschie\u00dfen.\u201c
\u201eSie ist verr\u00fcckt nach mir, sie liebt mich wahnsinnig\u201c, sind S\u00e4tze, die wie ein Leitmotiv immer wiederkehren, wenn die Galli sich siegestrunken ihre Geschichten erz\u00e4hlen. Nie habe ich einen Italiener sagen h\u00f6ren, dass e r verliebt sei oder gar liebe. \u2013
So etwas gibt es einfach nicht. Das darf es nicht geben, denn es w\u00fcrde Schw\u00e4che bedeuten, und den Sexkalender zum Tagebuch der Einf\u00f6rmigkeit machen. Ein richtiger Gallo f\u00fchrt ein Buch in dem die Summe seiner m\u00e4nnlichen Eroberungen zum Barometer seiner Selbstachtung wird. Meist wird nat\u00fcrlich in diesen B\u00fcchern feste gemogelt, weil man sie seinen Freunden zeigt oder wie durch Zufall herumliegen l\u00e4sst.<\/p>

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Allein oder in Begleitung, er kann nicht anders, er mu\u00df nach jedem Rock schielen, der vorbeikommt. Er w\u00fcrde an seiner M\u00e4nnlichkeit zweifeln, wenn seine Blicke nur noch einer Frau geh\u00f6ren w\u00fcrden. Keine Gelegenheit zur Selbstbest\u00e4tigung bleibst ungenutzt<\/em><\/figcaption><\/figure>

Jetzt m\u00f6chten wahrscheinlich viele Frauen, die in Italien Freundschaften geschlossen haben, da\u00df ich vor ihnen st\u00fcnde, damit sie mir voller Entr\u00fcstung diese Bl\u00e4tter um die Ohren schlagen k\u00f6nnten.
Sie haben nat\u00fcrlich ganz andere Dinge erlebt. Und sie sind Frauen und m\u00fcssen es wissen. Man hat ihnen gesagt, da\u00df sie bezaubernd seien, da\u00df man sie liebe, verehre, begehre, da\u00df sie wie Rosen riechen, wie G\u00f6ttinnen gondeln, die Schw\u00e4ne schwimmen.
Ihre Freunde waren nicht unbedingt z\u00e4rtlich. Warum auch? Daf\u00fcr waren sie faszinierend leidenschaftlich, hinrei\u00dfend direkt und so toll verliebt, ja verliebt, da\u00df sie sich kaum zur\u00fcckhalten konnten, sie auf offener Stra\u00dfe in die Arme zu nehmen.
Beweise? Wenn man nicht an ihnen h\u00e4ngen w\u00fcrde wie am eigenen Leben, w\u00fcrde man mir auch die Liebesbriefe an den Kopf werfen, die man aus Italien erhalten hat und in denen geschrieben steht, da\u00df man geliebt wird, richtig geliebt, schwarz auf wei\u00df, von einem echten Mann.
Nun mag es aber der Zufall wollen, da\u00df ich diese Briefe wiedererkenne, weil ich sie selber geschrieben oder \u00fcbersetzt habe. Denn in den sechs Jahren, die ich in Italien verbracht habe, mu\u00dfte ich viele Liebesbriefe dieser Art f\u00fcr Bekannte und Freunde \u00fcbersetzen. Das erlaubte mir, die Mentalit\u00e4t des italienischen Mannes zu studieren.
Das war zu Anfang noch recht einfach. Wir hatten uns auf einige leidenschaftliche Texte geeinigt, die zu verschiedenen Situationen pa\u00dften. Je nach Bedarf wurde dieser oder jener kopiert. Manchmal sandte ein Bekannter an ein und demselben Tag sieben oder acht Briefe gleichen Inhalts an ebenso viele Adressen in verschiedenen L\u00e4ndern.
Zun\u00e4chst fand ich das langweilig. Als dann aber die Antworten kamen, und ich auch diese \u00fcbersetzen mu\u00dfte, wurde das Spiel zwar teilweise spannender, oft jedoch zum peinlichen Gewissenskonflikt.
Ich hatte pl\u00f6tzlich viele Br\u00e4ute, die von Liebe sprachen und um Liebe baten. Von diesen Frauen erfuhr ich Geheimnisse, die den eigentlichen Empf\u00e4nger gar nicht interessierten. Er wollte nur eins wissen: ob irgendwo im Norden ein Herz h\u00f6her schlage, wenn es an ihn denke.  Er wollte auch auf die Entfernung noch Besitzer und Mann sein. Wenn ich den ganzen Brief \u00fcbersetzen wollte, hielt er mich schnell zur\u00fcck: \u201eLangweilig, sag mir nur, ob sie noch verr\u00fcckt nach mir ist.\u201c Und wenn eine \u201emeiner\u201c vielen Br\u00e4ute schrieb, da\u00df sie sich nun in ihrer Heimat verlobt habe und bald heiraten werde, dann wurden Galli ungeduldig, weil ich ihre Briefe nicht mehr \u00fcbersetzen wollte, die jetzt leidenschaftlicher wurden denn je und vor Sehnsucht \u00fcberflossen. Wenn ich wissen wollte, warum, erhielt ich fast immer die gleiche Antwort: \u201eSo leicht kommt man von mir nicht weg. Die darf keine Ruhe haben. Die mu\u00df ihren Mann jeden Tag in Gedanken mit mir betr\u00fcgen.\u201c
Sie gingen davon und lie\u00dfen die \u00dcbersetzungen woanders machen. Ich aber schrieb dem M\u00e4dchen einen Brief, der ihm vielleicht wehtat und ihm eine liebe Erinnerung zerst\u00f6rte, der aber gerade deshalb die Zukunft rettete.
Die auf der Stra\u00dfe und wo auch immer gesprochenen Worte der Liebe haben nicht mehr Bedeutung als die Beteuerungen der Briefe. Sie sind fantasievolle Publicity.
Man mu\u00df zugeben, da\u00df die italienischen M\u00e4nner es meisterhaft verstehen, ein psychologisches Klima zu schaffen, das die weibliche Liebesbereitschaft unwiderstehlicher anspricht als die sachliche Atmosph\u00e4re des Nordens.<\/p>

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Er zieht sich aus,<\/strong> um zu frisieren. Auf Ischia f\u00fchrt Claudio einen Damensalon,  in dem er die Urlauberinnen auffordert, eben so leicht bekleidet zu kommen wie er. Busine\u00df mit Sex \u2013 oder Sex mit Busine\u00df?<\/em><\/p>

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Da lebt so ein M\u00e4dchen in M\u00fcnchen, Kassel oder Bremen. Es hat vielleicht einen Freund, in den es verliebt ist \u2013 oder nicht. Sie geht ins Kino und auch mal tanzen. Im B\u00fcro versuchen die Kollegen mit ihr anzub\u00e4ndeln und erlauben sich mal eine Frechheit.
Aber aufregend ist es nicht. Da bleibt keiner auf der Stra\u00dfe stehen, um einem zu bewundernd nachzuschauen, oder sagt voller \u00dcberzeugung etwas H\u00fcbsches. Meistens regnet es auch noch, und man mu\u00df sich so verh\u00fcllen, da\u00df es \u00fcberhaupt nichts mehr anzugucken gibt. Die Kolleginnen behaupten sogar, man habe dicke Beine und eine unm\u00f6gliche Figur. Aber die sind nur eifers\u00fcchtig, weil man einen festen Freund hat und gl\u00fccklich ist.
Gl\u00fccklich? Was will das schon hei\u00dfen? Man geht aus, k\u00fc\u00dft sich; er hat einen kleinen Wagen, man ist verliebt. Aber aufregend ist das nicht. In Filmen und B\u00fcchern ist das ganz anders. Da setzen M\u00e4nner ihr Leben ein f\u00fcr eine Frau oder stammeln und weinen aus Liebe.
Dieses Au\u00dferordentliche, diese Traumwelt gibt es im wahren Leben nur f\u00fcr ganz wenige. Deshalb geht man ja ins Kino und liest alles \u00fcber Soraya und Margaret, um wenigstens aus zweiter Hand das Ungew\u00f6hnliche mitzuerleben. Im Grunde h\u00e4lt man sich ja auch f\u00fcr h\u00fcbsch und begehrenswert. Genau betrachtet ist man eben so sch\u00f6n wie all diese Frauen, von denen man spricht. Aber wer sagt das einem schon mal. Wenn die andern nur w\u00fc\u00dften, was alles in diesem Herzen drinsteckt. Wenn sie nur verstehen w\u00fcrden, es herauszuholen.
Nun steigt man in Rom aus dem Zug. Schon an der Sperre schaut der Kontrolleur nicht mechanisch auf den Fahrschein, sondern bewundernd auf den Busen. Er fragt nicht m\u00fcrrisch, ob man einen R\u00fcckfahrschein habe, sondern murmelt irgend etwas wie sch\u00f6n oder gut, oder was es auch sei. Man wei\u00df nur, da\u00df es bewundernd klingt \u2013 und man f\u00fchlt sich gar nicht schockiert.
Im Gegenteil, es prickelt \u00fcberall. Der Gang durch die Bahnhofshalle ist ein richtiger Triumphzug. Blicke von allen Seiten. Augen, die H\u00e4nde werden. W\u00fcnsche, die nach einem greifen, als sei man die einzige Frau auf der ganzen Welt. Man geht pl\u00f6tzlich ganz anders, sicherer, beschwingter.
Da sagt schon wieder einer etwas Wunderbares. Und hier will einer den Koffer tragen. Darf er das? Warum nicht? Er sieht nett aus. Er spricht sogar englisch. Na, sowas, auch auf Englisch kann man all diese Worte sagen, nach denen man immer einen heimlichen Hunger hatte.
Man nimmt ein Taxi, und selbst der Chauffeur pfeift bewundernd durch die Z\u00e4hne. Was ist denn nur los? Ist man nicht mehr dieselbe? Offensichtlich nicht, denn wenn man nach f\u00fcnf Minuten vor dem Hotel vorf\u00e4hrt, hat der freiwillige Koffertr\u00e4ger schon mehr verzaubernde Worte gesagt als der Freund zu Hause in den letzten zwei Jahren.
Und wieder diese Blicke in der Hotelhalle. Zu Hause gab es ja auch mal Blicke. Aber die waren irgendwie schr\u00e4g und verstohlen krumm, als wollten sie heimlich etwas wegnehmen.
Hier blitzen die Augen ganz gerade mit offener Bewunderung genau dorthin, wo man sich nie so ganz sicher f\u00fchlte. Und sie machen gar nicht unsicher, sie geben Vertrauen. Pl\u00f6tzlich hat man einen richtigen Busen, richtige H\u00fcften, richtige Beine. Ja, jeder Blick ist ein Geschenk an jene Traumfrau, die man immer sein wollte.
Man kann gar nicht schnell genug wieder auf der Stra\u00dfe sein, um dieses herrliche Gef\u00fchl, Frau zu sein, nicht wieder los zu werden. Und wenn sich dann ein h\u00fcbscher Junge anbietet, die Sch\u00f6nheiten der Stadt zu zeigen, und dabei nur von den Sch\u00f6nheiten seiner Begleiterin spricht \u2013 ja, was soll man da machen? \u2013
Das Mi\u00dfverst\u00e4ndnis ist komplett: Durch den Dunst des eigenen Anerkennungsbed\u00fcrfnisses sieht man Feuer, wo nur Rauch ist. Redeschwall wird zu Gef\u00fchl, Vulgarit\u00e4t zu Potenz, Technik zu Leidenschaft, sentimentaler Bluff zu Romantik. Das \u201eitalienische Wunder\u201c vollzieht sich: Was ein nicht weniger j\u00e4mmerlicher Ersatz ist als der Anbiederungsversuch eines Betrunkenen, wird hier, im Taumel des Urlaubs \u2013 zur Liebe.
Und nun glaubt der italienische Mann, da\u00df er der beste, der unvergleichliche Liebhaber Europas sei.
Dabei ist sein Heldentum die Folge selbstverschuldeter Not. Er ist das Opfer einer heuchlerischen Moral, f\u00fcr die nur er, der Mann und Hahn, verantwortlich ist, einer Gesellschaftsform, die ihm die M\u00f6glichkeit zur Liebe verwehrt und Stauungen schafft, die zur \u00dcberbewertung des Sexuellen f\u00fchren.
Es ist kein Geheimnis, da\u00df nirgends so wenig geliebt wird wie in Italien. S\u00fcdlich der Alpen beginnt in der Tat das seelische Notstandsgebiet Europas. Hier hat der Mann die Frau eingesperrt. Er hat ihr verboten, ein Mensch zu werden, der das Recht hat, \u00fcber sich selber zu bestimmen. Aus ihrer Versklavung hat er ein Symbol seiner Ehre gemacht, aus der Jungfr\u00e4ulichkeit einen Scheck auf die Zukunft.
Die aus dieser Einstellung entspringende Verarmung des Liebeslebens und jeder menschlichen Beziehung ist katastrophal. Alles wird auf einen Nenner gebracht. Die fetischistische \u00dcberbewertung des Sexuellen zwingt die Frauen hinter Gitter, die M\u00e4nner auf die Stra\u00dfe. Hier rotten sie sich dann zusammen wie hungrige W\u00f6lfe und k\u00f6nnen nur noch an das denken, was ihnen fehlt: die Frau. Und wie arbeitslose Saisonarbeiter warten sie auf den Sommer, der die freien Frauen des Nordens bringt, deren Ehre ja nicht die ihre ist.
Es gibt kaum einen traurigeren Anblick als die Stra\u00dfen und Pl\u00e4tze der italienischen Kleinst\u00e4dte, wo sich die M\u00e4nner Tag f\u00fcr Tag zu ihrem erotischen Hungermarsch versammeln. Selbst in Florenz, Rom oder Neapel ist das Stadtbild nicht von Paaren und P\u00e4rchen beherrscht, sondern von M\u00e4nnern, die in Gruppen stehen und Frauen, die zu zweit gehen.
Man starrt die Frau an, ruft ihr nach oder rennt hinterher \u2013 aber Liebe ist das nicht.
Die Liebe gleicht jenen spanischen Herbergen, in denen man nur das bekommt, was man selber mitbringt.<\/p>","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Stern, Heft 35 , 27. August 1960 Urlaub, Liebe inbebgriffen Wir sind das eigentliche Reiseziel der Millionen Urlauberinnen aus dem Norden, sagen Italiens M\u00e4nner. Denn wir sind die leidenschaftlichsten Liebhaber, die feurigsten Verf\u00fchrer und die m\u00e4nnlichsten M\u00e4nner. Stimmt das? Das Modell m\u00e4nnlicher Vollkommenheit ist der David von Michelangelo, der seit Jahrhunderten in Florenz steht. Er…<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":55312,"parent":54012,"menu_order":9,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","template":"","meta":{"_seopress_robots_primary_cat":"","_seopress_titles_title":"","_seopress_titles_desc":"","_seopress_robots_index":"","footnotes":""},"categories":[529],"tags":[],"class_list":["post-55242","page","type-page","status-publish","has-post-thumbnail","hentry","category-italien","entry","has-media"],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/55242"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/types\/page"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=55242"}],"version-history":[{"count":5,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/55242\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":63993,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/55242\/revisions\/63993"}],"up":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/54012"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/media\/55312"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=55242"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=55242"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=55242"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}