{"id":55431,"date":"2017-06-12T13:10:04","date_gmt":"2017-06-12T11:10:04","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=55431"},"modified":"2023-02-12T15:30:16","modified_gmt":"2023-02-12T14:30:16","slug":"verlobung-in-teheran","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/zeitungsreportagen\/iran\/verlobung-in-teheran\/","title":{"rendered":"Verlobung in Teheran"},"content":{"rendered":"
Stern, Heft 49, 5. Dezenber 1959<\/em><\/p>\n Gordian Toeller und Claude Deffarge berichten vom dritten Versuch des Schah, seine Dynastie zu retten<\/em><\/p>\n \u201eDer Hofminister hat das Vergn\u00fcgen, dem Volk die Verlobung seiner Kaiserlichen Hoheit Mohammed Reza Schah Pahlewi mit Fr\u00e4ulein Farah Diba mitteilen zu k\u00f6nnen.\u201c <\/p>\n Die Ringe sind gewechselt. Mit einem Bonbon besiegeln Farah und der Schah feierlich das Verl\u00f6bnis<\/strong><\/em><\/p>\n Mohammed Reza Schah Pahlewi ist der zweite der Pahlewis. Der Thron wurde von seinem Vater erobert; usurpiert, sagen die Gegner der Dynastie, die darauf warten, da\u00df das Ausbleiben eines Thronfolgers die Karriere der Pahlewis zu einem j\u00e4hen Ende bringen wird. Das 21-j\u00e4hrige M\u00e4dchen mit seinen burschikose All\u00fcren und den vertr\u00e4umten Augen ist die letzte Hoffnung eine jungen Dynastie auf kampfloses Weiterbestehen. Sollte sie dem Kaiser nur M\u00e4dchen schenken, dann verlangt das eherne persische Gesetz, da\u00df er sie verst\u00f6\u00dft, wie ihre Vorg\u00e4ngerinnen, und durch eine neue Frau ersetzt. Sollte sie jedoch kinderlos bleiben, dann werden sich die Ger\u00fcchte vermehren, die heute schon in Tehran herumschwirren, und denen zufolge Mohammed Reza Schah durch einen Unfall zeugungsunf\u00e4hig geworden sei. Dann werden die Feinde der Pahlewi aus diesem Ger\u00fccht eine gef\u00e4hrliche Waffen schmieden, denn der Beweis der M\u00e4nnlichkeit eines Kaisers ist f\u00fcr die Fantasie des Volkes ebenso wichtig wie Glanz, Prunk und gottes\u00e4hnliche Unnahbarkeit. Ein Kaiser darf nicht nur Geliebter sein, als Vater des Volkes mu\u00df er auch leiblicher Vater sein k\u00f6nnen: Symbol seiner nationalen Vaterschaft.<\/p>\n Premiere als Kaiserbraut:<\/strong> Drei Stunden nach der Verlobung mit dem Schah beginnen die Repr\u00e4sentationspflichten. Mohamed Reza Pahlewi nimmt mit Farah an einem Empfang zu Ehren\u00a0 seiner eben verheirateten j\u00fcngsten Schwester Fatemeh (ganz links) teil. Zwischen beiden: Prinzessin Shams, die ihren kaiserlichen Bruder zur Ehe mit Farah geraten hat<\/em><\/p>\n <\/strong><\/em><\/p>\n \u201ePersien geh\u00f6rt wieder den Persern\u201c<\/strong>, l\u00e4chelt Prinzessin Fatemeh, als sie sich nach der Trauung mit dem Fliegergeneral Khatami den Hochzeitsg\u00e4sten zeigt. Glaubt sie, ihrem kaiserlichen Bruder ein gutes Beispiel gegeben zu haben? In der ersten Ehe war Fatemeh mit dem amerikanischen Playboy Hillyer verheiratet. Der Schah mu\u00dfte sich von einer \u00e4gyptischem Prinzessin und der Halbdeutschen Soraya scheiden lassen, bevor er die Perserin Farah w\u00e4hlte<\/em><\/p>\n Das gilt besonders in Persien, wo magische Verflechtungen die Volksseele und selbst hohe Kreise st\u00e4rker ber\u00fchren als menschliche oder religi\u00f6se Beweggr\u00fcnde. Warum wohl wurde die Verlobung bis zum 23. November hinausgeschoben, obwohl alle Beteiligten in \u00e4ngstlicher Beachtung des Volksspruches \u201eWas in Persien nicht gleich geschieht, wird nie etwas\u201c, zur gr\u00f6\u00dften Eile dr\u00e4ngten? Weil die Sonne zun\u00e4chst in das neue Tierkreiszeichen, in den Sch\u00fctzen, eintreten m\u00dfste, denn im Skorpion getroffene Entscheidungen haben Mohammed Reza Schah nie Gl\u00fcck gebracht, obwohl es sein eigenes Zeichen ist.
\nFarah Diba steht wie versteinert da. Nur ihr Gesicht verr\u00e4t den inneren Aufruhr, ihre Augen m\u00fcssen gegen die Tr\u00e4nen k\u00e4mpfen, die empordr\u00e4ngen. Z\u00f6gernd greift sie nach dem Ring, den der Kaiser ihr reicht. Tr\u00e4umerische spielen ihre Finger dar\u00fcber hin. Pl\u00f6tzlich krallen ihre zarten Finger sich daran fest; trotzig, herausfordernd und bittend zugleich ballen sich ihre H\u00e4nde um das symbolische Kleinod. Sie schlie\u00dft die Augen, und ihre Lippen bewegen sich wie im Gebet \u2026\u00a0 Es ist die gleiche Bitte, die den Schah bewegt, das gleiche Gebet, das alle Anwesenden, alle k\u00f6nigstreuen Perser heute leise vor sich hinmurmeln: \u201eGott gebe uns einen Thronfolger!\u201c
\nSelten in der Geschichte einer Dynastie war diese Bitte zwingender, dramatischer als hier im Schlo\u00df des Kaisers. Die modernen M\u00f6bel, die protzigen, fast noch neuen L\u00fcster, das stillos zusammengew\u00fcrfelte Allerlei von persischer Folklore und beziehungsloser Moderne beweisen, da\u00df \u2014 wenn auch die persische Monarchie Jahrtausende alt ist \u2013 die jetzige Dynastie sehr jung und traditionslos ist.<\/p>\n
\nUmso mehr Verantwortung f\u00e4llt jetzt auf Farah Diba und bei dieser kleinen Verlobungsfeier, die man in Persien einfach \u201eKuchenessen\u201c nennt, weil kleines Geb\u00e4ck herumgereicht wird und Alkohol von der Religion verboten ist, f\u00fchlt man die Spannung, die schicksalsentscheidende Bedeutung dieser Stunde. Sobald Farah Diba auf den Pfauenthron steigt, wird sie wichtiger sein als der Kaiser, entscheidender f\u00fcr das Weiterbestehen der Pahlewis als das Heer, die Leibgarde oder die Unterst\u00fctzung der Amerikaner.<\/p>\n
\nIn Europa und in Persien haben Astrologen die Horoskope Farah Dibas und des Kaisers verglichen, und w\u00e4hrend man bei uns nach Aspekten der Lieben suchte, hielt man hier verzweifelt Ausschau nach Zeichen der Fruchtbarkeit und der Gesundheit. Der Unterschied ist nicht nur bezeichnend f\u00fcr die dramatische Notwendigkeit, die Thronfolge zu sichern: Sie beleuchtet besonders eindeutig die Mentalit\u00e4tsunterschiede zwischen Persien und Europa in Bezug auf Hochzeit, Ehe und Liebe.
\n\u201eSobald es sich um einen Mann und eine Frau handelt, f\u00fchlt ihr Europ\u00e4er euch unwiderstehlich gezwungen, von Liebe auf den ersten Blick, von Treue, Verst\u00e4ndnis und ich wei\u00df nicht was zu faseln\u201c, sagte uns Ahmad, ein Perser, bei dem wir zum Essen eingeladen waren. Nat\u00fcrlich sprach man von Farah Diba und der bevorstehenden Verlobung.<\/p>\n