{"id":63363,"date":"2020-09-10T22:42:13","date_gmt":"2020-09-10T20:42:13","guid":{"rendered":"http:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=63363"},"modified":"2022-08-03T15:11:28","modified_gmt":"2022-08-03T13:11:28","slug":"die-hoelle-der-schwiegertoechter-indien","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/zeitungsreportagen\/1-die-frauen-dieser-welt\/die-hoelle-der-schwiegertoechter-indien\/","title":{"rendered":"Die H\u00f6lle der Schwiegert\u00f6chter (Indien)"},"content":{"rendered":"
Stern, Heft 41, 10. Oktober 1965<\/em><\/p> .<\/p> Die H\u00f6lle der Schwiegert\u00f6chter. Indiens Gesetze versprechen den Frauen Gleichberechtigung, aber das Kastensystem zwingt sie, Z\u00e4rtlichkeit und Mutterliebe zu verstecken. Selbst bei reichen Leuten wird die Braut nach der Hochzeit zum Dienst M\u00e4dchen der Schwiegermutter. <\/strong><\/p> Vor dem Brunnen stehen zwei Kinder. Ein Junge und ein M\u00e4dchen von vielleicht f\u00fcnf Jahren. W\u00e4hrend das M\u00e4dchen sein Kleid bis zu den Achseln hochh\u00e4lt, \u00fcbergie\u00dft der Junge den blo\u00dfen Teil des K\u00f6rpers mit Wasser. Besonders viel gie\u00dft er \u00fcber den R\u00fccken. Und nun kommt er an die Reihe. Die Kleine f\u00fcllt den Eimer und leert ihn \u00fcber das Hinterteil des Begleiters.<\/p> Dann blicken die beiden sich fragend an. Der Junge sch\u00fcttelt den Kopf. Ihm scheint es nicht zu gen\u00fcgen. Wiederum wird der Eimer gef\u00fcllt, und es geht von vorne los. Zun\u00e4chst sie. Dann er. Nach der zweiten Waschung hat das M\u00e4dchen Bedenken. War es genug? Anscheinend nicht. Die Kleine greift wieder zum Eimer, und diesmal werden die B\u00e4uche mit besonderer Energie \u00fcbergossen.<\/p> Ich wei\u00df nicht, wie lange dieses Spiel gedauert h\u00e4tte, wenn wir nicht aufgetaucht w\u00e4ren. Aber war es ein Spiel? Nein. Diese Kinder mu\u00dften irgendetwas Verbotenes getan oder ber\u00fchrt haben und versuchten nun verzweifelt, sich vom Fluch der Unreinheit zu befreien, bevor sie es wagten, nach Hause zu gehen. Vielleicht hatten sie mit Kindern der \u201eUnber\u00fchrbaren\u201c gespielt. Jedenfalls kannten sie den t\u00e4glich von Mutter und Vater eingepaukten Refrain: \u201eBer\u00fchre nichts Unreines!\u201c Und da die Skala der unber\u00fchrbaren Dinge und Menschen so unendlich gro\u00df ist, da\u00df nur Schriftgelehrte sich zurechtfinden, k\u00f6nnen sie nie genau wissen, wann sie s\u00fcndigen. Jetzt zum Beispiel rennen sie davon \u00fcber Kuhfladen und Kot, der um ihre Waden spritzt. Das ist unsere Schuld. Sie haben Angst. Aber m\u00fcssen sie sich jetzt wieder waschen?<\/p> Neben einer Kuhflade begr\u00fc\u00dft uns auch der B\u00fcrgermeister. Wir hatten ihn gebeten, die Frauen in seinem Dorf studieren zu d\u00fcrfen, und nun werden wir feierlich empfangen. \u00dcberall Neugierige. Meistens M\u00e4nner. Die wenigen Frauen h\u00fcllen ihre Gesichter in gro\u00dfe Schals. F\u00fcr die Augen lassen sie einen schmalen Schlitz frei, der immer kleiner wird, je n\u00e4her wir kommen. Als das Loch gerade noch gro\u00df genug ist, um ein Auge auf die \u201ekomischen Ausl\u00e4nder\u201c zu werfen, hebt der B\u00fcrgermeister anklagend seinen Zeigefinger und erkl\u00e4rt uns: \u201eDaran ist der Islam schuld. Sie wissen sicher, da\u00df Indien einmal von den Mohammedanern \u00fcberrannt worden ist. Die vergewaltigten alle einigerma\u00dfen h\u00fcbschen Frauen. Was blieb den Indern \u00fcbrig als ihre Frauen einzusperren? Oder wenigstens zu verschleiern? Und so ist es bei uns geblieben. Die verdammten Mohammedaner haben alles verdorben.\u201c<\/p>