Stern, Heft 22, 2. Juni 1963
Zu Fuß, auf Kamelen und Eseln durchquerten die STERN-Reporter Gordian Troeller und Claude Deffarge das Kriegsgebiet im nördlichen Jemen. Aus dem benachbarten Saudi-Arabien kabelte Gordian Troeller einen ersten Bericht über den Kampf zwischen Truppen des zwanzigsten Jahrhunderts und Partisanen des Mittelalters.
Der Krieg im Jemen ist immer noch nicht beendet. Der Waffenstillstand, von dem die Weltpresse schon in großen Schlagzeilen zu berichten wußte, ist nicht geschlossen worden. Unterstützt von annähernd 25 000 ägyptischen Soldaten, von Fallschirmjägern und Düsenbombern, kämpfen die nasserfreundlichen Republikaner jetzt schon sieben Monate gegen den gestürzten jemenitischen König El Badr, der zugleich geistlicher Herrscher (Imam) des Landes war.
Die Vermittlungsaktion der UNO im jemenitischen Bürgerkrieg konnte die Waffen nicht zum Schweigen bringen. Einziger Erfolg: UNO-Beobachter wurden an der Grenze zwischen dem Jemen und Saudi-Arabien stationiert, um weitere Hilfeleistungen des Königs Saud für die Königstreuen zu unterbinden.
Die ägyptische Propagandamaschine behauptete bis vor kurzem, der Imam könne sich lediglich noch an der nördlichen Grenze halten, und dies auch nur dank der Hilfe von saudi-arabischen Truppen. Die Königstreuen hingegen versichern, daß sie die Hälfte des Landes kontrollieren und täglich neue Stellungen erobern.
Es ist schwierig, hinter diesem Lärm der Propagandafanfaren dem wahren Sachverhalt auf den Grund zu kommen. Um so mehr, als Journalisten gewaltige Hindernisse zu überwinden haben, um den nördlichen Jemen zu erreichen, geschweige denn zur Front vorzudringen. Meiner Kollegin Claude Deffarge und mir gelang es unter unsäglichen Strapazen. Der gebirgige und öde Jemen heißt nicht umsonst das „Tibet am Roten Meer“.
Entgegen allen ägyptischen Siegesmeldungen fanden wir die königstreuen Gruppen und Stämme überall im Vormarsch. Am heißesten wurde noch im Djouf gekämpft, einem Wüstental, das die Straße Sanaa-Saada mit den Städten Marib und Harib verbindet.
Hier hatten die Ägypter Ende Februar eine von Panzern und Flugzeugen unterstützte Offensive vorgetragen, um die Ostgrenze des Landes vor dem Besuch des UNO-Bevollmächtigten Dr. Bunch in ihre Hände zu bekommen. Gleichzeitig wollten sie die Sanaa stark bedrängenden Truppen des Prinzen Abdullah Bin Hassan von ihren Nachschubbasen im Norden abschneiden.
Mittlerweile haben die Königstreuen vier der acht im Djouf errichteten Lager vernichtet. Marib und Harib können nur noch aus der Luft versorgt werden. Die vielzitierte saudi-arabische Hilfe für den Imam El Badr beschränkt sich freilich nur auf Geld, Lebensmittel und amerikanische Waffen. Nirgendwo haben wir jordanische oder saudi-arabische Truppen gesehen – nur barfüßige, mit zum Teil altmodischen Gewehren ausgerüstete Krieger der jemenitischen Bergstämme.
Im Djouf allein haben sie 17 Panzer mit einer Wunderwaffe außer Gefecht gesetzt: mit dem Turban. Wenn die Wüstenkrieger die begleitende Infanterie ausgeschaltet haben, kriechen sie an die Kampfwagen heran und verstopfen die Auspuffrohre mit den Kopfbedeckungen. Die Motoren bleiben stehen. Dann warten die Panzerknacker nur noch ab, bis die Besatzungen, von der glühenden Sonne gezwungen, die Luken öffnen.
Alle Gebiete, die wir durchreisten, hatten sich nach dem Staatsstreich des von Nasser beeinflußten Generals Sallal fest in republikanischer Hand befunden und sind erst im Laufe der letzten drei Monate zurückerobert worden.
Als wir im Oktober des vergangenen Jahres unsere Reportage auf der republikanischen Seite des Jemens beendet hatten, waren wir von Sieg und Beständigkeit der Republik überzeugt gewesen – und wir hatten es im STERN geschrieben. Wir baten die Prinzen und Scheichs, denen wir jetzt auf der königlichen Seite begegneten, uns zu erklären, wie es zu solch einer Fehleinschätzung kommen konnte.
Die Antwort lautete etwa so: „Wir hatten kaum einen anderen Eindruck. Nach dem Tod des verhaßten Imam Achmed mußte eine Revolution ausbrechen. Die Republik erschien der einzige Weg in die moderne Welt und fand überall Anhänger. Dann aber machte Sallal den entscheidenden Fehler: Er rief die Ägypter. Sie warfen Bomben auf die wenigen Dörfer, die noch zum König hielten. Sie irrten sich oft, denn es gibt keine exakten Karten unseres Landes. Sie vergingen sich an unseren Frauen und benahmen sich wie die Herren des Landes. Das kann nirgends gutgehen, am wenigsten bei stolzen, kriegerischen Bergstämmen.“
Und weiter: „Wir haben nur noch ein Ziel: die Ägypter zu vertreiben. Ob dann der Imam El Badr regieren wird, das ist eine andere Frage. Heute stehen wir auf seiner Seite, aber wir kämpfen für uns. Wir alle haben unter dem alten Imam gelitten. Diesmal werden wir uns den richtigen aussuchen – wenn der Jemen wieder uns gehört.
Nasser hat inzwischen begriffen, daß Panzer und Bomben diesen Willen nicht brechen können. Deshalb hat er auch einen Abzug seiner Soldaten angeboten. Der Jemen soll nicht zum Grab der besten ägyptischen Truppen werden.