{"id":61292,"date":"2019-11-27T18:44:27","date_gmt":"2019-11-27T17:44:27","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=61292"},"modified":"2021-03-16T12:57:38","modified_gmt":"2021-03-16T11:57:38","slug":"eine-bezaubernde-koenigin-und-ein-koenig-der-versagte-griechenland","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/zeitungsreportagen\/eine-bezaubernde-koenigin-und-ein-koenig-der-versagte-griechenland\/","title":{"rendered":"Eine bezaubernde K\u00f6nigin und ein K\u00f6nig, der versagte (Griechenland)"},"content":{"rendered":"

Stern, Heft 50, 10. Dezember 1967<\/em><\/p>

Das Protokoll des Milit\u00e4rstaats hat der Griechenk\u00f6nigin eine Reklame-Aufgabe zugedacht: Anne-Marie mu\u00df sich mit ihren Kinder Alexia und Paul vergn\u00fcgt in der \u00d6ffentlichkeit pr\u00e4sentieren. K\u00f6nig Konstantin spielt selbst in der Reklame eine Statistenrolle \u2013 er ist nur noch eine Marionette in den H\u00e4nden der Milit\u00e4rbosse.<\/strong><\/p>

Ein Bericht von Gordian Troeller und Claude Deffarge<\/em><\/p>

Auf dieser Griechenlandreportage haben wir uns mehr die Haare ausgerissen als je zuvor. Aus Gr\u00fcnden der Sicherheit. Jedesmal, bevor wir das Hotel verlie\u00dfen, klebten wir Haare \u00fcber die Schl\u00f6sser der Koffer und Schubladen. So kontrollierten wir, ob unsere Sachen durchsucht wurden. Zehn Tage lang ging alles gut. Am elften sind die H\u00e4rchen verschwunden oder zerrissen. F\u00fcnf Filme fehlen. Auch einige Papiere. Ein Telegramm aus Hamburg hatte dem Sicherheitsdienst verraten, da\u00df wir keine Touristen waren, sondern Journalisten. Damit war unsere Mission beendet. Von nun an w\u00e4ren alle, denen wir begegneten, in Gefahr gewesen. Denn jeder ausl\u00e4ndische Journalist ist heute in Griechenland ein willkommener K\u00f6der f\u00fcr die Polizei. Er f\u00fchrt sie ungewollt zu den politischen Gegnern des Regimes.<\/p>

Seit dem Milit\u00e4rputsch vom 21. April lebt Griechenland unter Belagerungszustand. Das Parlament ist aufgel\u00f6st, alle politischen Parteien sind verboten. Theater, Film, Rundfunk, Fernsehen und Presse unterliegen der Zensur. Die Zeitungen d\u00fcrfen keine Nachrichten \u00fcber Pers\u00f6nlichkeiten bringen, die vor dem Putsch eine politische Rolle spielten. Jede Druckseite mu\u00df von der Zensur genehmigt werden.<\/p>

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Noch nie wurden die Griechen so systematisch unterdr\u00fcckt wie heute. Zu Tausenden wandern die M\u00e4nner der Opposition in Gef\u00e4ngnisse und Konzentrationslager. Leros ist zu eine Insel der Verbannten befestigt worden. In den trostlosen Geb\u00e4uden der ehemaligen italienischen Marinebasis >Sankt Georg< Werden demokratische Minister, Abgeordnete und Journalisten festgehalten<\/em><\/p><\/div><\/div>

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Wie Vieh werden die Verbannten von Leros verladen: LKWs transportieren Sie von Pir\u00e4us nach Athen. Dort erwarten sie unmenschlich harte Urteile <\/em><\/figcaption><\/figure><\/div>

Jedermann kann ohne Haftbefehl auf unbestimmte Zeit festgesetzt werden. Auf den Inseln Leros und Jaros sitzen nach offiziellen Angaben 2600 politische Gefangene. Der ehemalige Au\u00dfenminister Averoff wurde zu f\u00fcnf Jahren Gef\u00e4ngnis verurteilt, weil er in seine Privatwohnung drei\u00dfig G\u00e4ste eingeladen und damit gegen das Versammlungsverbot versto\u00dfen hatte.<\/p>

Eine Mauer des Schweigens umgibt den ausl\u00e4ndischen Journalisten. Wer wissen will, was dahinter vor sich geht, findet nur einen Gespr\u00e4chspartner: den organisierten Untergrund. In Rom, Paris und London gibt es Gruppen griechischer Exilpolitiker. Es ist nicht schwer, von ihnen n\u00fctzliche Adressen in Griechenland zu bekommen. Aber die Kontaktpersonen in Athen sind vorsichtig geworden.<\/p>

Der Widerstand orgsnisiert sich<\/strong><\/p>

Tagelang mu\u00dften wir uns von den Widerstandsgruppen \u00fcberwachen lassen und genau ihren Anweisungen folgen, bis sie \u00fcberzeugt waren, da\u00df wir kein Sicherheitsrisiko f\u00fcr ihre Organisation darstellten. Und auch dann noch glich jede Begegnung einer Szene aus einem Spionagefilm. Eine Mischung von James Bond und Karl May.<\/p>

Eines haben wir dabei feststellen k\u00f6nnen: Der Widerstand gegen die Milit\u00e4rdiktatur organisiert sich. Die Opposition hat einige Monate gebraucht, um sich wiederzufinden. Am 21. April, beim Putsch der Obersten, waren ihre F\u00fchrer buchst\u00e4blich im Schlaf \u00fcberrumpelt worden. Fast alle im Notstandsplan der NATO unter Alpha, Beta und Gamma gef\u00fchrten \u201esubversiven Elemente\u201c sa\u00dfen innerhalb von zwei Stunden hinter Schlo\u00df und Riegel. An Widerstand war nicht zu denken. Die politische Opposition war ihrer F\u00fchrer vom Zentrum bis zur \u00e4u\u00dfersten Linken beraubt.<\/p>

Nur langsam bildeten sich neue F\u00fchrer heraus. Aber auch sie fielen der Polizei zum Opfer. Es will gelernt sein, au\u00dferhalb der \u201eLegalit\u00e4t\u201c Politik zu machen. Erst der dritten Welle gelang es, den Spitzeln zu entgehen. Es waren M\u00e4nner ohne politische Vergangenheit, den Geheimdiensten unbekannt. Sie, die in keiner Notstandsliste als schwarze Schafe gef\u00fchrt werden, sind heute Vertreter eines offiziell unm\u00fcndig erkl\u00e4rten Volkes: Rechtsanw\u00e4lte, Gewerkschaftler, Studenten, \u00c4rzte und sogar Offiziere. Mit ihnen konnten wir sprechen<\/p>

Athen: Wer nicht flaggt, wandert ins Gef\u00e4ngnis<\/strong><\/p>

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M\u00f6rder und Diebe kommen im Griechenland des Jahres 1967 mit gelinden Strafen davon. Aber wer an >Nationalen Feiertagen< nicht flaggt, hat mit Zuchthaus zu rechnen. Den Athenern bleibt nichts \u00fcbrig, als mit den W\u00f6lfen zu heulen: Sie decken sich mit Fahnen ein <\/em><\/p>

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Demokraten lernen Bomben legen<\/strong><\/p>

Dieser Widerstand sammelt sich in ein paar kleineren Gruppen und in zwei gro\u00dfen Organisationen. Sie nennen sich \u201ePatriotische Front\u201c und \u201eDemokratische Verteidigung\u201c. Die \u201eFront\u201c umfa\u00dft in einem weiten F\u00e4cher alle politischen Kr\u00e4fte, von liberalen Elementen der Rechten bis zu den Kommunisten. Zum erstenmal in der griechischen Politik machen so weit auseinanderstehende Gruppen gemeinsame Sache. Ihr Ziel: Sturz der Milit\u00e4rdiktatur, freie Wahlen, parlamentarische Demokratie.<\/p>

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Die \u201eDemokratische Verteidigung\u201c setzt sich aus M\u00e4nnern des fortschrittlichen Zentrums zusammen, die das gleiche Ziel verfolgen wie die \u201ePatriotische Front\u201c. Ihr Alleingang entspricht haupts\u00e4chlich taktischen \u00dcberlegungen. Die \u201eDemokratische Verteidigung\u201c will jene Griechen sammeln, die sich vor einer Verbindung mit den Kommunisten f\u00fcrchten oder genieren. Es ist die Organisation des Mittelstandes.<\/p>

Wir treffen Vertreter der \u201eDemokratischen Verteidigung\u201c in einem Restaurant in der N\u00e4he Athens. Unser Gespr\u00e4chspartner hat eines der elegantesten gew\u00e4hlt. \u201eIn der H\u00f6hle des L\u00f6wen ist man immer am sichersten\u201c, meint er. \u201eWenn ein unbekannter Rechtsanwalt sich in einer Kneipe versteckt, kann er auch gleich ins Gef\u00e4ngnis gehen.\u201c<\/p>

Fr\u00fcher war er politisch nicht aktiv. \u201eJetzt m\u00fcssen wir, \u201aUnbescholtenen\u2018 die Verantwortung des Widerstandes tragen, den unsere F\u00fchrer in den Gef\u00e4ngnissen nur noch symbolisch verk\u00f6rpern k\u00f6nnen\u201c, erkl\u00e4rt er. \u201eWas Sie heute abend sehen k\u00f6nnen, soll der gro\u00dfen Masse nur zeigen, da\u00df es uns gibt. Gehen Sie von sieben bis Mitternacht zwischen Ihrem Hotel und der Hermesstra\u00dfe spazieren. Mehr darf ich Ihnen nicht sagen.\u201c<\/p>

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Griechenlands NATO-Soldaten stehen Spalier, wenn ihr neuer >starker Mann< zur Kirche f\u00e4hrt. Oberst Pattakos liebt Fahnen und Paraden<\/em><\/figcaption><\/figure><\/div>

>Wir sind noch Dilettanten<<\/strong><\/p>

Wir gehen brav auf und ab. Als nach drei Stunden immer noch nichts passiert, geben wir auf. Aber kaum sind wir wieder im Hotel, geht in einem leerstehenden Neubau eine Bombe hoch. Pech gehabt. Etwas pr\u00e4ziser h\u00e4tte unser Freund sich schon ausdr\u00fccken k\u00f6nnen. \u201eWir sind noch Dilettanten\u201c, erkl\u00e4rt er sp\u00e4ter. \u201eKeiner von uns konnte genau voraussagen, wann das Ding explodieren w\u00fcrde.\u201c<\/p>

Die \u201ePatriotische Front\u201c hingegen hat bewiesen, da\u00df bei ihr die Profis dienen: Eines Mittags wird eine K\u00fchlschrankverpackung auf der Stra\u00dfe abgeladen, und schon beginnt das Ding zu sprechen: \u201ePatrioten\u201c, ruft es, \u201eh\u00f6rt mir zu und unterbrecht mich nicht. Wer mich anfa\u00dft, fliegt in die Luft.\u201c Und dann folgt eine lange Rede die immer wieder von der Warnung unterbrochen wird: \u201eNicht ber\u00fchren, Explosionsgefahr.\u201c<\/p>

Als ein Polizist trotzdem an der Kiste herumfingert, spr\u00fchen Funken. Er springt zur\u00fcck, und die Ansprache geht weiter. Dann ruft die Stimme: \u201ePatrioten, tretet zur\u00fcck! Geht in Deckung, in zehn Sekunden kracht es!\u201c Dann fliegt die Kiste mit dem Tonband auseinander.<\/p>

Seit sieben Monaten Belagerungszustand<\/strong><\/p>

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Oberst Papadopoulos (links), Chef der Milit\u00e4rjunta, und sein Innenminister, General Pattakos, wollen die Arbeitslosigkeit bek\u00e4mpfen …<\/em><\/figcaption><\/figure><\/div>
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… aber die Zahl der Arbeitslosen ist gr\u00f6\u00dfer geworden, seit die Milit\u00e4rs an der Macht sind. Auf dem Athener Rathausplatz bieten die Arbeiter mit Pinsel und Handwerkszeug ihre Dienste an<\/em><\/figcaption><\/figure><\/div><\/div>\n\n
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Die Front bereitet den Aufstand vor<\/strong>
>Diesmal gehen wir nicht in die Berge<<\/strong><\/p>

Bei jeder Begegnung stellen wir fest, wir ausgezeichnet die Organisation der \u201ePatriotischen Front\u201c funktioniert. T\u00e4glich erhalten wir Flugbl\u00e4tter. Wir treffen Verantwortliche der Gewerkschaften, der Studenten. M\u00e4nner und Frauen werden uns vorgef\u00fchrt, die gefoltert worden sind, Auf dem Dachgarten des Polizeipr\u00e4sidiums, so erkl\u00e4rt man uns, werden die H\u00e4ftlinge geschlagen, gebrannt, gestochen. Unsere Gespr\u00e4chspartner versichern, da\u00df manchen Gefangenen Fl\u00fcssigkeiten eingespritzt werden, die den K\u00f6rper schmerzhaft anschwellen lassen. Sie erhalten Schl\u00e4ge auf die Fu\u00dfsohlen, bis die Haut platzt. Um die Schreie der Opfer zu \u00fcbert\u00f6nen, lauft ein Dieselmotor w\u00e4hrend der Verh\u00f6re. Wenn die Nachbarsfrauen das Motorenger\u00e4usch h\u00f6ren, schlagen sie das Kreuz.<\/p>

Einige Tage vor unserer Abreise treffen wir Tassos Demou, ein Mitglied des \u201eNationalrates der Patriotischen Front\u201c. Seinen Namen w\u00fcrfen wir nennen. Er lebt im Untergrund. Die Polizei kennt und sucht ihn. Seine Frau sitzt gefangen auf der Insel Jaros.<\/p>

Dieser Mann hat uns kommen lassen, um uns im Namen des \u201eNationalrates\u201c eine Mitteilung zu machen, die Aufsehen erregen d\u00fcrfte: \u201eEs ist beschlossen worden\u201c, sagt er mit einer etwas zu ruhigen Stimme,\u201c das Volk zum bewaffneten Aufstand aufzurufen. Der Zeitpunkt bleibt noch zu bestimmen. Aber die Vorbereitungen haben begonnen. Wir sind entschlossen, zu den Waffen zu greifen. Es bleibt uns keine andere Wahl.\u201c<\/p>

Wir erinnern an den blutigen B\u00fcrgerkrieg von 1946 bis 1949, der mit der Niederlage der Kommunisten endete. Aber Tassos Dimou winkt ab: \u201eDiesmal werden wir nicht in die Berge gehen. Die St\u00e4dte werden sich erheben. Nicht nur, wie damals, die \u00e4u\u00dferste Linke. Alle demokratischen Kr\u00e4fte rufen zu den Waffen.\u201c<\/p>

Bei nichtkommunistischen Studenten sahen wir das Portrait des s\u00fcdamerikanischen Guerillaf\u00fchrers \u201eChe\u201c Guevara an der Wand. Es stammte vom Titelbild einer franz\u00f6sischen Illustrierten. Selbst einfache Leute kaufen diese Zeitschrift, obwohl sie sie nicht lesen k\u00f6nnen. Der \u201eChe\u201c ist zum Symbol des bewaffneten Widerstandes geworden. Der Aufstand wird nicht morgen oder \u00fcbermorgen ausbrechen. Zahllose Griechen stehen dem Milit\u00e4rregime gleichg\u00fcltig bis wohlwollend gegen\u00fcber. Denn auch vor dem Putsch war Griechenland nicht gerade ein Hort der Freiheit. Bis 1963, zum Wahlsieg von Georg Papandreou, dem F\u00fchrer der Zentrumsunion, gab es fast ebenso viele politische Gefangene wie heute.<\/p>

Der Gendarm war immer Herr im Dorfe und kontrollierte die Wahlen. \u00dcber jeden B\u00fcrger wurden Karteikarten mit seiner politischen Einstellung gef\u00fchrt. Organisationen, die der K\u00f6nigin Friederike nahestanden, kamen in Verdacht, politische Gegner ermordet zu haben.<\/p>

Beamte m\u00fcssen >Persilscheine< haben<\/strong><\/p>

Aber noch nie wurde die Griechen so systematisch unterdr\u00fcckt wie heute. Sie haben vor allem noch niemals so notorisch dumme Machthaber ertragen m\u00fcssen, M\u00e4nner, denen es aus purer Einfallslosigkeit nicht gelungen ist, mehr als eine kleine Minderheit der Bev\u00f6lkerung f\u00fcr sich zu gewinnen.<\/p>

Den versprochenen wirtschaftlichen Aufschwung gibt es nur in den Propagandareden. Tats\u00e4chlich m\u00fcssen viele Betriebe Feierschichten einlegen. Die Zahl der Arbeitslosen hat sich betr\u00e4chtlich erh\u00f6ht.<\/p>

Der angesagte \u201eKampf gegen die Korruption\u201c war bisher die zugkr\u00e4ftigste Parole der Milit\u00e4rs. Dummerweise entgeht es keinem Griechen, da\u00df auch die Vertreter des neuen Regimes k\u00e4uflich sind. Nur die Preise sind gestiegen. Die Vetternwirtschaft besteht wie einst und je. In kleinen St\u00e4dten und D\u00f6rfern machen sich Offizieren oft gar nicht mehr die M\u00fche, um ihre Zeche zu feilschen. Sie zahlen ganz einfach nicht.<\/p>

Nein, es ist den Putschisten nicht gelungen, die Mehrheit der Bev\u00f6lkerung f\u00fcr sich zu gewinnen. Das Milit\u00e4rregime ist gezwungen, sich ausschlie\u00dflich auf Soldaten, Polizisten, Spitzel und Gendarmen zu st\u00fctzen, das hei\u00dft: auf die Gewalt. Kinder, deren Eltern eine \u201elinke\u201c Vergangenheit haben, d\u00fcrfen nicht studieren. Sechstausend wurden zum Semesteranfang abgewiesen. Beamte m\u00fcssen Loyalit\u00e4tserkl\u00e4rungen unterschreiben oder politische Leumundszeugnissen beibringen. Sie k\u00f6nnen ihre Posten verlieren, falls Verwandte politisch t\u00e4tig sind. Wer sich von \u201elinken\u201c \u00c4rzten behandeln l\u00e4\u00dft oder politisch verd\u00e4chtige Rechtsanw\u00e4lte konsultiert, wird unter Druck gesetzt. Wer unvorsichtige Reden \u00fcber den Innenminister Pattakos f\u00fchrt, mu\u00df mit vielen Jahren Zuchthaus rechnen. Auch wer an Festtagen nicht flaggt, wandert ins Gef\u00e4ngnis.<\/p>

Fl\u00fcsterparole: >Verbraucht mehr Strom<<\/strong><\/p>

Die Folge des Terrors ist Mi\u00dftrauen und Angst. Freunde h\u00fcten sich, miteinander \u00fcber Politik zu sprechen. Portiers und Nachbarn werden zu potentiellen Feinden. Denunzianten sind der Polizei herzlich willkommen.<\/p>

Der Opposition kann es nur recht sein. Je unertr\u00e4glicher die Atmosph\u00e4re wird, desto gr\u00f6\u00dfer wird die Bereitschaft zum Widerstand. Die strengen Sparverordnungen im Stromverbrauch kommen der Opposition wie gerufen. Ab sofort mu\u00df jeder Grieche 30 Prozent weniger verbrauchen als im M\u00e4rz dieses Jahres, sonst bekommt er \u00fcberhaupt keinen Strom mehr. Die Fl\u00fcsterparole der Opposition lautet: \u201eVerbraucht mehr Strom denn je.\u201c<\/p>

Noch ist der aktive Widerstand schwach. Solange die Polizei das Land unter Kontrolle h\u00e4lt, haben die Putschisten \u201evon unten\u201c nichts zu f\u00fcrchten. Gefahr droht ihnen zur Zeit nur \u201evon oben\u201c: von der entmachteten konservativen F\u00fchrungsschicht und ihrem obersten Repr\u00e4sentanten, dem K\u00f6nig. Noch immer hat Konstantin II. einen Teil der Armee und die Unterst\u00fctzung des amerikanischen Au\u00dfenministers hinter sich. Denn Washington will dem NATO-Partner Griechenland wenigstens den Anschein parlamentarischer Demokratie wiedergeben.<\/p>

Eine geheime Umfrage der CIA<\/strong><\/p>

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Harte Western sind bei der Milit\u00e4rregierung nicht beliebt: Sie k\u00f6nnten das Volk zum Aufruhr reizen. Ein Pinselkommando musste auf allen Plakaten die Pistolen in den F\u00e4usten der Stars \u00fcbermalen<\/em><\/figcaption><\/figure><\/div>

Die Amerikaner wissen, da\u00df die Putschisten niemals ihr Versprechen einl\u00f6sen k\u00f6nnen, freie Wahlen vorzubereiten, ohne gleichzeitig ihr Todesurteil zu unterschreiben. Sie glauben auch \u2013 und der amerikanische Botschafter in Athen scheut sich nicht, es im Freundeskreis zu sagen \u2013, da\u00df der augenblickliche Terror eine derartige Radikalisierung der Opposition zur Folge haben wird, da\u00df schon in wenigen Monaten eine \u201egem\u00e4\u00dfigte\u201c L\u00f6sung der Krise gar nicht mehr m\u00f6glich sein kann. Deshalb dr\u00e4ngen die Amerikaner den K\u00f6nig zum Handeln. Sie haben die politische Stimmung selbst durch eine geheime Meinungsumfrage getestet. Und diese Umfrage, so hei\u00dft es in Athen, sollte zum Anla\u00df des Staatsstreiches vom 21. April werden.<\/p>

Es geschah im M\u00e4rz dieses Jahres. Eine \u00dcbergangsregierung sollte damals Wahlen f\u00fcr den 28. Mai vorbereiten. Um das Wahlergebnis absch\u00e4tzen zu k\u00f6nnen, f\u00fchrte die CIA (der amerikanische Geheimdienst) eine grunds\u00e4tzliche Meinungsumfrage im ganzen Land durch. Das Ergebnis: Die in Opposition stehende liberale Zentrumsunion und die Linke erhielten bei dieser Umfrage 63 Prozent der Stimmen, Dieses Wahlergebnis h\u00e4tte das Ende der konservativen F\u00fchrungsschicht bedeutet, und m\u00f6glicherweise auch das Ende der Dynastie. Die beiden Pfeiler der amerikanischen Politik waren bedroht.<\/p>

Also durften diese Wahlen nicht stattfinden. Ein weitverbreitetes Ger\u00fccht in Athen will wissen, da\u00df das State Department in Washington dem K\u00f6nig zu einem Staatsstreich riet. Prompt habe er sich mit einer Gruppe ihm ergebener Generale umgeben und die Aktion vorbereitet.<\/p>

Der K\u00f6nig hat noch eine Chance<\/strong><\/p>

Der CIA jedoch, nur selten mit der Politik des Au\u00dfenministeriums einverstanden, erschien diese L\u00f6sung angeblich zu weich. Deshalb habe die CIA dem Oberst Papadopoulos, einem alten Geheimdienstler, zu einem Gegenputsch geraten, der in einem Zuge das alte \u201eEstablishment\u201c und die Opposition matt setzen w\u00fcrde. Was auch meisterhaft geschah.<\/p>

Der um seinen Privatputsch betrogene K\u00f6nig mu\u00dfte seine Getreuen beschw\u00f6ren, die Ruhe zu wahren und abzuwarten. Sie taten es so lange, bis der K\u00f6nig gezwungen war, 1800 Offiziere aus Heer, Polizei und Gendarmerie zu entlassen. Er deckte die putschenden Obersten, indem er sich mit ihnen fotografieren lie\u00df, ihren Kabinettsitzungen vorstand und ihre Notstandsverordnungen unterschrieb. Jetzt verlangen sie immer schmerzlichere Unterschriften. Die letzte entfernte vier royalistische Minister aus der Regierung und bef\u00f6rderte den Obersten Papadopoulos zu einer Art Superpr\u00e4sidenten, dem eigentlichen Diktator des Landes.<\/p>

Trotzdem bleibt der k\u00f6nigstreue Widerstand in der Armee betr\u00e4chtlich. Die Putschisten mu\u00dften zwischen ihnen ergebene Eliteregimenter in die N\u00e4he Athens verlegen, um vor \u00dcberraschungen sicher zu sein. Die Chancen des K\u00f6nigs und der Konservativen steigen, je st\u00e4rker der Druck der \u00f6ffentlichen Meinung Europas gegen das Milit\u00e4rregime wird. Ein Sieg der entthronten Konservativen w\u00fcrde vielen westlichen Regierungen genehm sein.<\/p>

Die Widerstandsbewegung aber will die R\u00fcckkehr des alten Regimes verhindern. Sie f\u00fchrt einen Zweifrontenkrieg: gegen die Milit\u00e4rdiktatur und gegen den K\u00f6nig. Bis jetzt sind die Geschicke Griechenlands meist ohne Zustimmung des Volkes und oft gegen seinen Willen gesteuert worden. Wenn der heutige Machtkampf wiederum von \u201eoben\u201c entschieden werden sollte, d\u00fcrften blutige Zeiten bevorstehen.<\/p>

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