Stern, Heft 9, 27. Februar 1966
Ratna Sari Dewi
Die schönste der vier Frauen Sukarnos
Als Bundespräsident Heinrich Lübke seine Reise nach Indonesien vorbereitete, machten ihn seine Berater mit einer befremdlichen Tatsache bekannt: Präsident Sukarno, dem Heinrich und Wilhelmine Lübke einen Staatsbesuch abstatten wollten, hat vier Frauen. „Vier Frauen?“ erschrak der Bundespräsident und fragte seinen Protokollchef : „Halten Sie es denn für richtig, daß ich da überhaupt hingehe?“ Baron von Herwarth beruhigte ihn: das sei durchaus nichts Außergewöhnliches. Als Mohammedaner dürfe Sukarno vier Ehefrauen haben. Herwarth verschwieg taktvoll, daß Sukarno sich damit nicht begenügte – bei Auslandsbesuchen des indonesischen Präsidenten müssen nicht nur Quartiere, sondern auch blonde Gespielinnen besorgt werden. Offen blieb bei diesen Beratungen, wen die Lübkes treffen würden: einen kleinen Harem? Oder nur eine Frau? Und welche?
Bei der Ankunft in Djakarta löste Sukarno dann das Damen-Quiz: Er präsentierte den Lübkes seine dritte Frau, Hartini, als „Erste Dame“ des Landes. Die Lübkes waren von ihr sehr angetan. Wilhelmine schloß sie besonders in ihr Herz, und beim Abschied, in der Tür des Flugzeuge, sagte sie mit erhobenem Finger: „Also, Herr Sukarno, daß sie nun auch immer besonders nett zu ihrer zauberhaften Frau sind.“
Dem deutschen Bundespräsidenten Lübke präsentierte Sukarno seine dritte Frau, Hartini als „First Lady“. Hartini residiert im Sommerpalast zu Bogor. Sukarnos zweite Frau, Fatmawati (unten), die noch immer als die eigentliche „First Lady“ des Landes gilt, wohnt in der Hauptstadt Djakarta – aber nicht in Sukarnos Palast. Die erste Frau, eine reiche Witwe, die Sukarno als Student heiratete, lebt vergessen in Bandung. Die vierte, jüngste und schönste Frau, Dewi, ist Hausherrin in seinem Privathaus auf der Trauminsel Bali
Sie wußte nicht, daß eine andere bereits viel höher in Sukarnos Gunst stand:
Ein Gesicht wie beseeltes Porzellan. Ein Körper, wie Götter ihn in seligem Rausch erschaffen. Augen, aus denen man nie wieder auftauchen möchte. Sex, Seele, Sicherheit, Sensibilität. Was noch? Feuer, Faszination, Format. Kurzum: alles, was eine Frau unwiderstehlich macht. So wenigstens kann sie mir vor, als ich sie in Djakarta zum ersten Mal sah: Ratna Sari Dewi, zu deutsch – die „Königin der Juwelen“. Sie ist die vierte und jüngste Frau (26) das vierund sechzigjährigen Präsidenten von Indonesien, Sukarno.
Diese Märchenfee befindet sich im Augenblick auf einer Europareise. Presse, Radio und Fernsehen verfolgen sie in Rom, London und Paris. Aber nirgendwo gab es offizielle Empfänge. Obgleich Ratna Sari Dewi heute die erste Dame – wenn auch vierte Frau – das Präsidenten einer wichtigen Nation ist, behandeln die Großen sie wie das Aschenbrödel der Politik. Ihr Mann hat Schwierigkeiten. Viele wollen seinen Kopf. Und wer will schon in den letzten Akt einer politischen Tragödie hineingezogen werden?
Aber ich greife voraus. Das Mysterium, das die Reise dieser Frau umgibt, ist ebenso wenig geklärt wie die Geheimnisse ihres eigenen Lebens. Man weiß, daß sie Japanerin ist, Fräulein Nemeto hieß und 1959 mit achtzehn Jahren von Sukarno geheiratet wurde. Alles andere ist Erfindung oder Vermutung.
Einige behaupten, sie sei sechs Jahre lang die Musterschülerin einer berühmten Geisha-Schule gewesen. Andere wollen wissen, Sukarno habe sie in einem Film gesehen, sie zur Premiere nach Djakarta eingeladen und dort mit so viel Schätzen überschüttet, einschließlich zwei Elefanten, daß sie ihm nicht widerstehen konnte. Es heißt auch, sie sei nur ein Barmädchen, das der lebenslustige Sukarno auf einem seiner Streifzüge durch das Nachtleben Tokios entdeckt habe.
Wenn man den eigenen Erklärungen der heutigen Madame Sukarno glauben darf, wollte sie Schauspielerin werden und hatte es bereits zum Fotomodell gebracht, als sie Sukarno auf einem Empfang kennenlernte. Das wenigstens geht aus einer kurzen Autobiografie hervor, mit der sie auf Angriffe der japanischen Presse antwortete. Es wurde ihr vorgeworfen, die Ehre aller japanischen Frauen in einem indonesischen Harem zu besudeln.
Sie gestand auch, Sukarno habe ihr bereits am ersten Tag erklärt, bei ihrem Anblick fühle er sich wie ein müdes Schiff, das nach langer Reise endlich den ersehnten Hafen der Ruhe gefunden hat. Daraufhin habe sie sich gelobt, „ihn zum glücklichsten Mann auf der Erde zu machen“.
Das ist ihr auch gelungen; denn Sukarno erklärt heute jedem, der es hören will, daß Ratna Sari Dewi die zärtlichste Frau der Welt sei.
Dieses Kompliment paßt auf die meisten Japanerinnen, soweit sie herkömmlich erzogen sind. Sie lernen, die Rangordnung der geschlechtlichen Unterschiede peinlich genau zu beachten. Zuerst kommt der Mann. Ihm zu dienen ist ihre höchste Aufgabe, ihn zu erfreuen ihre Pflicht. Wenn sie dabei sich selbst nicht vergessen, so ist das ihre Sache – oder vielmehr ebenfalls in ihrer Erziehung verankert. Denn sie haben gelernt, daß die Liebe ein Ritus ist, ein Fest des Lebens. Sie glauben nicht, wie wir, an einen Himmel oder ähnliches, wo man für irdische Taten bestraft oder belohnt wird. Ihre einzige Welt liegt auf dieser Erde. Und so kultivieren sie den Bereich der Sinne und alles Vergängliche mit dem tiefen Respekt, der ihrer flüchtigen Einmaligkeit entspricht. Lieben ist keine Sünde, Scham in unserem Sinne unbekannt. Aber zimperlich zu lieben oder die Rolle der Frau stümperhaft zu spielen, ist ein grober Verstoß gegen die Sitte. Nicht umsonst hat auch Sukarno trotz Intrigen und Erpressung sieben Jahre lang an seinem „Morgenstern“ – wie er Ratna Sari Dewi nennt – festgehalten.
Und warum sollte sie sich aufregen, ihn mit anderen Frauen teilen zu müssen? Auch darauf ist sie von Kind auf vorbereitet. Obgleich die Vielweiberei in Japan verboten ist, muß auch dort jeder Mann, der etwas auf sich hält, mehrere Geliebte haben. Das gehört zum guten Ton. Wenn er sich also außerhalb des Hauses sexuell vergnügt, verletzt er weder die Gefühle seiner Frau noch den ehelichen Vertrag.
Es wird behauptet, daß die oberste Heeresleitung Sukarno verboten habe, seine vierte Frau auf ihrer Reise zu begleiten. Er wollte mit ihr in der Schweiz ins Exil gehen, heißt es, „und so hätte sie ihn endlich für sich ganz allein gehabt“.
In Indonesien gelten moderne Tänze als dekadent. Trotzdem ließ sich Dewi Sukarno in Roms exklusiven Bars von Playboys den Surf, Shake, Monkiss und Sirtaki beibringen. Sie trug dabei indonesische Landestracht – weil Sukarno es haßt, sie in westlichen Kleidern zu sehen, und einmal sogar alle ihre Hosen verbrennen ließ. Später durchbrach Dewi Sukarno dieses Tabu: In Paris kleidete sie sich westlich – sie kam sich dort in der Landestracht „verkleidet“ vor
Wer solche Geschichten zum besten gibt, kennt Sukarno nicht. Während seine Frau bereits unterwegs war, hielt er vor Volk und Heer seine bisher selbstherrlichste Rede. Und niemand widersprach. Selbst die Offiziere klatschten Beifall, obgleich sie es sind, auf die jene bauen, die Sukarno kaltstellen wollen.
Der amerikanische Geheimdienst sucht nach den richtigen Männern, die Sukarno ablösen sollen. Es wird hart verhandelt. In Tokio, in Hongkong, in Djakarta. Geld für die Herren Offiziere, aber auch Milliarden für Rüstung und Ausbau des Heeres werden geboten. Das sind Argumente, denen Fetischisten von Uniform und Dienstgrad nur schwer widerstehen können – und es dürfte bald eine Putsch geben.
Das scheint aus der Luft gegriffen. Aber ich war dort. Und im übrigen kenne ich die Musik. Damals, als Persiens Ministerpräsident Mossadegh gestürzt wurde und der Schah wieder seinen Thron besteigen durfte, war ich auch in Persien. Die CIA auch – mit viel Geld. Die „kaisertreuen“ Offiziere gaben sich nicht einmal die Mühe, das erhaltene Geld in einheimische Währung umzutauschen. Selbst Taxis wurden mit Dollar bezahlt. Und auch damals spielte eine Frau die Hauptrolle: Prinzessin Aschraf, die Zwillingsschwester des Kaisers. Sie führte die Verhandlungen und traf Allen Dulles, den damaligen Chef der CIA regelmäßig in der Schweiz und an der Côte d’Azur. Das hat sie mir selbst erzählt. Nach dem Sieg natürlich.
Und jetzt steht wieder eine Frau im Mittelpunkt. Nur sind die Rollen vertauscht. Madame Sukarno hat keine Verbindung zur CIA. Sie wird von ihr beschattet wie der Sünder vom Teufel.
„Mein Morgenstern“ nennt der indonesische Staatspräsident Sukarno verliebt seine vierte Frau Ratna Sari Dewi. Er vergleicht sich mit „einem müden Schiff, das endlich den Hafen der Ruhe gefunden hat“. Sie wiederum gelobte, ihn „zum glücklichsten Mann auf Erden zu machen“. Sukarno erklärt jedem, der es hören will, daß sein „Morgenstern“ die zärtlichste Frau der Welt ist
Nicht ohne Grund. Ihre Reise führt genau in jene Länder, die von der Ausbreitung der amerikanischen Hegemonie in Südostasien nicht begeistert sind: Japan und Frankreich. Genau wie die Bundesrepublik, so möchte auch Japan wieder ein Mitspracherecht erhalten, das seiner wirtschaftliche Macht entspricht. Es scheut sich deshalb nicht, Sukarno gegen den Willen der Amerikaner seit Monaten unter die Arme zu greifen. Und wenn seine Frau offiziell auch nur ein paar Millionen Dollar für die Einrichtung eines Krankenhauses erhielt, so steht tausendmal mehr auf dem Spiel. Ebenso für de Gaulle. In seinem Spiel kann er ein neutrales und gegen die Yankees wetterndes Indonesien besser gebrauchen als einen Vasallen der Vereinigten Staaten.
Es ist deshalb kein Zufall, dass gerade die Rothschilds sich besonders um Frau Sukarno kümmern – jene mächtigen Herren also, deren Bevollmächtigter einst der heutige Ministerpräsidenten Pompidou war. In ihren Palästen geht Pompidou heute noch ein und aus – genau wie jetzt die „Königin der Juwelen“. Dort gibt es genügend Winkel, in denen „zufällige“ Begegnungen politische Bedeutung erhalten können.
Dewi Sukarno feiert ihren sechsundzwanzigsten. Geburtstag. In Paris, bei Maxim’s. Der Ehrentanz gehört dem Baron Edmond de Rothschild
Die vierte und schönste Frau des indonesischen Staatspräsidenten reist mit acht Koffern und zwei Leibwächtern durch Europa. Sie kauft eifrig Kleider und amüsiert sich in exklusiven Nachtclubs. Währenddessen schwelt zu Hause ein Bürgerkrieg, der bereits über hunderttausend Opfer gekostet hat.
Auch die Position ihres Mannes ist angeschlagen. Viele wollen seinen Kopf. Besonders die Amerikaner. Um Verbündete zu suchen, baut Sukarno jetzt auf den Charme seiner japanischen Frau, die hinter den Kulissen große Politik treibt
So mischen sich Politik und Schönheit, Intrige und Anmut. Auf die Dollaroffensive antworte Sukarno mit seiner letzten Waffe: dem Unternehmen Charme. Und sollte der Machtkampf zu seinen Gunsten ausgehen, so wird er es zum großen Teil seiner Frau zu verdanken haben, die sich scheinbar nur amüsiert, aber heimlich und kunstvoll auf den Seiten der großen Politik spielt.