{"id":65100,"date":"2024-02-08T15:50:42","date_gmt":"2024-02-08T14:50:42","guid":{"rendered":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/?page_id=65100"},"modified":"2024-02-18T11:04:13","modified_gmt":"2024-02-18T10:04:13","slug":"die-revolution-der-generaele","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/die-revolution-der-generaele\/","title":{"rendered":"Die Revolution der Generale"},"content":{"rendered":"

Peru 1969<\/p>

Ein Bericht von Gordian Troeller und Claude Deffarge<\/p>

Konkurrenz f\u00fcr Fidel Castro: Zum erstenmal in S\u00fcdamerika ist die Armee dem Aufstand der Besitzlosen zuvorgekommen. Perus Generale verordneten die Revolution, statt sie zu bek\u00e4mpfen.<\/strong><\/p>

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Ganz Amerika, blickt auf Peru \u2013 voll Angst, Hoffnung und Mi\u00dftrauen. Im Land der Inkas hat die Armee die Macht ergriffen, um Fidel Castro Konkurrenz zu machen. Die Generale enteigneten den nordamerikanischen Erd\u00f6lkonzern IPC und den gesamten Grundbesitz. Aber die Milit\u00e4rs von Peru sind keine Sozialisten. Pr\u00e4sident, General Velasco Alvarado, der seine Tochter zur prunkvollsten Hochzeit des Jahres f\u00fchrte, l\u00e4\u00dft sich als Vater der Revolution feiern<\/strong> …<\/p><\/div><\/div>

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… doch den Arbeitern der enteigneten Plantagen geht es nicht besser. Vor offiziellen Besuchern freilich begr\u00fc\u00dfen sie mit erhobenen Macheten die Landreform.<\/strong> <\/p>

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Die revolution\u00e4re Linke schw\u00f6rt weiter auf Castro und auf den bewaffneten Aufstand nach kubanischem Vorbild. \u00dcberall im Land erscheinen an H\u00e4userw\u00e4nden Hammer und Sichel.<\/strong><\/p><\/div>

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Der Erzbischof von Lima tippte auf Sieg. Er sagte zwei zu eins voraus und schlo\u00df die peruanische Nationalelf in sein Gebet ein. Die regierenden Generale versprachen den Spielern gl\u00e4nzende Orden, falls sie sich mit einem Unentschieden gegen Argentinien f\u00fcr die Fu\u00dfballweltmeisterschaft in Mexiko qualifizieren w\u00fcrden. Die Milit\u00e4rs brauchten einen Anla\u00df zum Volksjubel, und sie bekamen ihn: Peru spielte unentschieden. Der Volksjubel wird mit der gleichen milit\u00e4rischen Pr\u00e4zision durchgef\u00fchrt wie die unblutige Macht\u00fcbernahme der Generale am 3. Oktober letzten Jahres. Eines der ersten Opfer sind wir selbst. \u00dcber Nacht ist unser Mietwagen mit den Farben Perus bemalt werden \u2013 rot \u2013 wei\u00df \u2013 rot \u2013 und auf allen Scheiben steht in wei\u00dfer Farbe \u201eArriba Peru.\u201c \u2013 Es lebe Peru. alle Autos sehen so aus. Eigentlich ein lustiger Anblick, wenn die malenden Propagandagruppen nur gen\u00fcgend Platz zum Sehen, gelassen h\u00e4tten. Aber wer wagt es schon, die nationalen Farben abzukratzen, war doch gestern ein Mann verurteilt worden, weil der Zustand, der vor seinem Haus flatternden Fahne nicht der W\u00fcrde des nationalen Symbols entsprach.
\u201eWir sind die Gr\u00f6\u00dften\u201c, schallt es aus den Wolkenkratzern, an deren Glasfassaden pl\u00f6tzlich Lautsprecher wie Schwalbennester kleben. Es kann niemandem entgehen, wer f\u00fcr den Sieg verantwortlich ist: \u201eDas wiedererstarkte Vaterland \u2013 \u201eDas neue Bew\u00dftsein\u201c \u2013 \u201eSpieler, die endlich wissen, wof\u00fcr sie spielen: f\u00fcr ein Land, das den Kopf stolz in die H\u00f6he reckt und vor niemandem mehr Angst hat.\u201c
Die Generale haben es geschafft. Zum erstenmal seit der Machtergreifung ernten sie massiven Beifall. Sie brauchen ihn, denn die Aufgaben, die sie erwarten, sind gewaltig.<\/p>

Vor einem Jahr st\u00fcrzte die Armee des gew\u00e4hlten Pr\u00e4sidenten, Fernando Bellaunde Terry und setzte Generalstabschef Juan Velasco Alvarado auf dessen Stuhl. Es sah zun\u00e4chst wie eine der \u00fcblichen s\u00fcdamerikanischen Milit\u00e4rputsche aus. Aber dann benahmen sich die Generale h\u00f6chst ungew\u00f6hnlich. Sie verk\u00fcndeten eine \u201eRevolution von oben\u201c und legten sich mit den USA an. Die Milit\u00e4rregierung, enteignete die nordamerikanische \u201eInternational Petroleum Company.\u201c ( IPC), verjagte die kalifornischen Thunfischer vor ihren K\u00fcsten und dekretierte eine radikale Landreform. Peru sollte der erste Staat des Kontinents werden, in dem die Armee die Revolution selbst durchf\u00fchrte, statt sie zu bek\u00e4mpfen.<\/p>

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Diese Wellenreiter sind keine Sportler. Es sind Fischer auf ihren \u201eStrohpferdchen\u201c wie sie die Boote aus der Zeit der Inkas nennen. Oft sind sie tagelang unterwegs und schleppen ihren mageren Fang an Leinen hinter sich her. Noch vor einer Generation waren sie Bauern, bis sie von den Gro\u00dfgrundbesitzern vertrieben wurden. Jetzt hat ihnen die Regierung die R\u00fcckgabe ihres Bodens versprochen. Schon im Vorgriff auf ihr Recht bauen die Fischer in Kollektiv,arbeit im Hinterland, Bew\u00e4sserungskan\u00e4le zu ihrem zuk\u00fcnftigen Besitz<\/em><\/p>

Die Lage im Peru schreit tats\u00e4chlich nach radikalen Ma\u00dfnahmen. In allen Nationen Lateinamerikas geht es darum, die st\u00e4ndig wachsende Verarmung aufzuhalten. Die Ausfuhr dieser L\u00e4nder besteht haupts\u00e4chlich aus Rohstoffen, deren Preise st\u00e4ndig sinken, w\u00e4hrend die eingef\u00fchrten Fertigpprodukte der Industrienationen immer teurer werden. Zum Beispiel: 1960 kostete ein Traktor 32 Sack Kaffee. Heute m\u00fcssen 75 Sack daf\u00fcr geliefert werden. Auch private Investitionen und Entwicklungshilfe k\u00f6nnen diesen Trend nicht aufhalten. Im Gegenteil: Sie pumpen die Entwicklungsl\u00e4nder leer. In den letzten vier Jahren haben ausl\u00e4ndische Firmen in Peru zwar 58 Millionen Dollar investiert, daf\u00fcr aber 347 Millionen an Gewinn und Zinsen ausgef\u00fchrt. Sie besitzen 85 Prozent aller Minen, kontrollieren 80 % der verarbeitenden Industrie und nahe zu 100 % des Rohstoffhandels. Peru schuldet dem Ausland heute 847 Millionen Dollar. Hinzu kommen die krassen inneren Gegens\u00e4tze zwischen arm und reich: 24.000 Reiche verdienen so viel wie der gesamte Rest der Bev\u00f6lkerung.<\/p><\/div>

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Peru, ist die bedeutendste Fischereination der Erde. Der Fang \u2013 allj\u00e4hrlich \u00fcber 8 Millionen Tonnen \u2013 wird zu Fischmehl verarbeitet und exportiert. Die Indios am Strand von Chimbote warten mit dem Pelikan auf den Abfall, den das Meer ans Land sp\u00fclt.<\/em><\/p><\/div><\/div>

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Der enteignete Chef sitzt weiter in seinem B\u00fcro<\/h4>

Das soll jetzt anders werden. Wenigstens haben General Velasco, Alvarado und seine Regierung dies versprochen. Die Wirklichkeit aber sieht weniger vielversprechend aus. Die spektakul\u00e4re Enteignung der amerikanischen Erd\u00f6lgesellschaft IPC war vor allem eine demagogische Ma\u00dfnahme, denn in Peru liegt der Schwerpunkt der amerikanischen Interessen nicht im Erd\u00f6l, sondern im Bergbaugesch\u00e4ft. Und auf diesem Gebiet spricht niemand von Enteignung. Im Gegenteil, die Regierung garantiert ausdr\u00fccklich, da\u00df auch zuk\u00fcnftige Investitionen unangetastet bleiben.
Die peruanische Landreform hingegen ist so radikal, da\u00df selbst Fidel Castro sein Lob aussprach. Im K\u00fcstenland sollen alle Besitzungen von \u00fcber 150 ha enteignet werden. Im Bergland liegt die erlaubte Grenze zwischen 15 und 55 ha. Um zu zeigen, da\u00df sie es ernst meinen, enteigneten die Milit\u00e4rs sofort die gr\u00f6\u00dften und rentabelsten Zuckerrohrplantagen.
Die gr\u00f6\u00dfte von ihnen ist \u201eCasagrande\u201c, die Plantage der deutschst\u00e4mmigen Familie Gildemeister. Sie \u00fcbertrifft an Ausdehnung Holland und ist der gr\u00f6\u00dfte landwirtschaftliche Betrieb der Welt.
\u201eSchweige, bete und arbeite\u201c, steht in gro\u00dfen Buchstaben auf Lateinisch (tace, ora et labora) am Eingang der Zuckerraffinerie von Casagrande. Direkt unter der Uhr, dem Symbol der P\u00fcnktlichkeit.
Wir wundern uns ein wenig, da\u00df die revolution\u00e4ren Milit\u00e4rs dieses Motto feudalistischer Arbeitsmoral nicht beseitigt haben. Wir wundern uns noch mehr, als wir erfahren, da\u00df Juan Gildemeister immer noch in seinem B\u00fcro sitzt und weiterhin die Plantage verwaltet, obwohl sein Besitz enteignet wurde. Zwar gibt es einen von der Regierung, eingesetzten Generalverwalter, aber der Herr l\u00e4\u00dft uns bestellen, da\u00df er krank sei und uns nicht empfangen k\u00f6nne,<\/p>

Gildemeister will es auch nicht, obwohl er gesund ist. Die Polizei von Casagrande erh\u00e4lt Anweisung, uns das Fotografieren zu verbieten. Ja, selbst die 30 deutschen Techniker und Ingenieure weichen uns aus. Die Gildemeisters scheinen alles noch fest in der Hand zu haben. \u201eEr bleibt nur als einfaches Mitglied der Genossenschaft\u201c, hatten uns die Verantwortlichen der Bodenreform in Lima gesagt. \u201eDas ist eine romantische Geste.\u201c
Hier, an Ort und Stelle scheint diese Geste eher n\u00fcchterne \u00dcberlegung zu entsprechen: \u201eSolange ein Gildemeister hier ist\u201c, gesteht uns ein Arbeiter, \u201ehat sich f\u00fcr uns nichts ge\u00e4ndert.\u201c Und ein ausl\u00e4ndischer Ingenieur vertraut uns an: \u201eDie Gildemeisters haben uns unser Gehalt f\u00fcr die Gesamtdauer unserer Vertr\u00e4ge garantiert \u2013 aus eigener Tasche \u2013, obwohl die Regierung das gleiche getan hat.
\u201eWarum diese Gro\u00dfz\u00fcgigkeit?\u201c will ich wissen.
\u201eNa ja,\u201c, meint der Herr etwas verlegen. \u201eDas liegt doch auf der Hand. Falls die Bodenreform schief geht, w\u00e4re es doch schade, eine ruinierte Plantage zur\u00fcck zu bekommen.\u201c<\/p>

Die Gegner der Armee warten auf den Tag der Revanche<\/h4>

So also sieht die Rechnung aus. Denn man wei\u00df, da\u00df die Regierung nicht geschlossen hinter General Velasco Alvarado steht. Nur ein Drittel der Minister folgen bedingungslos dem harten revolution\u00e4ren Kurs. W\u00e4hrend die restlichen gem\u00e4\u00dfigt oder sogar konservativ sind. Der Erziehungsminister hat sich nicht gescheut, den schulgeldfreien Unterricht abzuschaffen. Nur eine blutige Revolte von Sch\u00fclern und Bauern zwang ihn dazu, seine Ma\u00dfnahme r\u00fcckg\u00e4ngig zu machen. Er r\u00e4chte sich an den Studenten, indem er alles aufhob, was sie bisher erreicht hatten: Autonomie, Mitverwaltung, Versammlungsrecht. Reaktion\u00e4rer geht es kaum.
General Velasco Alvarado und seine radikalen Kameraden st\u00fctzen sich ausschlie\u00dflich auf die Armee. Die Luftwaffe macht nur z\u00f6gernd mit, w\u00e4hrend die aristokratisch ausgerichtete Marine sich betrogen f\u00fchlt und auf die Gelegenheit zur Revanche wartet.
Diese Widerspr\u00fcche innerhalb der Regierung treten immer deutlicher zutage. Die enteigneten Gro\u00dfgrundbesitzern warten auf den Moment, an dem die prek\u00e4re Koalition der Milit\u00e4rs bricht, und sie bem\u00fchen sich, diesen Tag herbeizuf\u00fchren.
Aber nicht nur die ehemaligen Gro\u00dfgrundbesitzer stellen sich gegen die Bodenreform. Selbst die Gewerkschaften der Zuckerrohrindustrie leisten passiven Widerstand. Ihre 20.000 Mitglieder wollen nicht so recht mitmachen. Und dabei sollen gerade die Arbeiter, in Genossenschaften organisiert, die neuen Besitzer der gro\u00dfen L\u00e4ndereien und Fabriken werden. Aber die Arbeiter bestehen darauf, weiterhin in Gewerkschaften organisiert zu bleiben.
\u201eEs wird immer jemanden geben, der befiehlt auch wenn wir offiziell die Besitzer sind\u201c, erkl\u00e4rt uns Rodolfo Garcia, General Sekret\u00e4r, der Zuckerrohrindustrie-Gewerkschaft. \u201eWir werden unsere Interessen auch in Zukunft verteidigen m\u00fcssen, und das k\u00f6nnen wir nur als Gewerkschaft tun.\u201c
Wir sitzen in seinem prachtvolle B\u00fcro in der ehemals amerikanische Plantage \u201eCartavo\u201c, 600 km n\u00f6rdlich von Lima. Eben hat uns der Generalsekret\u00e4r durch die R\u00e4umlichkeiten der Gewerkschaft gef\u00fchrt. Gro\u00dfe Bibliotheken, Versammlungsr\u00e4ume mit Tonbandanlagen, Kino f\u00fcr 1000 Zuschauer, Schwimmbad, Fu\u00dfballplatz, Druckerei. Jetzt z\u00e4hlt er auf, was die Gewerkschaft sonst noch der Plantagen-Gesellschaft abgetrotzt hat: ein Pfund Fleisch und ein Pfund Reis pro Tag f\u00fcr jeden Arbeiter. Dazu 3,4 Kilo Butter und f\u00fcnf Kilo Zucker pro Monat. Freie Wohnung. Vier Wochen bezahlten Urlaub. Freie Pflege bei Krankheit. Volles Gehalt nach der Pensionierung und Recht auf Wohnung bis ans Lebensende.
\u201eDeshalb braucht das Grundgehalt nicht h\u00f6her als 50 Soles (5 Mark zu liegen\u201c, meint er. \u201eIn Peru gibt es kaum Arbeiter, die so gut leben wie wir hier.\u201c
\u201eW\u00e4re es nicht besser, ihr h\u00e4ttet ein anst\u00e4ndiges Gehalt anstelle dieser Gaben in Naturalien? Das ist doch schlimmer Paternalismus.\u201c<\/p>

Wir verlangen von allen blinden Gehorsam<\/h4>

Er l\u00e4chelt verschmitzt.: \u201eDas Fleisch mu\u00df von bester Qualit\u00e4t sein. Und wenn es in Peru an Fleisch mangelte, dann mu\u00dfte der Besitzer eben gutes Fleisch einf\u00fchren. Sonst streikten wir. Aber wie wird das jetzt werden?\u201c f\u00fcgte er nachdenklich hinzu. \u201eMit der Regierung? Wer streikt, gilt als Saboteur und kommt vors Kriegsgericht \u2026\u201c
Seine Sorge ist begreiflich. Mit der Privatfirma hatte die Gewerkschaft sich eingespielt. Es war ein Zwiegespr\u00e4ch zwischen unabh\u00e4ngigen Partnern. Die Regierung dagegen l\u00e4\u00dft nicht mit sich reden. Gegen sie kann man keinen Druck aus\u00fcben, ohne vor Gericht gestellt zu werden.
Unverbl\u00fcmt erkl\u00e4rt uns dann auch der neue Verwalter der enteigneten amerikanischen Zuckerrohrplantagen: \u201eWenn das Produktionsniveau trotz Landreform erhalten bleiben soll, dann habe ich die Pflicht und das Recht, von allen blinden Gehorsam zu verlangen. Von jetzt an hat der Staat seine Angestellten.\u201c
Als wir die Arbeiter auf den Feldern fragten, was sie von der Bodenreform halten, meinten sie: \u201eEs una pelea de blancos – das ist ein Streit zwischen Wei\u00dfen.\u201c Womit sie ausdr\u00fccken, da\u00df Indianer und arme Mischlinge wie immer ungefragt akzeptieren m\u00fcssen, was die m\u00e4chtigen Wei\u00dfen in Lima unter sich aushandeln. Und dabei ist Peru, ein Land von Indianern. 55 Prozent der Einwohner sprechen heute noch die Indianersprache Ketschua. Sie h\u00e4tten es lieber gesehen, wenn die Regierung zun\u00e4chst den indianischen Kommunen ihre gestohlenen L\u00e4ndereien zur\u00fcckgegeben und die unrentabelen landwirtschaftlichen Kleinstbetriebe kollektiviert h\u00e4tte. Stattdessen haben die Generale zun\u00e4chst jene Besitzungen enteignet, die h\u00f6chst rentabel sind und keiner Struktur\u00e4nderung bed\u00fcrfen.
Doch es ging der Armee vor allem um die politische Entmachtung der Gro\u00dfgrundbesitzer. Die Landoligarchie soll getroffen werden, damit die st\u00e4dtische Bourgeoisie ihren Einflu\u00df verst\u00e4rken kann. Das Los der Arbeiter und Bauern wird sich nicht \u00e4ndern. Es ist auch bezeichnend, da\u00df die Regierung jede Mobilisierung der Massen wie zum Beispiel die Bildung von Arbeiterr\u00e4ten und \u201eUnterst\u00fctzungskomitees\u201c ablehnt, ja sogar bek\u00e4mpft.
Aus diesem Grunde macht die revolution\u00e4re Linke nicht mit. Nur die Kommunisten Moskauer Linie unterst\u00fctzen die Generale. Dagegen erkl\u00e4rt Ricardo Letts, Generalsekret\u00e4r der guevaristischen \u201eVanguardia Revolucionaria\u201c: Die Generale wollen eine Revolution machen, ohne da\u00df die Leute auf die Stra\u00dfe gehen. Sie wollen etwas Unm\u00f6gliches, und darum werden sie scheitern.\u201c
Noch radikaler, denken die revolution\u00e4re Studenten. Uns sagte ein angehender Priester: \u201eDiese Revolution gegen die Oligarchie zugunsten des Mittelstandes und die Verschiebung der Macht vom Landbesitz zum industriellen Kapital l\u00e4\u00dft den Bauern und Arbeitern keine andere Wahl als den bewaffneten Aufstand.\u201c
Das d\u00fcrfte ihnen jedoch kaum gelingen. Hoch in den Bergen erleben wir, wie die revolution\u00e4re Regierung mit demonstrierenden Arbeitern umgeht. 4000 Bergleute der amerikanischen Kupfermine \u201eCorise\u201c sind \u00fcber einen 5400 m hohen Pa\u00df geklettert, um auf Lima zu marschieren. Wir treffen sie in 4000 m H\u00f6he, als sie schon eine Woche unterwegs sind. Indianer mit ihren Frauen und Kindern. Was wollen Sie? Eine Lohnerh\u00f6hung von 1,50 DM pro Tag. Aber 3000 Soldaten werden mit Autobussen herangeschleppt, die von der amerikanischen Mine gemietet wurden. Tr\u00e4nengas und Kn\u00fcppel stoppen den Marsch der Arbeiter. F\u00fcnfhundert werden verhaftet.
\u201eHunderttausende werden auf die Stra\u00dfe gelockt, um den Fu\u00dfball Sieg zu feiern.\u201c, sagt uns ein Indianer. \u201eWenn aber ein paar Arbeiter Gerechtigkeit fordern, kn\u00fcppelt man sie nieder. Jetzt wissen wir, mit wem wir es zu tun haben.\u201c
Auch die Armen der \u201eBarr\u00ecadas\u201c \u2013 jener miserablen Vorst\u00e4dte, die wie giftige Pilze um Lima wuchern \u2013 haben die \u201eNeue Ordnung\u201c zu sp\u00fcren bekommen. Viele von ihnen lebten vom Verkauf billiger Waren, die sie in den Stra\u00dfen anboten. Die Polizei hat sie vertrieben, um das Stadtbild zu versch\u00f6nern. Dabei wurde zur \u00dcberraschung aller festgestellt, da\u00df zweitausend heimliche Werkst\u00e4tten und kleine Fabriken in den \u201eBarr\u00ecadas\u201c funktionierten und diese Waren herstellten \u2013 vom Bonbon bis zum B\u00fcstenhalter.<\/p>

Die Enkel der Inkas sind idie \u00c4rmsten in Peru<\/strong><\/p>

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Peru, spiegelt das Elend Latein Amerikas wieder: die Bev\u00f6lkerung hat sich in 30 Jahren verdoppelt, und Hunger und Armut wachsen mit. Der Durchschnitts Peruaner muss mit knapp 100 DM im Monat auskommen. Nur die Erfindungsreichsten kommen durch. Wer geschickt genug ist, bastelt sich aus drei alten Autos ein Taxi zusammen. In Lima laufen rund 21.000 davon ohne Lizenz \u2013 wie dieser Packard, Modell 3,8.<\/figcaption><\/figure>
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In der gro\u00dfen Gesellschaft von Lima gibt es kaum einen Tropfen indianische Blutes. Blond \u00fcberwiegt, und die Dunkelhaarigen berufen sich stolz auf ihre spanische Herkunft<\/p><\/div><\/div>

J\u00e4hrlich 75.000 neue Obdachlose in Lima<\/h4>

Mit Mut und Initiative hatten die Armen sich selber geholfen. Jetzt ist es aus, die Gesch\u00e4ftsleute von Lima haben es so gewollt. Aber Stellungen f\u00fcr die nun doppelt Arbeitslosen gibt es nicht \u2013 auch keine Unterst\u00fctzung. Um weiterzuleben, bleibt ihnen nur das Verbrechen. Und j\u00e4hrlich kommen 75.000 Obdachlose hinzu, die in den Bergen keine Nahrung mehr finden.
\u201eKein Wunder, da\u00df Washington keine Sanktionen ergriffen hat, als die amerikanische Erd\u00f6lgesellschaft enteigne wurde\u201c, erkl\u00e4rt uns ein Amerikaner, der zu den revolution\u00e4ren Priestern Lateinamerikas geh\u00f6rt. \u201eDen Vereinigten Staaten kommen die neuen Herren Perus wie gerufen. Die politische Stabilit\u00e4t in den amerikanischen Einflu\u00dfzonen ist weit wichtiger als die Interessen einiger privater Kapitalisten. Es geht um die \u201eKontinentale Sicherheit\u201c. Deshalb m\u00fcssen dem Pentagon Milit\u00e4rs willkommen sein, die seit langem \u00fcberf\u00e4llige Reformen durchf\u00fchren, den Mittelstand zur Macht f\u00fchren, und den revolution\u00e4ren Elan der Massen eind\u00e4mmen. Das ist sicherer und billiger, als reaktion\u00e4re Regime am Leben zu erhalten, die das Volk doch nur zur Explosion treiben. Aus diesem Grunde hat das Pentagon sich gegen Sanktionen ausgesprochen, die Waffenlieferungen nach Peru wieder aufgenommen und bildet weiterhin peruanische Offiziere aus.\u201c
Es sieht ganz so aus, als habe Washington endlich die Leute gefunden, die dem drohenden Volksaufstand in S\u00fcdamerika zuvorkommen k\u00f6nnen. Es sind die uniformierten Technokraten der b\u00fcrgerlichen Revolution.<\/p>","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Peru 1969 Ein Bericht von Gordian Troeller und Claude Deffarge Konkurrenz f\u00fcr Fidel Castro: Zum erstenmal in S\u00fcdamerika ist die Armee dem Aufstand der Besitzlosen zuvorgekommen. Perus Generale verordneten die Revolution, statt sie zu bek\u00e4mpfen. Ganz Amerika, blickt auf Peru \u2013 voll Angst, Hoffnung und Mi\u00dftrauen. Im Land der Inkas hat die Armee die Macht…<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"parent":0,"menu_order":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","template":"","meta":{"_seopress_robots_primary_cat":"","_seopress_titles_title":"","_seopress_titles_desc":"","_seopress_robots_index":"","footnotes":""},"categories":[],"tags":[],"class_list":["post-65100","page","type-page","status-publish","hentry","entry","no-media"],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/65100"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/types\/page"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=65100"}],"version-history":[{"count":5,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/65100\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":65191,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/65100\/revisions\/65191"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=65100"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=65100"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.troeller-deffarge.com\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=65100"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}