{"id":56179,"date":"2017-10-11T23:17:25","date_gmt":"2017-10-11T21:17:25","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=56179"},"modified":"2023-01-24T01:22:55","modified_gmt":"2023-01-24T00:22:55","slug":"klaus-wischnewski","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/biographie\/stimmen-zum-werk\/klaus-wischnewski\/","title":{"rendered":"Klaus Wischnewski"},"content":{"rendered":"
Zwischen allen St\u00fchlen auf dem richtigen Platz<\/strong> Er hat in 30 Jahren, von 1963 bis heute, \u00fcber 70 Filme gedreht, in Afrika und Arabien, Lateinamerika und Asien. Er hat in diesem Jahr beim 28. Adolf-Grimme-Preis die Besondere Ehrung f\u00fcr Verdienste um das Fernsehen erhalten. Gr\u00fcnde genug f\u00fcr das Leipziger Festival, die Initiative des Adolf-Grimme-Insituts, von CON-Film Bremen und von Radio Bremen zu einer Werkschau und Retrospektive des Werkes von Gordian Troeller aufzunehmen. Seine Themen sind die t\u00f6dlichen Lebensbedingungen und Existenzkatastrophen in jener Welt, die der reiche Norden, die herrschenden Wirtschaftsm\u00e4chte, ruiniert und zur \u201aDritten Welt\u2018 ernannt haben. Seine Helden sind die Frauen, Kinder und M\u00e4nner, die dort leben, \u00fcberleben und sich wehren. Er konfrontiert uns mit ihnen, sie konfrontieren uns mit den immer wieder verdr\u00e4ngten Beweisen daf\u00fcr, da\u00df in unserer Welt-Gesellschaft Grunds\u00e4tzliches verkehrt l\u00e4uft, da\u00df die L\u00f6sungskonzepte und -praktiken \u2013 neoliberale, konservative und revolution\u00e4re \u2013 gegen den S\u00fcden, gegen die Menschen, gegen die Erde laufen.<\/p> Man hat Troeller \u00bbAugenzeuge des Weltb\u00fcrgerkriegs\u00ab genannt (Heribert Seifert); in der Begr\u00fcndung f\u00fcr die Besondere Ehrung hei\u00dft es, seine Arbeit habe nichts mit \u00bb\u00fcblicher Korrespondentenroutine\u00ab zu tun. Man mu\u00df es zuspitzen: Troeller hat sich von der eurozentristischen Denkschablone (und ihren facettierten Variationen ideologischer, klerikaler, reaktion\u00e4rer wie revolution\u00e4rer oder karitativer Konvenienz) befreit.<\/p> Im Jemen \u2013 Anfang der sechziger Jahre \u2013 erkennt er die zerst\u00f6rerischen Auswirkungen westlichen \u201aFortschritts\u2018 und fa\u00dft zusammen: \u00bbWir sind zu dem Schlu\u00df gekommen, da\u00df es f\u00fcr andere V\u00f6lker eine Katastrophe ist, wenn unsere Zivilisation sich ihrer annimmt. \u00ab<\/p> Bereits 1962 als Stern-Reporter hatten Gordian Troeller und Marie-Claude Deffareg geschrieben: \u00bbVerantwortlich f\u00fcr den Hungertod von Millionen ist nicht die Natur \u2013 verantwortlich sind wenige Menschen, Macht- und Geldbesessene, die ihre \u201aOrdnung\u2018 mit Korruption und Bajonetten aufrechterhalten. \u00ab Dieser Dokumentarist und seine Filme geh\u00f6ren seit langem nach Leipzig.<\/p> Das Leipziger Festival<\/strong><\/p> Seit 35 Jahren gibt es das Leipziger Festival als Versuch und Angebot, vielen sozial und politisch kritisch engagierten Dokumentaristen aus allen Kontinenten ein Forum, ihren neusten Filmen eine Leinwand zu \u00f6ffnen und ein erfahrungshungriges Publikum mit den Menschen und Bewegungen, Leiden und Hoffnungen, den Bildern und Nachrichten der Zeit zu konfrontieren. Das Angebot Leipzigs war gro\u00dfz\u00fcgig. Es trafen sich Menschen, die sich sonst nie begegnet w\u00e4ren. Filme Lateinamerikas, Afrikas und S\u00fcdasiens erreichten Europa, die Themen Unterentwicklung, Abh\u00e4ngigkeit und Selbstbefreiung wurden f\u00fcr viele aus ferner Exotik ins Bewu\u00dftsein der eigenen Lebensproblematik ger\u00fcckt. Das Angebot Leipzigs war zugleich eng. Der Ma\u00dfstab f\u00fcr diese Enge leitet sich jedoch nicht aus dem Vergleich mit anderen Festivals oder etwa dem Informationsspiegel des internationalen Medien- und Kinoangebots ab.<\/p> Leipzigs Enge ist nur zu bestimmen aus dem eigenen Anspruch: Treffpunkt und Forum der progressiven Zeitkritik und des Engagements f\u00fcr soziale und politische Alternativen zu sein angesichts der Herausforderungen zunehmender sozialer Ungleichheit und wachsender politischer Gewalt in der Weltordnung des 20. Jahrhunderts. Der ehrlich vertretene, vielfach verwirklichte, international begr\u00fc\u00dfte und respektierte Anspruch mu\u00dfte immer wieder zur\u00fcckgenommen, verleugnet, verraten werden, weil er mit dem offiziellen Weltbild und der Selbstdarstellung des institutionalisierten Sozialismus kollidierte. Die heutige Welt war kritikw\u00fcrdig nur in ihrer kapitalistisch-imperialistischen Sph\u00e4re. Der reale Macht-Sozialismus im Norden war als Alternative und als L\u00f6sungsmodell sakrosankt und wurde den antikolonialen Befreiungsbewegungen und jungen Staaten als Rezept angeboten. Die zunehmenden Widerspr\u00fcche, Sackgassen und Katastrophen in den \u201aEntwicklungsl\u00e4ndern\u2018 wurden je nach Zugeh\u00f6rigkeit zu den zwei Machtbl\u00f6cken dargestellt oder verschwiegen. Ein\u00e4ugigkeit geh\u00f6rte auch zur sozialistischen Diplomatie und beeinflu\u00dfte internationale Festivalpolitik. Nur wenn man den Widerspruch zwischen moralischem Anspruch und machtpolitischem Pragmatismus zeitgeschichtlich objektiviert und ber\u00fccksichtigt, wird man Funktion, Wirkung und Defizit Leipzigs 1956 -1989 werten und die Problematik, Aufgaben und Chancen speziell dieses Dokumentarfilmfestivals in einer sehr ver\u00e4nderten, wohl kaum verbesserten, zunehmend gef\u00e4hrdeten Welt verstehen k\u00f6nnen.<\/p> Dabei geht es nicht um Sensationen, Highlight-Konkurrenzen oder Markenwerbungskriterien (die man nutzen kann, wenn sie n\u00fctzlich sind), sondern darum, ob es m\u00f6glich sein wird, in Deutschland = Europa = im Norden der geteilten Erde ein Forum des Dokumentarfilms zu behaupten, das den Leipziger Anspruch nunmehr ohne Einschr\u00e4nkungen realisieren kann. Das hei\u00dft: nat\u00fcrlich ohne Zensur (wer braucht die!); ohne macht- und wirtschaftspolitische, diplomatische und \u00f6konomische R\u00fccksichten; ohne Parteien- und Gruppenproporz; ohne soziale, rassische, religi\u00f6se, moralische, sexuelle oder irgendwelche sonst denkbaren Vorurteile. Und trotzdem nach wie vor gef\u00f6rdert. Damit die, die Forderungen und Rechte einklagen, welche sich nicht rechnen, ihre Filme und Gedanken pr\u00e4sentieren k\u00f6nnen: hier in Leipzig\/Europa.<\/p> Sicher klingt das utopisch, ist also unzeitgem\u00e4\u00df, von den Feuilletonphilosophen von der Agenda gestrichen. Aber nur wer Utopisches mitdenkt, kann vielleicht etwas vom Notwendigen realisieren. Gewi\u00df l\u00e4uft der Alltag anders. In der Jagd nach dem Notwendigsten wird dem Menschen die Energie abgefordert, die er f\u00fcr das Denken und Einfordern von Alternativen braucht. Doch genau das immer wieder neue Durchbrechen dieses raffiniert fehlerhaften Kreises macht den Sinn der Dokumentaristenarbeit und eines Festivals wie Leipzig aus.<\/p> Retrospektiven \u2013 Stellenwert und Tradition<\/strong><\/p> 1960 war zum ersten Mal eine Retrospektive Bestandteil des Festivalprogramms in Leipzig. Sie war Dsiga Wertow gewidmet. Pers\u00f6nliche Haltung, k\u00fcnstlerische Individualit\u00e4t, Innovation und Zeitzeugenschaft waren damit ebenso als Wertma\u00dfstab ausgewiesen wie die Auffassung vom k\u00fcnstlerischen Dokumentarfilm als visuelles Ged\u00e4chtnis der Menschen und des Jahrhunderts. Mit den Retrospektiven \u2013 35 seit 1960 -wurde Geschichte in das aktuelle Programm, in die unmittelbare Zeitreflexion eingebracht, als vergangenes Geschehen, fr\u00fchere L\u00f6sungskonzepte politischer, \u00e4sthetischer Art, als Entwicklungsschritte der Gattung und Dokumente k\u00fcnstlerischer Entscheidung und Biographie. Ab 1962 lag die Gestaltung und Organisation der Programme in den H\u00e4nden der Mitarbeiter des \u201aStaatlichen Filmarchivs der DDR\u2019. Deren Kompetenz und Gr\u00fcndlichkeit garantierte ebenso wie die internationale Reputation ihres Instituts den Retrospektiven k\u00fcnstlerische Qualit\u00e4t und wissenschaftlichen Rang. Wolfgang Klaue, bis 1990 der im In- und Ausland geachtete Direktor des Filmarchivs, schrieb 1986 r\u00fcckschauend: \u00bbWir, die damals jungen Leute vom Staatlichen Filmarchiv, griffen sie (die Idee) auf, nicht ahnend, da\u00df wir damit eine Tradition begr\u00fcnden w\u00fcrden und nach 25 Jahren feststellen k\u00f6nnen, da\u00df wir einen bedeutenden Beitrag zur Wiederentdeckung und Erschlie\u00dfung der internationalen Traditionen des Dokumentarfilms geleistet haben. (\u2026) Retrospektiven haben die Kurzlebigkeit des Dokumentarfilms nicht \u00fcberwinden k\u00f6nnen, aber sie haben aufmerksam gemacht auf die Werte und Leistungen der Vergangenheit. Sie haben Signale gesetzt, die auch andere aufgriffen. Sie haben auch f\u00fcr Archive den Stellenwert des Dokumentarfilms als Kunstwerk und zeitgeschichtliches Dokument und Gegenstand der \u00dcberlieferung erh\u00f6ht. \u00ab<\/p> Werkschau-Programme pr\u00e4sentierten viele Gro\u00dfe des kritischen Dokumentarfilms: Cavalcanti, Ivens, Flaherty, Karmen, Grierson, Huisken, 1989 Fernando Birri und Karl Gass, 1990 Klaus Wildenhahn. Regional und thematisch definierte Veranstaltungen galten nationalen Schulen und Programmen, die den Dokumentarismus nachhaltig beeinflu\u00dft haben \u2013 dem franz\u00f6sischen, sowjetischen, polnischen, tschechoslowakischen, dem neuen kubanischen Dokumentarfilm, Filmen aus Japan, Indien und den mittelasiatischen Sowjetrepubliken. Die Themen wurden auch von aktuellen Ereignissen und Prozessen beeinflu\u00dft. Vier Retrospektiven galten dem Film in Lateinamerika. Diese Aufmerksamkeit war sowohl der bedeutenden Filmentwicklung geschuldet wieder exemplarischen Rolle des Films in den schweren sozialen Verh\u00e4ltnissen und politischen K\u00e4mpfe auf dem Kontinent. Besondere H\u00f6hepunkte waren 1981 die American Social Documentaries und 1984 Reality and Film, die R\u00fcckschau auf den \u00bbproletarischen und b\u00fcrgerlichprogressiven Dokumentarfilm der drei\u00dfiger Jahre in Gro\u00dfbritannien\u00ab, wie es im Untertitel hie\u00df. Bereits 1973 hatte ein \u00e4hnlich beachtetes und interessantes Programm der proletarischen Filmbewegung in Deutschland vor 1933 gegolten. 1986 vereinte ein Programm zeitgen\u00f6ssische und neuere Filme aus mehreren L\u00e4ndern, die die spanische Trag\u00f6die der Jahre 1936 bis 1938 \u2013 B\u00fcrgerkrieg und makabres Vorspiel zum Zweiten Weltkrieg \u2013 ins Bild gebannt hatten, berichtend, protokollierend, deutend, lyrisch, pathetisch oder analytisch.<\/p> Filmgeschichte wird als Zeitgeschichte offenbar; \u00fcbrigens nicht allein \u00fcber Themen und Sachverhalte, sondern durch den Blick, den Ton, den Stil und die Haltung der Dokumentaristen. Objekt und Subjekt sind Tr\u00e4ger des \u201aZeitgeistes\u2018, reflektieren Hoffnungen und Illusionen, tragisches Pathos und vehementen Optimismus, Skepsis und Trauer, wobei die Jahre und Jahrzehnte Gewicht und Wertigkeit von Gef\u00fchlen, Meinungen und Stilmitteln verschieben, manchmal verkehren. Wer auf solche Beobachtungen allerdings ahistorisch \u00fcberheblich und mit Spott reagiert, sollte die Finger von Filmen besser lassen. Als Zeitzeuge und Ged\u00e4chtnis ist der Dokumentarfilm auch dem Verschlei\u00df, der manchmal gnadenlosen Korrektur durch den Lauf der Zeit unterworfen und bleibt \u2013 dennoch und deshalb \u2013 Bewahrer dessen, was wirklich geschah und Zeugnis einer Haltung, eines Bildes von der Welt.<\/p> Solange Leipzig als internationales Festival bestehen bleibt, wird es auf die Tradition seiner Retrospektiven nicht verzichten wollen und k\u00f6nnen. Bundesarchiv\/ Filmarchiv und Festivalleitung waren sich schnell einig darin, da\u00df hier Bewahrung und Fortf\u00fchrung Anliegen und Chance f\u00fcr beide Partner sind. Die Zusammenarbeit bereits 1990 (Klaus Wildenhahn) und die Realisierung der d\u00e4nischen Retrospektive 1991 haben das bewiesen und bef\u00f6rdert. Der speziell \u201adeutsche Blick\u2018 auf Amerika in der Retrospektive 1992 wird interessantes Material zu einem Hauptakzent des 35. Festivals beisteuern \u2013 zum kontroversen und ideologisch vielschichtig besetzten \u00bbNachdenken \u00fcber ein Jubil\u00e4um\u00ab. Also Nachdenken \u00fcber das halbe Jahrtausend seit 1492, f\u00fcr das nun von allen Seiten die Bilanz und der Preis eingefordert werden, von der Erde und vom Himmel, von der Natur und den \u201aentdeckten\u2018 V\u00f6lkern, von den Opfern der Ausbeutung, der Revolutionen und der Entwicklungsprogramme, von der Armut, die vom S\u00fcden in den Norden und von unten nach oben in allen L\u00e4ndern und Regionen unaufhaltsam vordringt.<\/p> Gordian Troeller \u2013 Geschichte und Aktualit\u00e4t<\/strong><\/p> Genau hier liegt der Schnittpunkt der Themen, Erfahrungen, Traditionen und Tendenzen, an dem der Auftritt des Europ\u00e4ers, geb\u00fcrtigen Luxemburgers, Reporters, Dokumentaristen, Chronisten und Aufkl\u00e4rers Gordian Troeller auf der Leipziger Szene und seiner Filme auf der Leipziger Leinwand einerseits \u00fcberf\u00e4llig erscheint, andererseits wie aufs Stichwort erfolgt. Troellers Filme sind permanente Gefechte und Angriffe \u2013 sein drei\u00dfigj\u00e4hriger Krieg gegen die gro\u00dfen einfachen L\u00fcgen: die L\u00fcgen \u00fcber den Zustand unserer Erde. Seine Filme sind sachliche Protokolle der Umst\u00e4nde, Ursachen, Folgen. Die Menschen kommen zu Wort.<\/p> Troeller ist eine seltsame Spezies des real existierenden Europ\u00e4ers, noch dazu des f\u00fcr Medien t\u00e4tigen. Er guckt richtig hin, denkt nach, korrigiert sich. Und sagt das, demonstriert das, \u00f6ffentlich, im Fernsehen. (Wobei das zweite Wunder ist, da\u00df er daf\u00fcr einen Sender und zumutbare Sendezeiten findet, nicht nur in den sechziger und siebziger Jahren, auch in den Achtzigern und immer noch. Der Sender hei\u00dft Radio Bremen, der Redakteur Elmar H\u00fcgler. Das mu\u00df festgehalten werden und geh\u00f6rt auf die Leipziger Szene. Und die Erkenntnis sei bekr\u00e4ftigt: Der F\u00f6deralismus sch\u00fctze die kleinen Sender und die gro\u00dfen Charaktere\u2026).<\/p> Gordian Troeller betont, da\u00df er f\u00fcr seine Arbeit im Dokumentarfilm keine Vorbilder hat, weder personell noch stilistisch. Ihn hat, seit er in den sechziger Jahren seinen \u201aJemen-Schock\u2018 erlebte, offenbar immer st\u00e4rker der so unaufhaltbare Schrecken der b\u00f6sen Wahrheit, der verkehrt laufenden Geschichte gepackt, gefordert, bezwungen. Deshalb ist sein Aufkl\u00e4rertum als Grundhaltung zu betonen. Es verbindet ihn mit allen Gro\u00dfen des Dokumentarfilms jenseits von Stil, Temperament, \u00e4sthetischen Prinzipien und politischen Visionen. Aber er ist \u2013 wieder eine zu seltene Variante \u2013 ein unsentimentaler, illusionsloser Aufkl\u00e4rer. Die Illusionen verlor er nacheinander: als die kommunistische von den Erfahrungen im Spanischen B\u00fcrgerkrieg ausgebrannt wurde, blieben das soziale Gewissen, der kritische Impetus wach und die Hoffnung, in der Demokratie als Anwalt der Schwachen ver\u00e4ndernd wirksam zu werden. Als er erkannte, da\u00df die internationale kapitalistische Entwicklungspolitik nach dem Ende der Kolonialreiche die Dritte Welt zerst\u00f6rt und \u201aunsere\u2018 Welt bedroht, begriff er, da\u00df die verschiedenen Revolutionen, vom europ\u00e4ischen Sozialismus gest\u00fctzt und beraten, nur die Kehrseite der gleichen europ\u00e4ischen Denkweise darstellten.<\/p> Mit dieser Sicht pa\u00dfte Troeller nicht wirklich in die Bedingungen von Leipzig. F\u00fcr die Politb\u00fcros war mit deren eigener Weisheit auch die Geschichte am Ende angelangt. Die Erkenntnis zu radikaler Analyse und Selbstkritik h\u00e4tte geschichtliches Format verlangt. Inzwischen leben andere im Wahn, als Sieger am Ende der Geschichte zu sein, die nun mit Scharm\u00fctzeln und Strafaktionen zu dirigieren sei.<\/p> Gordian Troeller ist vor diesem Hintergrund doppelt wichtig in Leipzig: \u00fcberf\u00e4llig und aktuell. Der S\u00fcden als Stellvertreter-Schlachtfeld der Gro\u00dfen im Norden, der Widersinn der Strukturen in beiden europ\u00e4isch gepr\u00e4gten Machtsystemen auf die alten Kulturen und Lebensformen oktroyiert, die Momente und Inseln hoffnungsvoll wirksamer Vernunft in einzelnen L\u00e4ndern und Gebieten \u2013 das ist der thematische Raum seiner Filme.<\/p> Mancher wirft ihm Kopf- und Wortlastigkeit vor. Pur \u00e4sthetisch k\u00f6nnte man dem teilweise folgen. Doch: wenn unsere Medien der Vernunft und Wahrheit mehr Raum g\u00e4ben, brauchte der einsame Aufkl\u00e4rer weniger Zeit und Raum, \u00fcber die Welt zu reden, wie sie ist. Ja, in Troellers Filmen wird viel gesprochen. Aber es wird etwas gesagt: das, was sonst verschwiegen oder in Nebens\u00e4tze verbannt wird von den ewig redenden Politikern und den st\u00e4ndig sendenden Medien. Es ist wichtig und es tut gut, seine Bilder zu sehen und seine Gedanken zu h\u00f6ren. Sie helfen, sich gegen die selbstm\u00f6rderische Ignoranz zu wappnen, die als Lebensqualit\u00e4t gehandelt wird.<\/p> Alle sind sich einig, da\u00df Gordian Troeller eine Ausnahme ist. Nat\u00fcrlich sind Menschen selten, die so hartn\u00e4ckig nach der Wahrheit suchen und sie \u00f6ffentlich sagen, sich bewu\u00dft den Moden und Opportunit\u00e4ten entziehen und sich ebenso bewu\u00dft zwischen alle St\u00fchle der M\u00e4chtigen setzen. Aber Troellers Ausnahmeposition sagt wohl auch etwas \u00fcber unser Informationssystem und die Funktion der institutionellen Medien aus. Troeller ist genau der Typ, den unsere Welt braucht, um nicht t\u00e4glich d\u00fcmmer und gleichg\u00fcltiger zu werden. Und das ist der Typ, den die Medien verhindern oder \u00fcbersehen, wenn es ihn gibt. Man will nicht, da\u00df junge Reporter oder Dokumentaristen so werden, so scharf, beharrlich, so mit der Geschichte des Jahrthunderts verbunden. Klaus Wischnewski,<\/strong> geb. 1928, Dramaturg, Filmautor und Kritiker, u.a. bei DEFA-Spielfilmstudio, Deutsches Theater Berlin, DEFA-Dokumentarfilm. Seit 1991 Programmdirektor des Internationalen Leipziger Festivals f\u00fcr Dokumentar- und Animationsfilm<\/em><\/p> Aus:<\/em> Zwischen allen St\u00fchlen auf dem richtigen PlatzoderGordian Troeller in Leipzig \u2013 \u00fcberf\u00e4llig und im rechten Moment Er hat in 30 Jahren, von 1963 bis heute, \u00fcber 70 Filme gedreht, in Afrika und Arabien, Lateinamerika und Asien. Er hat in diesem Jahr beim 28. Adolf-Grimme-Preis die Besondere Ehrung f\u00fcr Verdienste um das Fernsehen erhalten. Gr\u00fcnde genug…<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":0,"parent":54274,"menu_order":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","template":"","meta":{"_seopress_robots_primary_cat":"","_seopress_titles_title":"","_seopress_titles_desc":"","_seopress_robots_index":"","footnotes":""},"categories":[],"tags":[],"class_list":["post-56179","page","type-page","status-publish","hentry","entry","no-media"],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/56179"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/types\/page"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=56179"}],"version-history":[{"count":1,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/56179\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":64988,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/56179\/revisions\/64988"}],"up":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/54274"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=56179"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=56179"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=56179"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}
oder
Gordian Troeller in Leipzig \u2013 \u00fcberf\u00e4llig und im rechten Moment<\/strong><\/p>
So einer st\u00f6rt.
Was kann man Besseres \u00fcber ihn sagen. Vielleicht kann die Werkschau\/Retrospektiveeinpaar junge Filmemacher provozieren? Und wenn\u2019s nur einer w\u00e4re \u2026<\/p>
Kein Respekt vor heiligen K\u00fchen, Gordian Troeller und seine Filme<\/em>
Herausgeber: Joachim Paschen<\/em>
Bremen, 1992<\/em><\/p>","protected":false},"excerpt":{"rendered":"