{"id":55282,"date":"2017-06-02T15:43:02","date_gmt":"2017-06-02T13:43:02","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=55282"},"modified":"2022-06-22T23:34:04","modified_gmt":"2022-06-22T21:34:04","slug":"ein-schah-drei-kaiserinnen-und-was-dahinter-steckt-i","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/zeitungsreportagen\/iran\/ein-schah-drei-kaiserinnen-und-was-dahinter-steckt-i\/","title":{"rendered":"Ein Schah, drei Kaiserinnen \u2013 und was dahinter steckt I"},"content":{"rendered":"

Stern, Heft 43, 22. Oktober 1960<\/em><\/p>

Ein Schah schreibt Memoiren
Eine Kaiserin gebiert ein Kind
Alle Welt blickt nach Persien<\/p>

Aber das Volk hungert in Not
Das Regime reagiert mit Gewalt
Das Land wird ausgebeutet<\/p>

Der Schah, drei Kaiserinnen und die Wirklichkeit<\/strong><\/p>

Der Rummel um Persien erreicht in diesen Wochen seinen H\u00f6hepunkt. Was die erste Kaiserin, Fawzia, dem Schah nicht geben konnte und was auch Soraya versagt blieb, soll nur durch Farah in Erf\u00fcllung gehen: der Schah w\u00fcnscht einen Thronerben, damit die Dynastie von innen her gest\u00e4rkt wird. Nach au\u00dfen hin soll der Rummel um die Geburt das sentimentale Interesse \u00fcberall in der Welt von der wirkliche Situation Persiens auf den glei\u00dfenden Pfauenthron ablenken, damit man das Land vergi\u00dft, auf dem er steht.<\/p>

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Die \u00e4gyptische Prinzessin Fawzia war seine erste Kaiserin. Danach heiratete Schah Resa Pahlevi 1951 Prinzessin Soraya.
<\/strong>Auch sie schenkte ihm wie ihre Vorg\u00e4ngerin, keinen Thronerben. Beide schickte der Schah wieder fort.<\/strong><\/p>

\u201eHier d\u00fcrfen Sie nicht fotografieren.\u201c \u201eWo denn?\u201c \u201eNirgends!\u201c Der Polizist kommt drohend auf mich zu. \u201eWenn Sie nicht sofort verschwinden, mu\u00df ich Sie verhaften.\u201c
Sein zottiger Schnurrbart imponiert mehr als seine schmutzigen Hosen. Ich versuche ihm zu erkl\u00e4ren, was ich jeden Tag zehnmal erkl\u00e4ren mu\u00df: da\u00df man seit einigen Jahren in Persien keine Spezialgenehmigung mehr zum Fotografieren braucht.
Und da geht gerade mein Titelbild vorbei, auf das ich seit Tagen warte. Eine elegante Perserin, bei Dior gekleidet, mit Hollywood-Make-up und Cartier Schmuck, eine bezaubernde Person, st\u00f6\u00dft sich gelangweilt einen Weg durch eine Gruppe von verschleierten Frauen. Ich rei\u00dfe die Kamera hoch \u2013 klick \u2013 und sehe im Sucher die Faust des Polizisten.
Vier andere F\u00e4uste, die auch zu Polizisten geh\u00f6ren, f\u00fchren mich zur n\u00e4chsten Wache. Hier will ein Offizier wissen, warum ich fotografiere, was ich fotografiere, f\u00fcr wen ich fotografiere, wovon ich lebe, was ich denke. Er h\u00e4ngt nachl\u00e4ssig in einem durchgesessenen Sessel und putzt sich die N\u00e4gel mit seinem Taschenmesser. An der Wand sieht man den Schah von Persien in Uniform eifrig auf einem leeren Blatt Papier herumschreiben. Vielleicht sind es seine Memoiren. Ein lebensgro\u00dfes Bild, das Arbeit symbolisieren soll und ein Beitrag zum Kampf gegen das Analphabetentum.
Der Offizier l\u00e4\u00dft das nagels\u00e4ubernde Messer fallen. Er b\u00fcckt sich nicht. Er schaut nicht einmal hin. Er streckt nur l\u00e4ssig die Hand aus und wartet mit abwesendem Blick, bis ein schnell hinzugest\u00fcrzter Polizist es ihm wieder ehrfurchtsvoll pr\u00e4sentiert, mit beiden H\u00e4nden und tiefer Verbeugung.
\u201eSie sprechen etwas Persisch. Wo haben Sie das gelernt?\u201c will er wissen
\u201eIn Persien.\u201c
\u201eWarum?\u201c
\u201eIch konnte nicht umhin, ich habe hier ein Jahr gelebt.\u201c<\/p>

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Fotografieren verboten\u201c \u2013 obwohl es offiziell erlaubt ist. In Persien sch\u00fctzt die Polizei nur selten das Recht des B\u00fcrgers, meistens verkauft sie es ihm gegen klingende M\u00fcnze. Wovon sollte sie sonst leben?<\/strong><\/em><\/p>

\u201eAha!\u201c Er klappt sein Messer zusammen, l\u00e4\u00dft es schnell in der Tasche verschwinden und schaut mich forschend an. Diesen Blick kenne ich, denn es ist nicht das erste Mal da\u00df ich in Persien in einer Polizeiwache lande. Er fragt sich besorgt, ob ich einflu\u00dfreiche Freunde in Teheran haben k\u00f6nnte. Wenn man sein Geld mit Fotografieren und Schreiben verdienen mu\u00df, kann man unm\u00f6glich ein Herr sein. Mit seiner herausfordernd-l\u00e4ssigen Haltung hat er mir dies von Anfang an klar zu verstehen gegeben.
Aber jetzt wird er unsicher. Wenn man so lange in einem Land gelebt hat, mu\u00df man Freunde haben. Ich brauche mich gar nicht mehr auf die in den Reisef\u00fchrern abgedruckten Bestimmungen zum berufen, denen zufolge jeder fotografieren darf, solange er nicht auf H\u00e4user klettert. Ich brauche jetzt nur konsequent die Spielregeln der persischen Gesellschaft zu befolgen, die das moralische, soziale und politische Leben des ganzen Landes bestimmen: Man ist umso mehr Mensch, je weiter der Arm nach oben reicht. Wer einem Minister die Hand gegeben hat, ist ein Gentleman, wer die kaiserliche Familie kennt, ein halber Gott. Man mu\u00df zu den jeweiligen lokalen oder nationalen Gr\u00f6\u00dfen Zugang haben, um \u00fcberhaupt zu bestehen.
Ich spreche also ganz zuf\u00e4llig von dem m\u00e4chtigen A., bei dem ich einmal gewohnt habe, von Generalen, die ich kenne, und als ich beim Hofminister ankomme, schreit mein Gegen\u00fcber w\u00fctend einen meiner schnurrb\u00e4rtigen Schutzengel an:
\u201eTchai biar -Tee her!\u201c
Der Polizist f\u00e4hrt zusammen und st\u00fcrzt aus dem Zimmer. Er h\u00e4tte aus der Unterhaltung sehen m\u00fcssen, da\u00df der Tee schon lange f\u00e4llig war.
Als ich dann noch erz\u00e4hle, wie ich einmal mit einem Bruder des Schahs auf B\u00e4renjagd gewesen bin, sitzt der Leutenant nicht mehr gelassen in seinem Sessel. Er steht neben mir, z\u00fcndet mir die Zigarette an und k\u00fcmmert sich pers\u00f6nlich um die Anzahl Zuckerst\u00fccke, die ich in meinem Tee haben will.
Das Spiel ist zu Ende. Ohne meine gesellschaftlichen Tr\u00fcmpfe h\u00e4tte ich wahrscheinlich diskret einige Scheine hervorzaubern m\u00fcssen, um das Recht zu erkaufen, der Nutznie\u00dfer eines bestehenden Gesetze zu sein.<\/p>

\u201eDie Korruption ist das t\u00f6dliche Krebsgeschw\u00fcr unseres Landes\u201c, sagte mir ein Oberst der Luftwaffe, der heimlich f\u00fcr ein besseres Persien k\u00e4mpft. \u201eAlle lebenswichtigen Organe sind \u00fcberwuchert. Der Hof, die Regierung, der letzte Gendarm im kleinsten Dorf. \u2014 Wie die meisten Ausl\u00e4nder werden jetzt auch sie vielleicht sagen: Die Umst\u00e4nde f\u00fchren dazu, die orientalische Mentalit\u00e4t.\u201c
Er blickt mich herausfordernd an: \u201eWenn Persien am Rande der Katastrophe steht und jeder zweite den Kommunismus herbeisehnt, dann sind nicht die Umst\u00e4nde daran schuld. Nein, die Menschen sind es, die diese Lage geschaffen haben. Wenn Persien gesunden soll, m\u00fcssen sie verschwinden: Der Schah und sein Regime.\u201c<\/p>

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Verschwendung<\/strong> kennzeichnet den Hof, die Regierung und die herrschende Oberschicht. Falscher Glanz, der teurer ist als echter Luxus. In den Pal\u00e4sten sucht man vergebens nach \u201eTausendundeine Nacht\u201c. Man findet nur tausendmal Imitation eines falsch verstanden Europas. Neureicher Prunk orientalisch verkitscht. Vor dieser glitzernden Fassade paradieren goldbestickte W\u00fcrdentr\u00e4ger wie aufgezogene Marionetten. Dahinter aber hungern f\u00fcnfzehn Millionen Perser, die diesen Glanz mit ihrem Elend bezahlen. F\u00fcnfzehn Millionen, die vielleicht einmal in der Woche eine warme Mahlzeit kennen und sonst von Brot und Zwiebeln leben. M\u00e4nner, die im ganzen Jahr nicht mehr als vierhundert Mark nach Hause bringen; Frauen, die nie einen Arzt gesehen haben; Kinder, von denen jedes zweite an Unterern\u00e4hrung stirbt. Und die \u00dcberlebenden kennen keine Kindheit. Schon mit acht Jahren wird gearbeitet<\/em><\/p>

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In staubigen kleinen Kellern kn\u00fcpfen Kinder kostbare Teppiche, die einer der Reicht\u00fcmer Persiens sind. Sie arbeiten zw\u00f6lf Stunden am Tag f\u00fcr 17 Rials (eine Mark). Die meisten gingen nie zur Schule <\/em><\/strong><\/figcaption><\/figure>

Aus dem Munde eines ordensschweren Obersten klingen diese Worte fast unwirklich. Er stampft im Zimmer auf und ab, in dem wir uns vor den neugierigen Blicken des Sicherheitsdienstes versteckt haben.
\u201eWir sind keine Kommunisten, wenn es auch vielen Leuten in den Kram pa\u00dft, uns so zu nennen\u201c, sagt er. \u201eWir sind Revolution\u00e4re, das ja. Im echten Sinne. Nicht solche, die eine ihnen unbequeme Ordnung zertr\u00fcmmern wollen. Unter diesem Regime k\u00f6nnten wir doch in einem Jahr steinreich werden, wenn wir richtig mitmachten. Nein, wir wollen eine Unordnung und ein moralisches Chaos aus der Welt schaffen, weil unser Land zugrunde geht. Wir wollen endlich eine Ordnung an ihren Platz setzen, in der das Wort Moral mehr bedeutet als das Scheckbuch.\u201c
\u201eWie k\u00f6nntet ihr denn reich werden?\u201c unterbreche ich ihn.
Er starrt mich zun\u00e4chst sprachlos an. Dann l\u00e4\u00dft er sich auf den Teppich nieder, der das einzige M\u00f6belst\u00fcck des Zimmers ausmacht und sagt:
\u201eIch k\u00f6nnte zum Beispiel gewissen kaiserlichen Prinzessinnen helfen, Autos ins Land zu schmuggeln. Ich k\u00f6nnte meinen Einflu\u00df am Hofe und in der Regierung verkaufen. Womit glauben Sie denn, da\u00df die meisten meiner Kollegen ihre gro\u00dfen Wagen bezahlen? Doch nicht von ihrem l\u00e4ppischen Sold.\u201c
Er schaut mich pl\u00f6tzlich verschmitzt an.
\u201eWas w\u00fcrden Sie jetzt machen\u201c, fragt er dann, \u201ewenn ich Ihnen ernsthaft erkl\u00e4ren w\u00fcrde, Sie h\u00e4tten mir Geld geboten, um geheime Informationen \u00fcber unsere Streitkr\u00e4fte zu erhalten?\u201c
\u201eIch w\u00fcrde wohl sagen, Sie seien verr\u00fcckt.\u201c
\u201eGut. Aber wem w\u00fcrde man mehr glauben, wenn ich Sie zum Sicherheitsdienst f\u00fchrte? Dem Ausl\u00e4nder oder dem bew\u00e4hrten Krieger?\u201c
\u201eIhnen wahrscheinlich.\u201c
\u201eSch\u00f6n. Und wieviel w\u00fcrden Sie zahlen, damit ich das nicht tue?\u201c
\u201eNichts.\u201c
\u201eJetzt antworten Sie, ohne zu \u00fcberlegen\u201c, meint er gelassen. \u201eSoll ich die Frage besser stellen? Was ist es Ihnen wert, drei Jahre Gef\u00e4ngnis nicht abzusitzen, denn dazu k\u00f6nnte ich Sie ohne M\u00fche verurteilen lassen.\u201c
\u201eSehr viel\u201c, mu\u00df ich zugeben. \u201eAber das w\u00fcrden Sie nie tun.\u201c
\u201eIch nicht\u201c, l\u00e4chelt er. \u201eAber so handeln viele unserer Machthaber. Es ist nicht ganz so brutal einfach. Es kommt aber genau darauf hinaus: Man bedroht, nimmt oder verweigert Ihnen zun\u00e4chst das, worauf sie ein unumst\u00f6\u00dfliches Recht haben \u2013 wie in unserem Fall die Freiheit \u2013 und verkauft sie Ihnen dann wieder f\u00fcr klingende M\u00fcnze. Aus\u00fcbung der Macht bedeutet bei uns haupts\u00e4chlich dies.\u201c
Er springt wieder auf.
\u201eIhr wi\u00dft gar nicht, was Korruption ist\u201c, sagt er. \u201eWas stellt ihr euch schon darunter vor? Einen Mann, der heimlich einem anderen eine Flasche Cognac zuschiebt. Einen Polizisten, der ein Trinkgeld annimmt. Das ist keine Korruption. Das ist gelinde Bestechung. Ein Tr\u00f6pfchen \u00d6l, das die Maschine schmiert. Korruption ist der Mi\u00dfbrauch der Macht zur pers\u00f6nlichen Bereicherung.
Hier wird Politik zu Erpressung. Korruption ist auch die Angst und Feigheit, die man damit schafft. Das Beispiel, das man gibt und das jeder nachahmen mu\u00df, um zu \u00fcberleben. Hier hat man die Seele korrupt gemacht. Der Geist ist wohlfeil. Korruption in jeder Form \u2013 das ist Persien heute.\u201c<\/p>

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In der Sonne<\/strong> gl\u00e4nzt die vergoldete Gipsstatue Reza Pahlevis. Ein Herrscher, der sich selber Denkm\u00e4ler errichtet und Memoiren schreibt, w\u00e4hrend er noch auf dem Thron sitzt. Das hat es noch nicht gegeben. Hier, in Bander Pahlevi, feiert die Heimwehr mit Fahnen, Bild und Blumen die Heimkehr des Kaisers von seiner letzten Europareise. Beteiligung der Bev\u00f6lkerung: drei\u00dfig Mann. Sympathiekundgebungen werden befohlen<\/em><\/p>

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In der Nacht,<\/strong> unter dem kl\u00e4glichen Schein der Stra\u00dfenampeln, bereiten die Studenten ihre Examen vor. Sie sind zu arm, um Licht zu zahlen. In ihren Wohnungen schlafen um diese Zeit acht bis zehn Menschen in einem engen Raum. Diese neue Generation, die die n\u00e4chtlichen Stra\u00dfen der St\u00e4dte mit Scharen herrenloser Hunde teilt, bereitet im Dunkeln die Zukunft Persiens vor<\/em><\/p>

Er h\u00e4lt inne. Dieser Kolo\u00df, fast zwei Meter gro\u00df, mit fr\u00fchzeitig ergrauten Haaren, ist vielleicht der zuk\u00fcnftige Nasser Persiens. Viele Offiziere haben sich um ihm geschart und warten auf die g\u00fcnstige Stunde zum Losschlagen.
Wie alle revolution\u00e4ren Impulse, die in Asien ein Land nach dem anderen ersch\u00fcttern, ist auch ihre Triebfeder ein puritanisches Dr\u00e4ngen nach Sauberkeit. Sie wollen nicht mehr Komplizen eines Regimes sein, das, wie sie selber sagen, \u201emit Blut nach Geld wirft\u201c und sich ihrer bedient, um an der Macht zu bleiben.
Der Oberst sch\u00fcttelt den Kopf. \u201eEs ist unn\u00fctz, ihr k\u00f6nnt es nicht begreifen, denn ihr k\u00f6nnt euch einfach nicht vorstellen, wie so etwas funktioniert.\u201c
Pl\u00f6tzlich bricht er in ein schallendes Gel\u00e4chter aus.
\u201eWie solltet ihr auch? Soraya, Farah, der \u201atraurige Kaiser\u2018 und der \u201aschwarze Panther\u2018. Das ist Persien f\u00fcr die meisten Europ\u00e4er. Ein Groschenroman, in dem die Schreiber diese Hauptpersonen so handeln lassen, da\u00df sie in die Gef\u00fchlswelt des d\u00fcmmsten Dienstm\u00e4dchens passen. Aber sonst nichts.\u201c
Er lacht immer noch.
\u201eWenn ich mir vorstelle, was alles gedichtet worden ist. Der Durchschnittsdeutsche wei\u00df zehnmal mehr \u00fcber den Schah als \u00fcber Adenauer. \u2013 Haben Sie in Persien au\u00dferhalb der Hofkreise schon jemanden getroffen, der sich um die Kaiserin oder die Thronfolge k\u00fcmmert? Ehrlich!\u201c
Ich mu\u00df zugeben, da\u00df ich in der Provinz kaum einen Menschen getroffen habe, der den Namen der neuen Kaiserin kennt. Viele Bauern wu\u00dften nicht einmal, da\u00df der Schah wieder geheiratet hat. Sie wu\u00dften auch nicht, wer Soraya war. Selbst in Tehran interessierten sich nur diejenigen f\u00fcr Farah Diba, die europ\u00e4ische Illustrierte lesen k\u00f6nnen.
\u201eSehen Sie\u201c, ruft er, \u201ees geht ja auch nur die Leute etwas an, die direkt betroffen sind. Das hei\u00dft, die Familien, die jetzt durch ihre neuen Einflu\u00df am Hofe Gesch\u00e4fte machen k\u00f6nnen, oder jene, die durch Farahs Familie an die Wand gedr\u00fcckt werden.
Warum sollte sich das persische Volk um das Liebesleben das Schahs k\u00fcmmern. Ein Liebesleben, das von Europ\u00e4er f\u00fcr Europ\u00e4er erfunden worden ist. Unsere fr\u00fcheren Herrscher hatten tausend Frauen und ganze Scharen von m\u00f6glichen Thronfolgern liefen im Palast herum. Selbst Reza Pahlevi k\u00f6nnte nach unserem Gesetz vier Frauen haben und kurzfristig Hunderte dazu heiraten, wenn es ihm Spa\u00df machte.
Da\u00df er ein \u201amoderner Herrscher\u2018 sein will, ist seine Sache. F\u00fcr das Volk ist all das ohne Bedeutung. Besonders die Thronfolge. Er hat doch Br\u00fcder.\u201c
Pl\u00f6tzlichen wird der Oberst ernst. \u201eEs tut mir leid, da\u00df wir \u00fcber diesen Quatsch reden. Aber man mu\u00df es, weil sich dieser Dreck zwischen Persien und die \u00fcbrige Welt geschoben hat. Warum, glauben Sie, gibt es gerade jetzt eine Inflation von Schah-Memoiren, Ashraf \u2013 Memoiren und anderen Bettgeschichten? Weil die politische und wirtschaftliche Lage katastrophaler denn je ist. Man lockt euch ins kaiserliche Schlafzimmer und \u00f6ffnet euch das Herz des Schahs, damit ihr das nackte Persien nicht mehr seht
Wenn ein Journalist hierherkommt, geb\u00e4rden sich Kaiser und Kaiserin wir drittklassige Filmstars und lassen sich von vorn und hinten fotografieren. Wenn er aber das Leben eines Bauern fotografieren will, besudelt er die Ehre Persiens. Das ist schon keine Korruption mehr, das ist Prostitution.
In Ru\u00dfland gibt es einen Eisernen Vorhang. Hier ist es der Vorhang zum kaiserlichen Alkoven, der Persien von der Umwelt trennt.\u201c<\/p>

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Prinzessin Ashraf,<\/strong> die Zwillingsschwester des Schahs, ist eine gute Gesch\u00e4ftsfrau. Auch sie schreibt ihre Memoiren. Bei ihr geht es weniger darum, die Aufmerksamkeit der Welt von den wirklichen Problemen Persiens auf erfundene Liebesaff\u00e4ren abzulenken \u2013 sie will Geld verdienen. In Persien war sie nie die ungekr\u00f6nte Kaiserin. Sie hat es verstanden, ihren politischen Einflu\u00df teuer zu verkaufen. Jetzt hat sie einen Franzosen geheiratet, um das unvermeidliche Exil vorzubereiten. Auch ihren Posten als Pr\u00e4sidentin des \u201eRoten Kreuzes\u201c mu\u00dfte sie ihrer Schwester Schams \u00fcberlassen, weil eine ganze R<\/em>eihe von Skandalen bekannt geworden sind. <\/em>Im Bild unten pr\u00e4sidiert Ashraf eine der letzten Sitzungen in ihrem Palast \u2013 und es sieht nicht wie \u201eTausendunde<\/em>ine Nacht\u201c aus<\/em><\/p>

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\u201eDieses Schwein\u201c, schreit Hasan, \u201edas wird er mir bezahlen.\u201c
Er h\u00e4lt mir einen Brief unter die Nase, den er gerade gefunden hat. Er steckte in der Ecke eines gro\u00dfen Rahmens, aus dem eine bezaubernde Frau l\u00e4chelt. Seine Frau.
\u201eEr hat sie mir weggenommen. Hier steht’s. Schon Jahre betr\u00fcgen sie mich. Oh, dieser erb\u00e4rmliche Hund.\u201c
Hassan schmettert das Bild auf dem Boden, da\u00df die Scherben klirren. Dann tanzt er darauf herum, bis nur ein einziger Brei \u00fcbrigbleibt.
\u201eDein Vater soll verbrennen\u201c, murmelte er. \u201eTrommel das Personal zusammen\u201c, ruft er mir zu. \u201eWir m\u00fcssen sofort aufbrechen.\u201c
W\u00e4hrend er rasend weitertanzt, versammele ich die drei G\u00e4rtner, die zwei Chauffeure, die drei Diener und vier oder f\u00fcnf andere M\u00e4nner, deren genaues Aufgabengebiet ich immer noch nicht kenne, obwohl ich schon zwei Wochen hier wohne.
Als ich an der Spitze der Dienerschaft wieder im Zimmer erscheine, br\u00fcllt Hassan: \u201eWorauf wartet ihr? Macht die Autos fertig!\u201c
Wenige Minuten sp\u00e4ter brausen wir in zwei Stra\u00dfenkreuzern davon.
\u201eWas willst du machen?\u201c frage ich.
\u201eWarte nur\u201c, sagt er geheimnisvoll. \u201eDenen werden wir\u2019s zeigen. Meine Leute wissen Bescheid.
Es dauert nicht lange, und wir kommen vor einer hohen, wei\u00dfen Mauer an, die von einem fest verriegelten Tor unterbrochen ist. Hassans Diener steigen aus den Autos. Ohne da\u00df ein Wort gesprochen wird, st\u00fcrzen sie sich auf die herumliegenden Steine und werfe sie gegen das Tor. Hassan und ich bleiben im Wagen. Einer der M\u00e4nner erklimmt m\u00fchsam die Mauer und schreit:
\u201eWo seid ihr? \u2013 Feiglinge! Hundes\u00f6hne! \u2013 Zeigt eure Gesichter, ihr Weiber.\u201c
Es dauert eine ganze Weile, bis das Tor ge\u00f6ffnet wird. Zw\u00f6lf st\u00e4mmige Burschen, mit Kn\u00fcppeln und Steinen bewaffnet, stehen uns gegen\u00fcber. Hinter ihnen, ungef\u00e4hr zwanzig Schritt entfernt, wartet ein elegant gekleidet der Herr, den ich gut kenne, Abdullah, ein Vetter Hassans.
Im Nu sind die Diener in ein Handgemenge verwickelt, dessen Verlauf ich kaum \u00fcbersehe, da ich sie nicht mehr auseinanderhalten kann. Hassan hat das Autofenster heruntergedreht und feuert seine Leute an. Abdullah ist vorsichtig einige Schritte n\u00e4her gekommen und schreit seinen M\u00e4nnern ermunternde Worte zu. Und dann, \u00fcber das Schlachtenget\u00fcmmel hinweg, beschimpfen sie sich beide.
\u201eDu kannst sie haben, die Hure!\u201c schreit Hassan. \u201eIch bin sie schon lange satt.\u201c
\u201eMir gef\u00e4llt sie!\u201c br\u00fcllt Abdullah zur\u00fcck. \u201eDu j\u00e4mmerlicher Zwerg, nicht mal eine Frau kannst du halten. Du Kr\u00f6te.\u201c
\u201eMorgen wirst du betrogen, ha ha, morgen wirst du es sein. Hure bleibt Hure.\u201c
\u201eIch sehe deine H\u00f6rner von hier\u201c, schallt es zur\u00fcck, \u201e Riesenh\u00f6rner auf kleinem Zwerg.\u201c
Unterdes geht der Kampf weiter, dessen Zweck ich immer noch nicht begreife, denn es handelt sich offensichtlich nicht darum, die untreue Frau wiederzuerobern. Hassans M\u00e4nner werden langsam zur\u00fcckgedr\u00e4ngt. Die Schl\u00e4gerei spielt sich jetzt direkt vor unserem Wagen ab. Jedesmal, wenn einer der feindlichen Diener nah an unserem Fenster vorbeikommt, macht er eine h\u00f6fliche Referenz und murmelt eine Entschuldigung. Zwei unserer Leute liegen bewu\u00dftlos am Boden. Die beiden feindlichen Vettern schreien immer noch Verw\u00fcnschungen und feuern ihre M\u00e4nner an.
Nach ungef\u00e4hr f\u00fcnfzehn Minuten Kampf ziehen sich Abdullahs Diener zur\u00fcck und verriegeln wieder das Tor. Es wird nicht mehr gesprochen. Wir packen unsere Verwundeten und unsere m\u00fcden M\u00e4nner in die Autos und fahren wieder davon.
\u201eSo, jetzt f\u00fchle ich mich besser\u201c, sagt Hassan auf dem Heimweg. \u201eDas war ich mir schuldig. Ein wenig Schl\u00e4gerei tut doch gut.\u201c
Diese Vettern, zwei Prinzen, die ihre Ehre mit den F\u00e4usten ihre Diener verteidigen, geh\u00f6ren zu den gro\u00dfen Familien Persiens. Sie sind typische Vertreter jener Oberschicht, die man die \u201etausend Familien\u201c nennt und die seit Jahrhunderten das Schicksal Persiens bestimmt.<\/p>

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Verkauf<\/strong> ist heute noch das Schicksal der einfachen Frauen. Sie d\u00fcrfen nicht w\u00e4hlen, nicht lieben. Sie werden erhandelt. Und wenn der Schah in seinen Memoiren bedauert, da\u00df Persiens M\u00e4dchen zu sp\u00e4t heiraten, so mag das f\u00fcr die reichen Br\u00e4ute stimmen (oben), die er kennt. Im Volk werden Kinder zu Frauen und geb\u00e4ren mit zw\u00f6lf Jahren rachitische Babys.
<\/em>Links: Eine Elfj\u00e4hrige die man zur Hochzeit vorbereitet<\/em><\/p>

Diese Familien sind reich. Ihre Gro\u00dfv\u00e4ter waren Offiziere, kleine Landbesitzer, gro\u00dfe Khans oder Verwandte der herrschenden Dynastie. Sie alle haben verstanden, dem jeweils regierenden Kaiser so zu dienen, da\u00df auch f\u00fcr sie etwas dabei heraussprang.
Heute leben sie nicht mehr auf dem Lande oder am Hof. Sie haben moderne Wohnungen im eleganten Norden von Teheran und Kraml\u00e4den im Zentrum. Denn es ist nicht mehr die Landwirtschaft, die schnell fl\u00fcssiges Geld bringt, es ist der Handel. So ein Laden oder Importgesch\u00e4ft entspricht ganz den Vorstellungen, die wir von einem Basar haben: ein Durcheinander von Zahnb\u00fcrsten, Staubsaugern, Strumpfhaltern, Eisschr\u00e4nken, Nagellack, Parf\u00fcm, Porzellanpferden, Federhaltern und Rasierapparaten. Es ist gleichzeitig das st\u00e4rkste Symbol f\u00fcr das wirtschaftliche Chaos Persiens.
Man f\u00fchrt Verbrauchsg\u00fcter ein, die nur den Anspr\u00fcchen jener f\u00fcnf Prozent der Bev\u00f6lkerung entsprechen, die kaufkr\u00e4ftig sind und nach europ\u00e4ischem Muster leben wollen. Die gleichen f\u00fcnf Prozent, die durch den Handel reich werden. Da die Einfuhr frei ist und jeder alles herbeischaffen kann, ersch\u00f6pfen sich die Devisenreserven Persiens ohne jede Kontrolle. Pers\u00f6nliche Laune und Ger\u00fcchte bestimmen Persiens Wirtschaft. Wenn es pl\u00f6tzlich hei\u00dft, man k\u00f6nne mit Zahnpasta, Kaugummi oder japanischen Kacheln schnell Geld machen, st\u00fcrzen sich alle drauf, und im Nu ist der Markt \u00fcberschwemmt. Das Ergebnis: eine \u00dcbers\u00e4ttigung an unbrauchbaren Verbrauchsg\u00fctern, die auf den oberfl\u00e4chlichen Besucher Teherans den Eindruck von Reichtum und Luxus machen.
\u201eTeheran ist wie Bagdad vor der Revolution Kassems\u201c, sagt mir ein englischer Diplomat. \u201e Auch dort gab es so viele Autos, da\u00df man zu Fu\u00df schneller vorw\u00e4rts kam. Aber die Iraker hatten wenigstens einen Teil ihres Gewinnes im Land investiert und somit die Voraussetzung f\u00fcr eine bessere Zukunft geschaffen. Hier dagegen wird jedes fl\u00fcssige Kapital sofort in der Schweiz oder in den Vereinigten Staaten angelegt. Der Hof gibt den Ton an, und alle anderen tun das gleiche. Das Ergebnis: Persien hat kein Geld. Wie soll das gutgehen?\u201c
Ich habe viele Spezialisten befragt. Sie waren alle derselben Meinung: Es kann nur zur Katastrophe f\u00fchren.<\/p>

Ein Fa\u00df ohne Boden<\/strong><\/p>

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Teheran ist das Krebsgeschw\u00fcr Persiens. Zwei Millionen Menschen leben hier ohne Industrie. Das Land mu\u00df die Stadt ern\u00e4hren<\/strong><\/em><\/figcaption><\/figure>

Seit der Handel zum Stocken gekommen ist, weil Gesch\u00e4fte, Lagerr\u00e4ume und Hafendocks \u00fcberf\u00fcllt sind, haben die persischen Machthaber eine neue Einnahmequelle entdeckt: die Industrie.
Auch hier wenden sie die ihnen eigene Gesch\u00e4ftsmoral an, das hei\u00dft, sie wollen schnell und ohne Risiko viel Geld einstecken. Nat\u00fcrlich investieren sie dazu nicht ihr eigenes Kapital, das sicherer in der Schweiz liegt. Sie brauchen gar kein Geld. Ihre politische Macht er\u00f6ffnet ihnen Kredite in s\u00e4mtlichen persischen Banken, und alle L\u00e4nder des Westens sind bereit, diesen Banken langfristige Kredite zu gew\u00e4hren. \u201eWir d\u00fcrfen die M\u00e4rkte nicht verlieren\u201c, sagt man, \u201eselbst wenn es nichts einbringt.\u201c Und dann rollen Maschinen nach Persien.
Der Prinz, der zun\u00e4chst H\u00e4ndler war, wird nun zum Industriellen. Er baut zum Beispiel eine Spinnerei, f\u00fcr die er nur das Grundst\u00fcck zur Verf\u00fcgung stellt. Der Kredit der Bank bezahlt die Mauern. Deutsche Firmen liefern die Maschinen. Die Produktion beginnt. Arbeiter bekommen Hungerl\u00f6hne oder werden gar nicht bezahlt. Das geht ein Jahr gut, vielleicht zwei. Der Prinz steckt Geld ein, denn er k\u00fcmmert sich nicht um Amortisation oder Rentabilit\u00e4t auf lange Sicht.
Aber dann kommt der Moment, wo die R\u00fcckzahlung der ersten Kredite f\u00e4llig wird. Er bittet um Aufschub oder erkl\u00e4rt sich einfach bankrott, denn er hat kein Geld. Es liegt in der Schweiz. Ein gerichtliches Verfahren ist unn\u00fctz. Er ist zu m\u00e4chtig, und jeder Prozess w\u00fcrde zehn oder 20 Jahre dauern.
Die Bank sieht sich also gezwungen, die Fabrik selber zu \u00fcbernehmen. Dabei stellt sie meistens fest, da\u00df das Werk v\u00f6llig unrentabel ist.
Und nun kommt auch der Zeitpunkt, an dem die deutschen Maschinen bezahlt werden m\u00fcssen. Aber man stellt fest, da\u00df Persien keine Devisen hat.
Wird der deutsche Exporteure den Verlust tragen m\u00fcssen? Keinesfalls, \u201eHermes\u201c, ein eigens f\u00fcr die Garantie von Exportkrediten geschaffenes, halbstaatliches Institut in Hamburg bezahlt ihm die Maschinen, die mittlerweile schon in Persien zum Stillstand gekommen sind. Der deutsche Steuerzahler gibt also letztendlich das Geld, das Persiens Industrielle in der Schweiz anlegen.
Nat\u00fcrlich h\u00e4lt die Bank dem deutschen Staat den Gegenwert in persischem Geld zur Verf\u00fcgung. Aber was soll man damit machen?
Und was soll die deutsche Industrieausstellung in Tehran bezwecken, wenn Persien keinen Pfennig Devisen mehr hat und deshalb nichts kaufen kann? Um die bereits bestehende Auslandsschuld zu tilgen, sind die persischen \u00d6leinnahmen schon f\u00fcr die n\u00e4chsten vier Jahre verpf\u00e4ndet.
Die Lage ist katastrophal. Um sich \u00fcber Wasser zu halten, hat der Schah die Amerikaner um eine Anleihe von 35 Millionen Dollar gebeten. \u201eSie bekommen keinen Dollar mehr\u201c, bekam er zur Antwort, \u201ewenn Sie nicht der Korruption Einhalt gebieten. Wir wollen keine Wirtschaft mehr unterst\u00fctzen, die nur zur Bereicherung von f\u00fcnf Prozent der Bev\u00f6lkerung dient.\u201c Diese Antwort ist bereits eine politische Aktion. Auch der internationale W\u00e4hrungsfond verweigerte ihn den Kredit.
Und prompt dreht sich der Schah nach Norden. Die Russen sollen jetzt einspringen, um das Regime zu retten. Vielleicht werden sie es sogar tun, denn wie sagte mir eines Tages der russische Konsul in Teheran: \u201a\u201eWenn wir unseren politischen Studenten die Frage aufgeben w\u00fcrden: \u201aWie kann Persien am sichersten kommunistisch werden?\u2018 dann w\u00fcrden jeder den ersten Preis erhalten, der die Methoden aufzeichnen w\u00fcrde, mit denen man das augenblickliche Regime so lange wie m\u00f6glich am Leben h\u00e4lt.\u201c
Diese Worte des russischen Konsuls erhalten ihre volle Bedeutung erst dann, wenn man wei\u00df, wie achtzig Prozent der persischen Bev\u00f6lkerung leben. Au\u00dfer in den reichen Stadtteilen Teherans und einigen Provinzst\u00e4dten, wo aller Luxus Persiens sich auf f\u00fcnfzig Quadratkilometern h\u00e4uft, gibt es kaum einen Menschen, der auch nur einmal im Monat satt wird.
Ich habe in ganz Persien keinen einzigen Dienstboten gesehen, der ein Bett hat. Selbst bei Ministern schl\u00e4ft die Dienerschaft in Lumpen gewickelt in der K\u00fcche oder im Keller auf der Erde. Und wenn sie Gl\u00fcck haben, auf einem Teppich.
\u201eIhre Vorfahren schliefen schon auf der Erde\u201c, sagt mir einer der vielen Prinzen, als ich ihn danach frage.
\u201eDiese Leute sind daran gew\u00f6hnt. Wenn wir ihnen ein Bett geben, wollen sie das ganze Haus. \u2013 Tradition, mein Lieber. Die einen werden im Bett geboren, die anderen auf der Erde. So mu\u00df es bleiben.\u201c<\/p>

Der Admiral im Tretboot<\/strong><\/p>

Auch die Soldaten schlafen auf der Erde. In Bander Pahlevi am Kaspischen Meer, gegen\u00fcber der russischen K\u00fcste, f\u00fchrt uns ein befreundeter Offizier heimlich in die Kaserne der Marinetruppen. Es gibt kein Bett. Ein steiniger, feuchter Boden dient den M\u00e4nnern als Schlafstelle.
Etwas weiter finden wir eine modern eingerichtete Schreinerei, in der Matrosen eifrig am Basteln sind. Sie verarbeiten kostbare H\u00f6lzer, die aus dem Urwald kommen, der wenige Kilometer hinter Bander Pahlevi beginnt. M\u00f6bel f\u00fcr die Offiziere und ein Tretboot f\u00fcr den Admiral. Ich wei\u00df, es klingt wie ein Scherz, aber ich habe es gesehen.
Seit sechs Wochen basteln sie an diesem Tretboot herum, dessen Farbe, Form und Gr\u00f6\u00dfe jedes Mal vom Admiral beanstandet wird. Er flucht. Er will sich doch endlich damit vergn\u00fcgen und sonntags mit seinen Kindern im Hafen herumradeln. Man kann es ihm eigentlich nachf\u00fchlen, denn er hat ja kein Schiff. Das einzige Schiff, das er hin und wieder mal besteigt, ist die Jacht des Kaisers, die hier im Hafen liegt.
\u201eDie kommt aus Holland\u201c, erkl\u00e4rt uns der Offizier, als er uns von einigen Matrosen durch die Lagune von Pahlavi rudern l\u00e4\u00dft.
\u201eDie Jacht ist durch die russischen Fl\u00fcsse und Kan\u00e4le bis hierher geschleust worden\u201c, erz\u00e4hlt er.
\u201eSch\u00f6ne Stange Geld.\u201c
\u201eDas ist gar nichts. Als sie kaputt war, wurde sie auf demselben Wege nach Italien geschleppt, dort repariert und genauso wieder hierher gebracht.\u201c
\u201eUnd was macht der Schah damit?\u201c will ich wissen. \u201eEr kann doch nicht weit fahren, ohne mit den Russen in Konflikt zu kommen.\u201c<\/p>

Wenn der Schah vor Anker geht<\/strong><\/p>

Der junger Offizier l\u00e4chelt. \u201eIch darf eigentlich nicht dar\u00fcber sprechen, denn ich mache selber Dienst auf dieser Jacht.\u201c Sein Ausdruck wird pl\u00f6tzlich hart. \u201eSie wissen, was ich von ihm denke. Und alle meine Matrosen denken wie ich: Wir wollen, da\u00df er krepiert.\u201c
So deutlich ist es mir noch nie gesagt worden. Ich blicke mich unwillk\u00fcrlich erschrocken um, ob uns auch niemand geh\u00f6rt hat.
Der Offizier scheint zu \u00fcberlegen.
\u201eWie soll ich es anst\u00e4ndig vor einer Frau aussprechen\u201c, sagt er mit einem Blick auf meine Kollegin Marie-Claude. Sagen wir, diese Jacht ist die sturmfreie Junggesellenbude des Schahs.\u201c
\u201eAber er ist doch jetzt wieder verheiratet\u201c, wirft Marie-Claude ein.
\u201eEr war es ja auch zu Soraya Zeiten. Wir w\u00fcrden uns auch nicht darum k\u00fcmmern, wenn wir nicht s\u00e4hen, wieviel Geld das kostet. Wenn der Schah sich am\u00fcsieren will, nimmt er diese Jacht und kutschiert die K\u00fcste entlang. Immer in weiblicher Begleitung.
Wenn ein M\u00e4dchen ihm besonders gef\u00e4llt, fliegt sein Flugzeug nach Holland und bringt Tulpen. Pa\u00dft ihm eine nicht, wird sie nach Teheran abgeschoben und eine neue herangeflogen.\u201c<\/p>

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Sturmfrei<\/strong> liegt die Jacht des Schah am Kaspischen Meer. Die Russen lassen ihn nicht mehr weite damit mitfahren. Aber das st\u00f6rt ihn nicht besonders. Die Jacht ist eine schwimmende Junggesellen-Bude, die mehr Freundinnen gesehen hat als Kaiserinnen<\/em><\/p>

Ich habe diese Dinge \u00fcber den Schah schon so oft geh\u00f6rt und wollte nie dar\u00fcber reden, weil es billige Schlagzeilen sind. Aber im Volke werden sie zum politischen Argument. Ich mu\u00df sie deshalb best\u00e4tigen, denn ich erfuhr sie oft aus erster Hand. Eine dieser Geschichten erz\u00e4hle ich dem Offizier.
Vor zwei Jahren stand ich einmal in Teheran auf dem Flugplatz, nachdem ich die Geburtstagsfeierlichkeiten des Schahs fotografiert hatte. W\u00e4hrend ich auf den Abruf wartete, beobachtete ich ein bezauberndes blondes M\u00e4dchen, das ohne Schwierigkeit durch Pa\u00df- und Zollkontrolle geschleust wird. Ihr Begleiter war ein Vertrauter des Schahs.
Im Flugzeug sitzt das M\u00e4dchen, Hildegard hei\u00dft es, neben mir. Kaum sind wir in der Luft, da fragt sie:
\u201eSie haben doch den Schah fotografiert, nicht wahr?\u201c
\u201eJa.\u201c
\u201eIch war auch dabei. Erinnern Sie sich?\u201c
Und nachdem sie herausgefunden hat, f\u00fcr wen ich arbeite, erz\u00e4hlt sie mir ihre Geschichte. Sie ist Deutsche. Sie lebt in Rom und ist nach Teheran gekommen, um italienische Mode vorzuf\u00fchren. Auf dem Fernsehschirm hat der Schah sie gesehen und sofort nach ihr gesandt.
\u201eUnd Sie haben angenommen?\u201c frage ich.
\u201eNat\u00fcrlich\u201c, sagt sie kokett. \u201eEr ist doch der Schah von Persien. Wem passiert das schon mal. \u2013 Schauen Sie, was ich zum Abschied bekommen habe.\u201c
Eine handgro\u00dfe Brosche baumelt an einer goldenen Kette.
\u201eRubine\u201c, stellte ich fest.
\u201eJa\u201c, sagt sie ganz schlicht.
\u201eZwanzigtausend Mark, wenigstens.\u201c
Sie betrachtet vertr\u00e4umt die Brosche und sagt nach einer Weile: \u201eUnd dabei ist er ein sehr schlechter Liebhaber. Eigentlich gar nicht so, wie man sich den Schah von Persien vorstellt.\u201c
\u201eUnd ein noch schlechterer Herrscher\u201c, meint der persische Offizier, als ich meine Geschichte beendet habe. \u201eSoll ich Ihnen was sagen? Und das k\u00f6nnen sie ruhig schreiben, wenn sie wieder zu Hause sind: Wir sind Kommunisten geworden. Ja, richtige Kommunisten. So wie die da dr\u00fcben.\u201c
Er zeigt stolz nach der russischen K\u00fcste. \u201eDa haben die Soldaten Betten. Fragen Sie doch meine Matrosen\u201c, ruft er herausfordernd.
Ich stelle die Frage. Keiner antwortet<\/p>

\"\"<\/figure>

\u201ePersien ist ein freies Land\u201c, sagt der Schah. Aber vor dem Gef\u00e4ngnissen stehen Menschen tagelang Schlange, um ihre Verwandten zu besuchen. In Persien gibt es zw\u00f6lftausend politische Gefangene. Viele von ihnen verschwinden f\u00fcr immer<\/em><\/strong><\/p>

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Ein Dorf ist nicht eine Gemeinschaft freier Bauern. Es ist ein Arbeitslager, das einem Mann geh\u00f6rt. Hier fragt man umsonst nach Soraya oder Farah Diba. Diese Menschen haben nie davon geh\u00f6rt. Es gibt nur ein Problem: Essen; einen Wunsch: Freiheit<\/strong><\/em><\/p>

\u201eIhr k\u00f6nnt ruhig sagen, was ihr denkt. Dieser Herr ist nicht von der Polizei. Ihr k\u00f6nnt ihm vertrauen. Er ist weder Amerikaner noch Engl\u00e4nder.\u201c
\u201eJa\u201c, wagt sich einer der Matrosen hervor, \u201ewir sind Kommunisten.\u201c
\u201eWarum?\u201c will ich wissen.
\u201eWas sollen wir denn sonst sein?\u201c fragt ein anderer.
Diese Frage hat mich lange bewegt. Auch der Satz des Offiziers: Er ist weder Amerikaner noch Engl\u00e4nder.
Als wir wieder in Teheran sind, bitte ich einen unserer Freunde, einen Universit\u00e4tsprofessor, mir den Sinn dieser S\u00e4tze zu erkl\u00e4ren. Zusammengefa\u00dft sagte er ungef\u00e4hr folgendes:
\u201eUm die persische Situation zu illustrieren, gibt es kaum ein besseres Beispiel als den klassischen Wildwestfilm, den wir alle kennen.
Da kommt immer irgendwo im Westen ein reicher, m\u00e4chtiger Mann vor, dem keiner widerspricht, weil er r\u00fccksichtslos ist und seine Cowboys den Colt \u00f6fter in der Hand haben als in der Tasche. Er kauft die Gewalt in der Person des Sheriffs, das Recht in der Person des Richters.
Nun verlangt es die amerikanische Zensur, da\u00df ein B\u00f6sewicht nicht bis zum Schlu\u00df des Filmes Sieger bleibt. Er mu\u00df sterben, damit die \u00f6ffentlichen Moral keinen Schaden leidet.
Es kommt also ein sympathischer Gregory Peck oder Gary Cooper daher, ein armer, aber ein ganzer Kerl und r\u00e4umt mit den B\u00f6sewichten auf. Der Wilde Westen wird zahm, die Menschen gut.
Doch das wirkliche Leben hat den Fehler \u2013 wenigstens in Persien \u2013 sich nicht um die moralische Kontrolle zu k\u00fcmmern. Bei uns verschwinden die sympathischen Kerle im Gef\u00e4ngnis. Bis heute sind es mehr als zehntausend.
Unsere reichen und m\u00e4chtigen M\u00e4nner tun nach wie vor, was sie wollen. Sie besetzen das Land, milit\u00e4risch und mit Gewalt. Es ist ein verh\u00e4ngnisvolles Vorurteil, zu glauben, man m\u00fcsse Ausl\u00e4nder sein, um ein Land zu besetzen. Inl\u00e4nder k\u00f6nnen das auch tun, wenn sie Geld haben und Revolver und die Leute nicht zu Wort kommen lassen, genau wie unser Mann im Wilden Westen.
Kein Mensch k\u00f6nnte jedoch die Wirklichkeit ertragen, wenn er nicht heimlich an einen Gregory Peck oder Gary Cooper glauben w\u00fcrde, an irgendeine Gerechtigkeit auf Erden. Besonders wenn es ihm so dreckig geht wie uns.
So haben wir Perser an Amerika geglaubt, an England und die westliche Welt. Wir haben uns verzweifelt an eure Worte geklammert: an Freiheit, Menschenrechte und W\u00fcrde.
Aber es waren nur Worte. Die Westm\u00e4chte sind nicht gekommen, um dem Recht zum Sieg zu verhelfen. Sie haben nicht die B\u00f6sewichte verjagt. Sie gaben ihnen Geld und Waffen und helfen ihnen so, an der Macht zu bleiben.
Was daraus folgt, ist unvermeidlich: Alle, die unter diesem Regime leiden \u2013 achtzig Prozent der Bev\u00f6lkerung wenigstens \u2013 machen nicht mehr ihre eigenen Herren f\u00fcr ihr Ungl\u00fcck verantwortlich, sondern jene, die diesen Herren die Mittel geben, das Gesetz des Wilden Westens aufrechtzuerhalten.
Deshalb sagte der Offizier in Bander Pahlevi zu seinen Matrosen: \u201eDieser Herr ist weder Amerikaner noch Engl\u00e4nder. Ihr k\u00f6nnt ruhig sagen, was ihr denkt.\u201c
Wie lange kann ein Mensch ins Leere glauben? Wie lange kann er lieben, wenn er als Antwort auf sein Werben nur Fu\u00dftritte erh\u00e4lt? Einige k\u00f6nnen lange glauben, andere gar nicht. Eines jedoch kann man mit Sicherheit sagen: Jene, die so arm sind, da\u00df sie unbedingt einen leiblichen Gregory Peck brauchen, um ans Leben zu glauben, k\u00f6nnen nur nach Russland blicken, weil es auch dort Worte gibt, die von Hoffnung sprechen. Weil man dort ganz offen der Feind des inneren Feindes ist. Weil man sich anbietet, ihn zu vertreiben.
Deshalb fragt der Matrose: \u201eWas sollen wir denn sonst sein?\u201c<\/p>

Im n\u00e4chsten Heft:
Liebe mit kleinen Kniffen<\/strong><\/p>","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Stern, Heft 43, 22. Oktober 1960 Ein Schah schreibt MemoirenEine Kaiserin gebiert ein KindAlle Welt blickt nach Persien Aber das Volk hungert in NotDas Regime reagiert mit GewaltDas Land wird ausgebeutet Der Schah, drei Kaiserinnen und die Wirklichkeit Der Rummel um Persien erreicht in diesen Wochen seinen H\u00f6hepunkt. Was die erste Kaiserin, Fawzia, dem Schah…<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":55283,"parent":55292,"menu_order":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","template":"","meta":{"_seopress_robots_primary_cat":"","_seopress_titles_title":"","_seopress_titles_desc":"","_seopress_robots_index":"","footnotes":""},"categories":[507],"tags":[],"class_list":["post-55282","page","type-page","status-publish","has-post-thumbnail","hentry","category-iran","entry","has-media"],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/55282"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/types\/page"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=55282"}],"version-history":[{"count":2,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/55282\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":64569,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/55282\/revisions\/64569"}],"up":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/55292"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/media\/55283"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=55282"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=55282"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=55282"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}